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Außenminister Wadephul in der Kritik Die Empörung ist scheinheilig

Johann Wadephul steht nach seiner Kritik am Eingreifen der USA in den Krieg zwischen Israel und dem Iran unter Beschuss. Hat der Außenminister seine Kommunikation im Griff?
Schon wieder gibt es Ärger für Außenminister Johann Wadephul. Nachdem die US-Armee am Wochenende iranische Atomanlagen bombardiert hatte, bezeichnete der CDU-Politiker das US-Eingreifen in Israels Krieg als "bedauerlich". Damit setzte er sich von Bundeskanzler Friedrich Merz ab, der die mögliche Zerstörung der iranischen Atomanlagen begrüßte. In der Union sorgte das für Unmut, und es ist kein Einzelfall: Schon zuvor stand der Außenminister mit seinen Äußerungen zur israelischen Kriegsführung im Gazastreifen oder zur deutschen Aufrüstung im politischen Gegenwind, auch Vertreter der Regierungsparteien äußerten ihren Unmut.
Mit Blick auf die sehr volatile Krisenpolitik scheint die Bundesregierung also nicht immer mit einer Stimme zu sprechen. Kritik gibt es aktuell aber vor allem an den Äußerungen von Wadephul. Das führt zur Frage:
Hat Außenminister Wadephul seine Kommunikation im Griff?

Sie trauen sich nicht, Merz anzugreifen
Außenminister Wadephul hat seine Kommunikation im Griff. Es sollte aber keine Überraschung sein, dass er in sein neues Amt hineinwachsen muss. Er muss "lernen", wie er selbst sagt. Immerhin ist der CDU-Politiker nicht einmal 50 Tage im Amt. Es gibt die gute Tradition im politischen Berlin, dass ein neuer Amtsinhaber 100 Tage Zeit bekommt, bevor der Kritiksturm über ihn hereinbricht. Diese Gnadenfrist ist fair, sie ist vernünftig.
Wadephul eine falsche Kommunikation zu attestieren, ist aber auch in der Sache falsch. Schließlich ist Kanzler Friedrich Merz für die Kommunikationslinie seiner Regierung verantwortlich, er setzt auch den Rahmen für die Minister. Kommunikation ist Chefsache. Trotzdem trifft die Kritik gegenwärtig vor allem Wadephul.
Dabei stehen sich Kanzler und Außenminister nahe. So übte Merz aufgrund der katastrophalen humanitären Lage im Gazastreifen Ende Mai heftige Kritik an der israelischen Regierung, Wadephul zog nach, indem er deutsche Waffenlieferungen an Israel infrage stellte. Die Kritik aus der CSU bekam vor allem der Außenminister ab. Dabei waren seine Aussagen diplomatischer als die von Merz. Aber die Union traut sich offenbar nicht, den Chef zu kritisieren.
Auch als Wadephul die Steigerung der deutschen Verteidigungsausgaben beim Nato-Außenministertreffen in Antalya auf fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts verkündete, war die Empörung des Koalitionspartners SPD scheinheilig. Zugegeben, es war ein kommunikativer Schnellschuss. Doch der war mit Merz abgestimmt. Denn der Vorstoß orientierte sich an einem Papier, das zuvor Nato-Generalsekretär Mark Rutte ausgearbeitet hatte. Zudem wird das künftige Rüstungsziel ohnehin von den Staats- und Regierungschefs der Nato festgelegt.
Mit Blick auf Israels Krieg gegen den Iran und Trumps Eingreifen dagegen tat Wadephul lediglich seinen Job. Ein Außenminister darf sich nicht freuen, wenn Bomben fallen – denn das ist immer ein Versagen von Diplomatie. Der CDU-Politiker hatte zusammen mit seinem Amtskollegen aus Frankreich und Großbritannien noch am Freitag mit dem iranischen Außenminister verhandelt, und die USA haben diesen diplomatischen Prozess mit ihrem Angriff untergraben. Es ist vollkommen nachvollziehbar, dass Wadephul dies kritisiert – alles andere wäre unehrlich. Merz dagegen hatte zuvor Israels Krieg gegen den Iran als "Drecksarbeit" bezeichnet – eine völlig verfehlte Tonalität für einen deutschen Regierungschef. Hat der Kanzler etwa seine Kommunikation nicht im Griff?

Meister des falschen Worts zur falschen Zeit
Außenpolitik besteht in erster Linie aus Reden, aus der Kunst, im richtigen Moment das Richtige zu sagen. Und vor allem sollte sie in Übereinstimmung oder mindestens weitgehendem Einklang mit den Verbündeten erfolgen – zuallererst aber mit dem eigenen Kanzler. Das schon dicke Lastenheft des neuen Amtsinhabers Johann Wadephul legt den Verdacht nahe, dass der Novize diese Gabe nur bedingt mitbringt.
Bundeskanzler Friedrich Merz hatte unmittelbar nach den israelischen Militäreinsätzen im Gazastreifen Israel scharf kritisiert, auch mit Blick auf das Völkerrecht. Wadephul betonte hingegen bei seinem Besuch in Israel die Notlage im Gazastreifen, stellte aber ausdrücklich fest, dass eine Hungerblockade nicht als Völkerrechtsbruch zu werten sei. Damit wich er klar von Merz ab.
Schon zuvor war Wadephul kommunikativ verhaltensauffällig geworden: Er sorgte beim Nato-Außenministertreffen in Antalya für Staunen, als er ankündigte, Deutschland wolle künftig fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung ausgeben – und verwies explizit auf diese US-Vorgabe. Dieses deutlich höhere Ziel liegt über dem im Koalitionsvertrag vereinbarten und birgt Konfliktpotenzial – auch gegenüber der SPD –, da es teure finanzielle Versprechen impliziert, die Merz nicht öffentlich gemacht hatte. Dadurch klang Wadephuls Einlassung nach einem unabgestimmten Vorstoß.
Auch in der Frage des Taurus-Marschflugkörpers für die Ukraine äußerte sich Wadephul mehrfach abweichend von Merz. Und während Merz das militärische Vorgehen Israels und jetzt auch der USA gegen den Iran mit teilweise drastischen Worten ("Drecksarbeit") prinzipiell stützte, nannte Wadephul den Schlag der USA "bedauerlich". Dass er obendrein mit dem Iran in Genf noch Verhandlungslösungen suchte, während in den USA die B2-Bomber schon startklar gemacht wurden, verstärkt den Eindruck einer gewissen Glücklosigkeit in Wort und Tat.
Eine weiche Flanke der neuen Bundesregierung, die erstaunlich ist. Denn zum ersten Mal seit Jahrzehnten sind Kanzleramt und Außenamt in den Händen der Union. Aber von Gleichschritt sind Merz und Wadephul auf den ersten Metern weit entfernt. Und an Merz liegt das nicht.
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- Eigene Recherchen