Arbeitsminister Heil: "Die Rente ist sicher, wenn ..."
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Der Bundesarbeitsminister diskutiert mit einem Studenten ΓΌber Rentenpolitik. Und wirft sich beim Thema Impfen in eine John-F.-Kennedy-Pose. Die Impfung sei "supersicher", sagte eine Virologin.
Auf ein "echtes Duell zweier MΓ€nner" machte Markus Lanz am Anfang seiner Talkshow am spΓ€ten Dienstagabend gespannt. Damit meinte er die Diskussion zwischen Hubertus Heil, der als Bundesminister fΓΌr Arbeit und Soziales den grΓΆΓten Etat im Bundeshaushalt verwaltet, und dem 22-jΓ€hrigen Moritz Piepel, der die aktuelle Rentenpolitik scharf kritisiert. TatsΓ€chlich lieferten sich die beiden ein offenes, scharfes Wortgefecht β aber erst, nachdem es in der ersten ShowhΓ€lfte, kaum weniger scharf, um alte, aber offene Impf-Fragen gegangen war.
Die GΓ€ste:
- Hubertus Heil, Bundesarbeitsminister (SPD)
- Moritz Piepel, Student, Mitglied der "Generationen Stiftung"
- Ulrike Protzer, Virologin
- Kristina Dunz, Journalistin
Beim Thema Impfen stellten sich die Fronten anders dar: Alle vier StudiogΓ€ste sahen relativ einig keinen groΓen Konflikt zwischen dem Beschluss der Gesundheitsminister, allen Kindern ab zwΓΆlf ein Impfangebot zu machen, und der Position der StΓ€ndigen Impfkommission (Stiko). Nur Moderator Lanz stellte sich dagegen. "KΓΆnnen wir die Kinder einsetzen, weil wir als Erwachsene eine HerdenimmunitΓ€t wollen?" fragte er und beklagte, dass die Politik die Stiko vor sich hertreibe. Dazu spielte er ein, was der Stiko-Vorsitzende Thomas Mertens Mitte Juli bei ihm gesagt hatte.
"Neu ist das eigentlich nicht, was die Minister da entschieden haben", meinte indes die Virologin Ulrike Protzer. Man solle die Kirche im Dorf lassen: "Die Impfung ist supersicher". Kristina Dunz, Journalistin vom Redaktionsnetzwerk Deutschland, glaubt, "dass die Stiko zu lange braucht" und die Politik nicht wieder auf die Wissenschaft warten wollte, wie sie es 2020 habe tun mΓΌssen. Piepel ist bereits zweimal geimpft und "sehr dankbar", dass seine Uni in Dresden das Impfen ermΓΆglichte. Er klagte ΓΌber "dieses Narrativ, dass junge Menschen unverantwortlich wΓ€ren und die ganze Zeit Party machen wollen". Vielmehr hΓ€tten die Studenten unter den langen Uni-SchlieΓungen gelitten. Seiner Ansicht kΓΆnnten sogar schon 12- bis 18-JΓ€hrige selber entscheiden, ob sie sich impfen lassen wollen.
Nein, diese Entscheidung kann angesichts der noch neuen mRNA-Impfstoffe ja nicht mal die Stiko treffen, hielt Lanz dagegen und nannte Covid vor allem "eine Krankheit des Alters". Weil der Moderator sich zunehmend als Agent Provocateur zeigte, spiegelte die Diskussion zumindest die Zerrissenheit der Gesellschaft, wider.
Heil: "Erwachsene lasst euch impfen!"
Bundesminister Heil hielt sich zunΓ€chst zurΓΌck und nannte die Entscheidung der Gesundheitsminister "vertretbar". Zunehmend gab er sich dann staatsmΓ€nnisch, etwa mit dem Kennedy-Zitat "Frage nicht, was dein Land fΓΌr dich tun kann. Frage, was du fΓΌr dein Land tun kannst". Vor allem eine Forderung ergebe sich aus der Debatte ums Kinder-Impfen: "Erwachsene lasst euch impfen!", rief Heil in die Kamera. "Die KollateralschΓ€den, die wir haben, sind irre."
Noch viel grΓΆΓere Zerrissenheit der Gesellschaft sieht die "Generationen Stiftung" in kommenden Jahrzehnten voraus. "Die Rente ist nicht zukunftssicher und schnΓΌrt uns jungen Menschen die Luft ab", fasste Moritz Piepel zum Auftakt des zweiten Talkshow-Teils seine Position zusammen. Die RentenbeitrΓ€ge wΓΌrden "explodieren", das Rentenniveau werde senken.
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Es gebe eine "harte demographische Herausforderung vor allem in den nΓ€chsten 15 Jahren", hielt Heil dagegen. Ab Anfang der 40er-Jahre werde sich die Lage entspannen. Die entscheidende Frage laute, wie sich der Arbeitsmarkt entwickelt. Lanz nahm die erste Gelegenheit dankbar an und versuchte Heil auf den noch immer berΓΌhmten Norbert-BlΓΌm-Satz aus den 1980er und 90er-Jahren, "Die Rente ist sicher", festzunageln (der dann auch im Studiohintergrund eingeblendet wurde). Auf mehr als ein "Die Rente ist sicher, wenn wir das am Arbeitsmarkt hinbekommen" lieΓ sich Heil nicht ein.
Piepel sah seine Ansicht bestΓ€tigt, dass in puncto Rente wie auch in der Klimafrage "Politik fΓΌr die Generation 60+ gemacht wird", da diese Altersgruppe die meisten WΓ€hler stellt. Lanz warf die Frage dazwischen, ob kΓΌnftig die drei Millionen Zuwanderer pro Jahr gebraucht wΓΌrden. Heil sprach lieber von brachliegenden Potenzialen, etwa ΓΌber einer Million junger Leute ohne Berufsausbildung, lobte aber auch das neue FachkrΓ€fteeinwanderungsgesetz. AuΓer eher preiswerten Alliterationen wie "Technologie, Talente und Toleranz" hatte der SPD-Haudegen auch ΓΌberzeugendere SprΓΌche mitgebracht: "Man kann 36 sein und bescheuert, man kann 80 sein und bescheuert, man kann aber auch anders sein".
Konkret wurde es kaum, auΓer in der Frage des Renteneintrittsalters. Laut Piepel und Lanz mΓΌsse es weiter erhΓΆht werden. "Wir haben eines der hΓΆchsten Renteneintrittsalter von Industrienationen", hielt Heil dagegen und plΓ€dierte fΓΌr flexible LΓΆsungen. Am Ende verabschiedete Lanz ihn anerkennend als "Outperformer der SPD". Piepel hatte, auch wenn der engagierte bis ΓΌberengagierte Moderator Lanz in seine Rolle drΓ€ngte, ebenfalls keine schlechte Figur gemacht.
Klar, dass eher Argumentationsbausteine gegensΓ€tzlicher Lager aufeinanderprallten, als dass ΓΌberzeugende ProblemlΓΆsungsstrategien entworfen wurden. Immerhin hat die bissige Diskussion aber ein Problem bewusster gemacht, ΓΌber das, weil es sich schwer in gesprochene SΓ€tze fassen lΓ€sst, sonst selten diskutiert wird. Das ist auch etwas wert.