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Geisterschiff "Octavius": Gefangen in der Arktis westlich von Grönland


Geisterschiffe
"Octavius" - gefangen im Eis der Arktis

Ulrich Weih

Aktualisiert am 08.11.2023Lesedauer: 2 Min.
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13 Jahre lang trieb die "Octavius" durch die Arktis - anders als hier dargestellt, lagen die erfrorenen Männer unter DeckVergrößern des Bildes
13 Jahre lang trieb die "Octavius" durch die Arktis - anders als hier dargestellt, lagen die erfrorenen Männer unter Deck (Quelle: unbekannt)

Am 11. Oktober 1775 machte der Walfänger "Herald" westlich von Grönland eine ungewöhnliche Entdeckung: Zwischen den Eisbergen trieb ein Schiff, und trotz der Hindernisse war kein Mensch an Deck zu sehen - kein gutes Zeichen. Nur murrend folgten die Matrosen dem Befehl ihres Kapitäns, das Beiboot zu Wasser zu lassen, um an Bord des fremden Schiffes zu gehen.

Das Deck war von dickem Eis überzogen, kein Laut zu hören. Unter Deck ein erdrückender Leichengeruch: In jeder der 38 Kojen lag ein Seemann. Jeder von ihnen hatte sich unter dicke Schichten von Leintüchern und Decken verkrochen. Doch gegen die arktische Kälte konnten sie nichts ausrichten. Die ganze Mannschaft war tot.

In der Kapitänskajüte lag ein Mann gebückt über dem Tisch, die Hände ausgebreitet, den Federhalter daneben, das Logbuch vor sich. Außerdem waren da noch die Leichen einer Frau, eines kleinen Jungen sowie eines Seemanns. Die Mannschaft des Walfängers weigerte sich, das Totenschiff weiter zu durchsuchen. Die Matrosen nahmen das Logbuch an sich und verließen das Schiff.

Im Eis festgefroren

Der größte Teil des Logbuchs ging jedoch beim Transport verloren, da es ebenfalls gefroren war und aus seiner Bindung ins Wasser rutschte. Es verblieben nur die ersten und letzten Seiten der Aufzeichnungen. Daraus rekonstruierten die Walfänger das Schicksal des Schiffes.

Demnach handelte sich um die "Octavius". Sie war im Jahr 1761 in England zu einer Reise in den Orient aufgebrochen und hatte ein Jahr später ihr Ziel erreicht. Für die Rückreise plante der Kapitän eine Route durch die tückische, aber deutlich kürzere Nordwestpassage. Nördlich von Alaska wurde das Schiff jedoch von Meereis eingeschlossen: Die "Octavius" steckte in der Arktis fest.

"Qual ohne Ende"

Wie es den Männern auf der "Octavius" in der eisigen Kälte ergangen ist, kann man nur ahnen. Das Schiff war für Polarfahrten überhaupt nicht ausgerüstet. Es entbehrte eine entsprechend soliden Konstruktion, Öfen und Brennmaterial, ausreichend Nahrungsmittel und adäquate persönliche Ausrüstung.

Der letzte Eintrag im Logbuch stammt vom 11. November 1762: "Jetzt sind wir siebzehn Tage im Eis eingeschlossen. Unsere ungefähre Position ist 160 Grad westliche Länge, 75 Grad nördliche Breite. Das Feuer ging gestern aus, und der Kapitän versuchte es wieder anzuzünden, doch ohne Erfolg. Er hatte Feuerstein und Stahl dem Maat übergeben. Des Kapitäns Sohn starb heute morgen, und seine Frau sagt, dass sie die schreckliche Kälte gar nicht mehr fühlt. Für den Rest von uns scheint der Schmerz eine Qual ohne Ende."

Durch die Nordwestpassage

13 Jahre lang trieb die "Octavius" durch die Arktis, bis sie schließlich von den Walfängern entdeckt wurde. Merkwürdigerweise fand man sie in grönländischen Gewässern, also am östlichen Ende der Nordwestpassage. Als das Schiff im Eis eingeschlossen wurde, befand es sich nördlich von Alaska.

Vermutlich hatte die "Octavius" den Weg durch die Nordwestpassage von alleine gefunden. Sommer für Sommer war es weiter nach Osten geschoben worden, im Winter fest gefroren und in den kurzen arktischen Sommermonaten wieder weitergetrieben, bis es schließlich den Nordatlantik erreichte.

Demnach wäre die "Octavius" das erste Schiff, das durch die Nordwestpassage segelte. Nur haben Kapitän und Mannschaft das nicht mehr erfahren.

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