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Berliner Problem-Park | "Hier kann es schnell eskalieren, weil viele ein Messer haben"


Berliner Problem-Park
"Hier kann es schnell eskalieren, weil viele ein Messer haben"

Ella Strübbe

25.07.2022Lesedauer: 4 Min.
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Ein Polizist im James-Simon-Park und Betriebsleiter des Palladium, Charlie (Montage): Der Gastronom hat Sicherheitspersonal für seine Bar nahe der Grünanlage angestellt.Vergrößern des Bildes
Ein Polizist im James-Simon-Park und der Betriebsleiter des "Palladium", Charlie (Montage): Der Gastronom hat Sicherheitspersonal für seine Bar nahe der Grünanlage angestellt. (Quelle: Christoph Soeder/dpa, Ella Strübbe, Montage - t-online)

Menschenmassen, Messerattacken, Übergriffe: Nach ständigen Polizeieinsätzen herrscht im James-Simon-Park nun nachts ein Alkoholverbot. Reicht das?

Kurz nach 21 Uhr: Charlie steht vor seiner Bar im Stadtbahnbogen zwischen den Stationen Hackescher Markt und Friedrichstraße. Er macht Pause, weil gerade sowieso nicht viel los ist. Ungewöhnlich für einen Samstag am James-Simon-Park in Mitte. Vor einer Woche sah das hier noch ganz anders aus, erinnert er sich.

Der Betriebsleiter des "Palladium Berlin" war dabei, als die Polizei in der Nacht zum 16. Juli den Park räumte. Die Stimmung unter den rund 250 Feiernden war aufgeheizt. Immer wieder zündeten einzelne Gruppen Pyrotechnik.

"Das Aggressionspotenzial war hier schon immer sehr hoch, aber das war eine erschreckende Situation", erinnert sich Charlie. Aus Sicht des gebürtigen Neuköllners handle es sich bei den Feierwütigen meist um Berliner mit Migrationshintergrund, die maximal 21 Jahre alt seien. Dass es sich bei den Feiernden vor allem um junge Menschen handle, bestätigt auch Martin Dams. "Vereinzelt (suchen) erlebnisorientierte Jugendgruppen die Parkanlagen auch bei schlechtem Wetter auf und begehen Straftaten", so der Sprecher der Polizei Berlin auf Nachfrage von t-online.

Berliner James-Simon-Park: "Während Corona zu Sauf-Park entwickelt"

Seit dem Vorfall am 18. Juli arbeitet Charlie eng mit der Kriminalpolizei zusammen, hat privates Sicherheitspersonal angestellt. "Vor allem für meine Mitarbeiterinnen ist die Gefahr sehr hoch", sagt er und fügt hinzu: "Allein der Weg vom Hackeschen Markt zur Arbeit kann da schnell zum Spießrutenlauf werden." Dass nun mehr Polizeipräsenz herrscht, findet er sinnvoll, die Menschen müssten sich in ihrem hemmungslosen Trinken gestört fühlen.

Seit Freitag herrscht im James-Simon-Park zwischen 22 Uhr und 6 Uhr morgens ein Alkoholverbot. Die Regel gilt bis zum 11. September: Anordnung des Bezirksamts. Bislang kontrolliert die Polizei das Verbot. An den kommenden Wochenenden will der Bezirk Mitte die Polizei dann unterstützen. Immer freitags und samstags sollen Mitarbeiter des Ordnungsamts "im Rahmen der vorhandenen Ressourcen" zwischen 22 und 23.30 Uhr vor Ort sein.

Lara, Nicole und Linus haben vom Alkoholverbot am Samstag noch nichts gehört. Sie sitzen am Rande der Grünfläche nahe der Unterführung zum Monbijoupark. Lange bleiben wollen sie heute aber sowieso nicht. "Ist komisch geworden", sagt Nicole. "Ja, während Corona hat sich das zum Sauf-Park entwickelt", stimmt Lara zu. Hier könne man nicht mehr richtig chillen. Als Frau fühlt sich weder die eine noch die andere im Park mehr wohl, beide wurden schon des Öfteren von betrunkenen Jugendlichen belästigt.

Während sie von ihren Erfahrungen erzählen, setzt sich eine Gruppe junger Männer viel zu nahe neben sie, fragt, ob "die Süßen" mit ihnen "chillen" wollen. "Genau das meine ich", sagt Nicole genervt. Auch Linus schüttelt den Kopf. Er ist hier in der Nähe aufgewachsen. "Früher waren hier noch mehr Familien unterwegs, mittlerweile hat sich der James-Simon-Park aber zu einem Hypespot entwickelt", meint der 24-Jährige.

Feiernde Jugendgruppen machen Problem: "Das sind alles Abwanderer vom Alex"

21.30 Uhr: Yusuf hat sich mit seinen Freunden zum Trinken verabredet. Er kommt aus Braunschweig, ist über das Wochenende bei seinen Cousins in Berlin. "Hier gehen die Menschen richtig ab, weil der Platz groß und bekannt ist", sagt er. Yusuf ist Teil der besagten Männergruppe. Ob sie Frauen häufiger so ansprechen? Er zuckt mit den Achseln und lächelt. Klar, aber sonst versuche er, Stress zu vermeiden: "Hier kann es schnell eskalieren, weil viele auch ein Messer dabei haben."

Dass gerade diese Grünanlage bei Feiernden so hoch im Kurs steht, führt Polizeisprecher Martin Dams auf die zentrale Lage, die gute ÖPNV-Anbindung sowie die zahlreichen Bars und Spätis zurück. Während der Corona-Pandemie habe sich der James-Simon-Park zu einem besonders beliebten Ort für feiernde Jugendliche entwickelt.

Warum gerade der James-Simon-Park offenbar so anfällig für Ausschreitungen ist, erklärt sich Charlie, der Betriebsleiter des "Palladium" so: "Das sind alles Abwanderer vom Alex, die dort nicht mehr abhängen, seitdem die Polizeistation aufgemacht hat."

Bar beauftragt Sicherheitsfirma: "Ist ruhiger geworden"

Auch im angrenzenden Monbijoupark war die Lage zuletzt angespannt. Erst vor zwei Monaten war hier ein Mann bei einem Streit zweier Gruppen niedergestochen worden. Elvis war am Abend des 24. Mai noch privat im James-Simon-Park unterwegs. Heute arbeitet er als Sicherheitsmitarbeiter für Charlies Bar. "Seit wir hier sind, ist es ruhiger geworden", sagt er.

Wenn Elvis von "hier" spricht, dann meint er den Grünstreifen zwischen S-Bahn und Gehweg. Dahinter beginnt der Park. Und so gibt es in seinen Augen auch einen klaren Unterschied zwischen den Menschen, die hier Getränke kaufen, und den feiernden Jugendlichen im Park. Charlie, der neben ihm steht, nickt und fügt hinzu: "Das ist einfach nicht unsere Kundschaft, die können sich unsere Preise auch gar nicht leisten."

Polizeipräsenz und Alkoholverbot hin oder her. "Sie müssten die dunklen Ecken beleuchten", meint Charlie und zeigt auf eine Unterführung. Oder eben den Park noch weiter einzäunen beziehungsweise zu einer bestimmten Uhrzeit komplett abriegeln. Schade wäre es aber, würde die Kultur verschwinden. "Diese Selfmade-Künstler machen schon einen Teil der Atmosphäre des Parks aus", schreit der Gastronom gegen die laute Technomusik des eigenen Ladens an.

Erstes Wochenende mit Alkoholverbot bleibt ruhig

22.45 Uhr: Charlie verkauft weiterhin Cocktails. Seine Ausschanklizenz falle nicht unter das Alkoholverbot. "Die Menschen dürfen mit ihren Getränken nur nicht den Park betreten", erklärt er. Eine 20-köpfige Gruppe Touristen versammelt sich vor der Bar, die Tanzfläche ist eröffnet.

Währenddessen leuchten zwei Polizisten mehrere Passanten im James-Simon-Park an. Hier darf schon seit einer Dreiviertelstunde kein Alkohol mehr getrunken werden. Fragende Gesichter, aber keine Tumulte. "Zieht einfach woanders hin‟, rät eine Polizistin. Flaschen werden aufgesammelt, der Park leert sich. Die Polizei dreht noch eine Runde, bevor sie in Richtung Monbijoupark abzieht.

Es bleibt ruhig an diesem Abend. Das gesamte Wochenende habe die Polizei im James-Simon-Park und im Monbijoupark nicht groß eingreifen müssen, teilt sie am Montag mit. Das Alkoholverbot scheint zu wirken.

Verwendete Quellen
  • Reporter vor Ort
  • Material der Nachrichtenagentur dpa
  • Eigene Recherche
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