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"Letzte Generation"-Aktivist kritisiert "überzogene" Polizeigewalt in Lützerath


Klimaaktivist der "Letzten Generation"
"Lützerath war auf jeden Fall ein Erfolg"

  • Claudia Zehrfeld
InterviewVon Claudia Zehrfeld

Aktualisiert am 18.01.2023Lesedauer: 4 Min.
Interview
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Räumung von LützerathVergrößern des Bildes
Aktivisten stehen am dritten Tag der Räumung auf einem Baumhaus (Archivbild): Die "Letzte Generation" findet, dass Bürger für eine echte Klimawende auf die Straße gehen müssen. (Quelle: Rolf Vennenbernd/dpa/dpa-bilder)

Die "Letzte Generation" ist zufrieden mit den Protesten in Lützerath. Aber es gibt auch etwas, das die Gruppe gestört hat, wie ein Sprecher im Interview erzählt.

Lützerath ist geräumt worden, Tausende Demonstranten waren vor Ort. Einer von ihnen war Karim Dillhöfer, Sprecher der "Letzten Generation". Er erzählt, dass noch mehrere Hundert Menschen im Camp in Keyenberg sind und weitere Aktionen stattfinden. "Es ist noch nicht vorbei", sagt er. Und schildert im Interview mit t-online seine Sicht auf die Räumung, die Gewalt vor Ort und was er von Greta Thunbergs Besuch hält.

t-online: War die Besetzung in Lützerath aus Ihrer Sicht ein Erfolg?

Karim Dillhöfer: Auf jeden Fall. Zum einen hat die Besetzung gezeigt, dass wir zusammenstehen für das Klima – und gegen die weitere Kohleförderung. Wir konnten darauf hinweisen, dass wir in Lützerath direkt auf Kohle sitzen, die abgebaggert werden soll – und ein Zeichen setzen, dass es so nicht weitergehen kann. Wir haben total viel Aufmerksamkeit bekommen, auch international.

Und zum zweiten?

Ich fand es ebenso sehr erfolgreich, dass wir als Team zusammen etwas gemacht haben. Gestern haben die verschiedenen Gruppen vor Ort – "Fridays For Future", "Ende Gelände", "Lützerath lebt!", "Letzte Generation" etc. – das erste Mal einen Tag lang zusammen Protest gemacht. Das war einmalig bis jetzt.

Trotzdem hat es dem Ort selbst ja nichts mehr gebracht.

Das stimmt, Lützerath wird gerade geräumt. Aber wir haben deutlich gemacht, dass eine Grenze erreicht ist. Wir fordern eine Politik, die sich an die eigenen Klimaschutzabmachungen hält, an das Pariser Abkommen. Wenn die Politik dem nicht nachkommt, gehen wir auf die Straße und fordern das ein. Das haben wir gezeigt. Man kann mit uns rechnen. Lützerath hat uns erneut verdeutlicht, dass es wichtig ist, immer wieder und weiter zum Handeln aufzufordern.

Ist das auch eine Lehre, die sie aus den Protesten ziehen?

Ja, genau. Eine Lehre ist, dass wir Klimaschutz selbst machen müssen. Das heißt, dass wir es einfordern müssen durch verschiedene Protestaktionen. Unsere Regierung wird nicht einfach so gute Klimapolitik machen. Für eine echte Klimawende müssen wir auf die Straße gehen. Wenn wir nicht darauf hingewiesen hätten, dass unter Lützerath 280 Millionen Tonnen Kohle liegen, die auf keinen Fall mehr verbrannt werden dürfen, dann hätte niemand davon Kenntnis genommen. Wir müssen Druck machen, damit etwas passiert.

Wie haben Sie die Polizei im Umgang mit den Demonstranten erlebt?

Das Vorgehen der Polizei ist schwierig komplett zu bewerten. Einerseits gab es Beamte und Beamtinnen, die sich total korrekt verhalten haben. Ich habe persönlich aber auch mitbekommen, dass Polizisten geprügelt haben, wo es nicht notwendig gewesen wäre, und eher eskalierende Taktiken angewendet haben. Da waren Szenen, in denen überzogene Gewalt im Spiel war. Es wurde zum Beispiel Menschen direkt ins Gesicht geschlagen.

Was lernen Sie aus Lützerath für künftige Protestaktionen? Bereiten Sie sich anders vor?

Ich glaube, da haben wir in der Vergangenheit schon viel gelernt. Wir nehmen aus Lützerath keinen Extrapunkt mit. Schließlich bereiten wir uns eigentlich immer sehr gut vor. Die "Letzte Generation" hat einen Aktionskonsens: Wir besprechen genau, wie wir uns gegenseitig schützen können und was ein guter Umgang mit der jeweiligen Situation sein kann.

Wie sieht das konkret aus, wie schützen sie sich?

Wir besprechen, wie wir damit umgehen, wenn Polizisten gewaltvoll auftreten. Oder wenn Passanten oder Autofahrern wütend werden. Wir wehren uns dagegen nicht, sondern lassen uns wegschleifen und gehen dann ganz ruhig wieder auf die Straße zurück. Wir kooperieren mit der Polizei und verwenden keine gewaltvolle Sprache. Das muss man trainieren.

Greta Thunberg war auch vor Ort in Lützerath. Hilft Ihnen diese Unterstützung oder ist sie eher hinderlich, weil dann Vorwürfe aufkommen, ihr Besuch sei nur inszeniert?

Greta war die ganze Zeit mit uns im Camp und hat wie jede andere an den Aktionen teilgenommen. Das kann ich bestätigen, ich habe hinter ihr in der Frühstücksschlange gestanden. Sie hat keinen Promibonus. Ich bin total froh, dass sie da war. Sie generiert große Aufmerksamkeit – auch international. Die können wir auf dieses Verbrechen lenken, weiter Kohle aus dem Tagebau zu benutzen.

Sie sind gerade auf der Heimreise. Warum haben Sie sich entschieden, den Ort jetzt zu verlassen?

Es ist sehr anstrengend, sich bei den Temperaturen über längere Zeit mit der Räumung auseinander zu setzen. Deshalb war es jetzt wichtig, auf die eigene Gesundheit zu achten, ich bin etwas erkältet. Ich muss mich etwas ausruhen, die Sachen verarbeiten. Das waren intensive Auseinandersetzungen. Deshalb braucht es Erholung.

Waren die Proteste in Ihren Augen ausreichend in den Medien vertreten?

Ich finde es gut, dass sie relativ viel in den Medien waren. Und auch das Thema, dass die Kohleverstromung eben keine Technologie mehr sein kann, die wir benutzen sollten, ist gut transportiert worden. Schade finde ich, dass viel Aufmerksamkeit auf den Demonstrierenden lag, die den gewaltfreien Rahmen überschritten haben, auch gegenüber der Polizei. Unter über 30.000 Menschen waren das nur einige wenige. Und nun wird das von Politikern instrumentalisiert und man versucht, uns als Chaoten oder Terroristen darzustellen. Das geht ganz klar an der Realität vorbei.

Verwendete Quellen
  • Telefoninterview mit Karim Dillhöfer
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