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Obama warnt in Berlin vor einer "der größten Bedrohungen für die Demokratie"


Ehemaliger US-Präsident in Berlin
Obama warnt: "Eine der größten Bedrohungen für die Demokratie"

  • Bastian Brauns
MeinungVon Bastian Brauns

Aktualisiert am 04.05.2023Lesedauer: 4 Min.
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Barack Obama: "Ich bin sicher, ich werde bald zurück sein"Vergrößern des Bildes
Barack Obama: "Ich bin sicher, ich werde bald zurück sein". (Quelle: Pascal Kerouche)

Für Barack Obama sind Ja-Sager die größte Gefahr für die Demokratie. Doch ausgerechnet sein Auftritt in Berlin war eine Veranstaltung, die von Kontrolle geprägt war.

Die wichtigste Lektion, die Barack Obama für die Führungskräfte von morgen nach Berlin mitbrachte: Haltet euch bloß die Ja-Sager vom Leib. "Denn dann bist du von Leuten umgeben, die die ganze Zeit ja zu dir sagen und über deine Witze lachen, selbst wenn sie nicht lustig sind", sagte der ehemalige Präsident in der Mercedes-Benz-Arena. Und rund 10.000 Menschen lachten.

Was dann passiere, sei die totale Isolation der Mächtigen und eine "enorme Gefahr" für die Demokratie, so Obama. "Darum kann jemand wie Putin Raketen auf ein Kinderkrankenhaus werfen. Weil da niemand ist. Sie sind isoliert im Gespräch mit sich selbst und denken, alles, was sie tun können, sei gerechtfertigt."

Diese Ja-Sager-Lektion, die auch in jedem durchschnittlichen Seminar für Manager hätte fallen können, hatte nur einen Haken: Auch Obamas Auftritt in Berlin war durchzogen von einem Kontrollwahn, der keine falschen Fragen gestattete. Und das machte ausgerechnet die als progressiv beworbene Late-Night-Show selbst zu einem Event für Ja-Sager.

Begnadeter Redner im falschen Format

Nach einem rund einstündigen Gespräch konnten die Zuschauer zumindest mit einem guten Gefühl nach Hause gehen. Denn es gab an nichts, was Obama sagte, etwas auszusetzen. Nichts von seiner rhetorischen Stärke, die ihn spätestens 2004 zum politischen Popstar werden ließ, büßte er ein.

Und es wäre auch zu billig, Obamas Auftritt als reine Phrasendrescherei eines "Gutmenschen" abzutun. Als er etwa über die Wichtigkeit von "Diversity", also Vielfalt, sprach, machte er deutlich: "Ich meine nicht nur Vielfalt in Bezug auf Rasse oder Geschlecht, sondern auch in Bezug auf Perspektive und Philosophie und Lebenserfahrung." Aber viel konkreter wurde es dann doch nicht.

Konzipiert für den Mainstream

Ein paar Mal versuchte Klaas Heufer-Umlauf, der wohl wusste, dass er nicht für kritische Nachfragen gebucht worden war, den Amerikaner umzulenken. Der deutsche Moderator, der Obama bei seinem Auftritt auf einem blauen Samtsofa interviewte, unterbrach den Ex-Präsidenten nur gelegentlich sanft und mit natürlicher Neugier. So wollte er etwa erfahren, ob das mit der Globalisierung denn noch irgendwie einzufangen sei?

Doch für Obama und auch für das Konzept dieser kontrollierten Show war die Rolle von Heufer-Umlauf eben nur die eines Stichwortgebers. Sein exklusiver Gesprächspartner blickte nur kurz auf, weil er sich in seinem eingeübten Redefluss gestört zu fühlen schien und fuhr fort. Ohne echte Interaktion mit dem Moderator und ohne wirklich zuzuhören, was er aber gleichzeitig als wichtige Eigenschaften von Führungsqualität anführte.

Diskussionen unerwünscht

Dem zahlenden Publikum war vorab deutlich mehr versprochen worden. "Viel Spaß bei der spannenden Diskussion mit Barack Obama", hatte es vor der Veranstaltung aus den Lautsprechern getönt. Dann entpuppte sich das Format eher als das eines Kamingesprächs ohne Feuer im Kamin. Unterhaltsam ja, aber es ging eben nicht "unter die Haut", wie die Sängerin Cassandra Steen im Rahmenprogramm vorher gesungen hatte.

Dabei gab es viele Fragen, auf die man gerne Antworten gehört hätte. Fehler in der Ukraine-Politik nach 2014? Das amerikanische Scheitern in Syrien, das eine Flüchtlingskrise in Europa auslöste? Falsche Strategien in Afghanistan?

Der "Evening with Barack Obama" war das Gegenteil von dem, was ein ehemaliger Führer des "Land of the Free" (Land der Freiheit) und der "Free Speech" (Rede- und Meinungsfreiheit) hätte verkörpern können. Strikt gab die Stiftung Obamas den Ablauf des Abends vor. Taschen: mussten draußen in einem Container abgegeben werden. Smartphones: mussten eingepackt bleiben. Keine Fotos, keine Videos. Die Kontrolle über die Bilder hatte nicht einmal der Veranstalter, sondern einzig die Obama Foundation.

Sogar für Journalisten hieß es im Pressebegleitheft: "Das Fotografieren und Filmen jeglicher Art ist nicht gestattet. Bitte beachten Sie, dass die Sicherheitskräfte angewiesen sind, auf Kameras, Foto- oder Videoequipment zu achten, das in den Veranstaltungsort gelangen könnte, um gegebenenfalls das Hausrecht auszuüben." Dementsprechend schüchtern wagten es einige Zuschauer, zumindest aus der Hüfte ein Bild zu schießen. Wer ein echtes Foto mit Obama persönlich als Andenken wollte, musste 2.500 Euro bezahlen.

Warnung und Appell an die Medien

Dabei hätte es gerade beim Thema Medien an diesem Abend in Berlin richtig spannend werden können. Bei der Polarisierung der westlichen Gesellschaften spiele die Presse, gepaart mit technologischen Entwicklungen wie künstlicher Intelligenz, eine entscheidende Rolle, sagte Obama. Er teilte aus gegen den US-Sender Fox News, der die Lügen von Obamas Amtsnachfolger Donald Trump als Geschäftsmodell weiterverbreitet hatte.

"Dazu haben die sozialen Medien ein System geschaffen, in dem es das Geschäftsmodell war, Menschen so wütend und nachtragend wie möglich zu machen", sagte Obama und warnte: "Ich denke, das ist eine der größten Bedrohungen für die Demokratie." Ihm seien Filme gezeigt worden, in denen er zu sehen sei und Dinge sage, die er nie gesagt habe.

"Es wird sehr schwierig, den Unterschied zu erkennen", sagte Obama. Er meint, zwischen dem, was er wirklich sagt, und dem, was da auf den Smartphones der Leute ankommt. Diese immer weiter fortschreitenden Entwicklungen seien nicht nur eine Gefahr für die Demokratie, sondern eine Bedrohung für die ganze Welt, die in großen sozialen Unruhen münden könnte.

Doch dann war die Obama-Stunde auch schon um. Für die jungen Leute in der Arena hatte er noch die Botschaft, nicht alles zu glauben, was sie auf TikTok sehen. Und für die Alten noch ein platter Spruch, der aber wieder mit Lachen belohnt wurde: "Meine Botschaft an euch ist: Geht aus dem Weg." Dann ging der ehemalige Präsident von der Bühne.

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtungen vor Ort
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