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„Heimatland“-Tragödie 1951: Berlins schwerstes Schiffsunglück


Berlins schlimmste Schiffskatastrophe
Ferienvergnügen wird zum Horror mit dutzenden Toten


05.07.2025 - 07:33 UhrLesedauer: 3 Min.
Das ausgebrannte Wrack der "Heimatland" liegt im Hintergrund am Ufer: Der Verstrickungen der Behörden in die Katastrophe wurden nie aufgeklärt.Vergrößern des Bildes
Das ausgebrannte Wrack der "Heimatland" liegt im Hintergrund am Ufer: Der Verstrickungen der Behörden in die Katastrophe wurden nie aufgeklärt. (Quelle: Ullstein Bild)
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Vor 74 Jahren sterben mindestens 30 Menschen auf der Spree, als ein Ausflugsschiff in Flammen aufgeht. An Bord sind viele Kinder, die sich auf einer Ferienfahrt befinden.

Eigentlich sollte es ein sorgenfreier Tag werden, Ablenkung in bewegten Zeiten. Stattdessen wird der 5. Juli 1951 für viele in Ost-Berlin zum Trauma. Und für manche zum letzten Tag ihres Lebens.

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Es sind Sommerferien in Ost-Berlin, die DDR ist noch keine zwei Jahre alt. Weil sie arbeiten müssen, haben viele Eltern in den Ferien keine Zeit, ihre Kinder zu betreuen. Dafür gibt es die sogenannten "Ferienspiele", verschiedene Aktivitäten, an denen Schulkinder teilnehmen können.

An diesem 5. Juli sollen mehr als Hundert Kinder zweier Schulen aus Prenzlauer Berg einen Schiffsausflug machen. Mit der S-Bahn fahren sie zum Treptower Park, wo mehrere Schiffe auf sie warten, darunter das Motorschiff "Heimatland". Obwohl dieses nur für 98 Menschen zugelassen ist, legt es mit 127 Passagieren um 9.45 Uhr am Treptower Hafen ab. Sieben Minuten später kommt es zur Katastrophe.

Der Unglücksmotor war erst kurz zuvor eingebaut worden

Die "Heimatland" wird an diesem Tag von Erich Weise gesteuert. Er hat das Schiff im Januar gekauft. Nach Recherchen der Filmemacher Karin und Till Ludwig, die eine Dokumentation über das Unglück gedreht haben, hat Weise nach dem Kauf Probleme mit dem Dieselmotor des Schiffes. Im Mai muss er sich mit einem Motorschaden auf der Spree abschleppen lassen. Totalschaden.

Weil Dieselmotoren schwer zu beschaffen sind, lässt Weise einen Benzin-Motor der Marke Daimler-Benz in das Schiff einbauen. Nach Informationen aus der Ludwig-Dokumentation geschieht das auf Anweisung der DDR-Schifffahrtsgesellschaft DSU, in deren Auftrag Weise fährt. Ebenfalls mit Zustimmung der Behörde hat Weise offenbar den neuen Motor nicht abnehmen lassen, bevor er damit Gäste transportierte. Wegen vieler Aufträge soll dafür keine Zeit gewesen sein. Deshalb fällt nicht auf, dass eine Kraftstoffleitung nicht ganz dicht ist.

"Es kamen mehrere Feuerstürme"

Am 5. Juli setzt sich die "Heimatland" nur stockend in Bewegung. Der Motor stottert. "Fahr schneller, Onkel", sollen Kinder Kapitän Weise noch zugerufen haben. Dann knallt es.

In der Dokumentation von Karin und Till Ludwig sprechen Überlebende über das Inferno. "Explosion, Knall, Feuer überall", sagt Rosemarie Bank, die als Kind auf der "Heimatland" war und ihren Bruder bei dem Unglück verlor. Klaus Günterberg, damals ebenfalls Schüler, beschreibt es so: "Es kamen mehrere Feuerstürme." Er habe gerade noch die Hände hochreißen können, um sein Gesicht vor den Flammen zu schützen. Er sei ins Wasser gesprungen, obwohl er nicht schwimmen konnte. "Ich wusste aber, wie die Bewegungen sind. Und bin tatsächlich nicht untergegangen."

Manche Kinder schaffen das nicht. Sie ertrinken, bevor sie gerettet werden können. Andere sterben an den schweren Verbrennungen, die sie erleiden. Nach offiziellen Angaben kommen durch die Katastrophe 28 Kinder zwischen sieben und 14 Jahren ums Leben. Auch zwei Erwachsene sterben. West-Medien berichten später von bis zu 49 Todesopfern. Wie verlässlich die offizielle Opferzahl ist, ist bis heute unklar.

Anderer Kapitän rettet Kinder mit waghalsigem Manöver

Die Rettungsarbeiten werden durch die deutsche Teilung erschwert. Die DDR-Behörden lehnen Hilfsangebote von Rettern aus dem Westen an der Unfallstelle ab. Kliniken in Westberlin wiederum wollen nur Kinder behandeln, deren Eltern Krankenversicherungen im Westen haben.

Dass nicht noch mehr Kinder sterben, ist unter anderem Bernhard Langwaldt zu verdanken. Er ist an diesem Tag der Schiffsführer der "Elfriede", die unmittelbar vor der "Heimatland" abgelegt hat. Entgegen der Vorschriften lenkt er sein Schiff an die brennende "Heimatland" heran, sodass Kinder herüberklettern können. Kurz darauf muss er die Aktion abbrechen, damit sein Schiff nicht auch Feuer fängt. 70 Kinder soll Langwaldt so gerettet haben. Auf einer Gedenktafel für das Unglück am Treptower Hafen erinnert eine Plakette auch an ihn.

Nach der Katastrophe wird "Heimatland"-Schiffsführer Erich Weise festgenommen. Später wird er zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt, weil er den Motor nicht hat abnehmen lassen. Die Beteiligung der Behörden an dieser Entscheidung wird nicht aufgeklärt. 1955 wird Weise vorzeitig aus der Haft entlassen und geht mit seiner Familie in den Westen.

Am 12. Juli 1951 werden die Opfer auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde mit einem Staatsbegräbnis geehrt. Bis heute steht dort ein großer Gedenkstein mit 30 Namen. "Dem Gedenken der Toten vom 5. Juli 1951", steht darauf. Wie sie zu Tode kamen, wird dort nicht erwähnt.

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