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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Aktivist über gestörtes Weidel-Interview "Gesellschaft rutscht sonst weiter und weiter in einen Abgrund"

Aktivisten stören das ARD-"Sommerinterview" mit AfD-Chefin Alice Weidel. Auch das "Zentrum für Politische Schönheit" ist daran beteiligt. Was sagt dessen Gründer Philipp Ruch zu der Aktion?
Am Sonntagnachmittag fährt am Reichstag im Berliner Regierungsviertel ein riesiger Bus vor. Das Fahrzeug, das dem "Zentrum für Politische Schönheit" gehört, parkt in unmittelbarer Nähe zur Spree. Die Gruppe ist bekannt für provokante Aktionen gegen Rechtsextremismus. An diesem Tag will sie zusammen mit anderen Organisationen direkt neben dem Reichstag gegen das ARD-"Sommerinterview" mit Alice Weidel protestieren.
Die AfD-Chefin sitzt auf der gegenüberliegenden Seite der Spree vor dem Marie-Elisabeth-Lüders-Haus und stellt sich den Fragen des Moderators, als aus Lautsprecherboxen des "Adenauer SRP+" genannten Busses "Scheiß-AfD"-Gesänge tönen. Ein Gespräch zwischen Moderator Markus Preiß und Weidel ist kaum möglich, wie die Fernsehbilder belegen. Nach der Aktion wird auch Kritik laut. t-online hat Philipp Ruch, den Gründer vom "Zentrum für Politische Schönheit" gefragt, wie er auf den Protest blickt.
t-online: Herr Ruch, wie nehmen Sie die Kritik an Ihrem Protest wahr?
Philipp Ruch: Das war Kunst und kein Protest. Und das Werk hat für einen wahrscheinlich einzigartigen Fernsehmoment gesorgt.
Dennoch muss Ihnen bewusst gewesen sein, dass Sie damit anecken und auch juristische Konsequenzen provozieren würden. Immerhin ermittelt jetzt sogar die Berliner Polizei gegen Teilnehmer der Störaktion.
Ich fühle mich viel provozierter davon, dass die ARD Alice Weidel mitten im Zentrum der Macht auf einen Thron setzt und als ganz normale Parteiführerin inszeniert.
Und die Ermittlungen?
Von Ermittlungen gegen das "Zentrum für Politische Schönheit" habe ich keine Kenntnis. Wir waren nur mit einer Person vor Ort.
Selbst wenn es nur eine Person gewesen sein sollte – dann hat diese Person mit riesigen Lautsprechern auf dem Dach des Fahrzeugs dafür gesorgt, dass ein kritisches Gespräch mit Frau Weidel kaum möglich war.
Er hat das Autoradio laufen lassen. Das tut ihm aufrichtig leid. Wir führen da sehr ernste Personalgespräche im Hintergrund. Man muss aber sagen: Es schallte kein Krach aus den Lautsprechern, sondern wunderschöne Klänge. Wie aus einem Paralleluniversum wirkt dieses "Sommerkonzert" mit Weidel.
Das ist Ironie. Dennoch: Kritiker halten Ihnen entgegen, mit Ihrem Protest gegen das Weidel-Interview kritischen Journalismus verhindert zu haben. Ein weiterer Vorwurf lautete sinngemäß: Die Partei könne sich nun weiter als vermeintliches Opfer inszenieren, das nicht mit politischen Mitteln bekämpft wird. Hilft Ihre Aktion am Ende der AfD?
Den Vorwurf bekommen Sie zu hören, sobald Sie sich mit der AfD auseinandersetzen. Was der AfD hilft, sind Sommerinterviews. Man sollte mit allen demokratischen Parteien Interviews führen, aber nicht mit der AfD.
Behindern Sie mit dieser Haltung nicht gerade den demokratischen Diskurs, den Sie zu schützen vorgeben?
Nein. Wir schützen ihn. Der Verfassungsschutz hat gerade die gesamte Partei als rechtsextrem eingestuft. Und die ARD hat nichts Besseres zu tun, als ein Gespräch in lauschiger Atmosphäre mit dem politischen Arm des Rechtsextremismus zu veranstalten.
Also machen Sie weiter?
Ja. Diese Gesellschaft rutscht sonst weiter und weiter in einen Abgrund.
- Interview mit Philipp Ruch