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AfD Spitzenkandidatin Kristin Brinker: "Wollen mehr Wertschätzung für die normalen Menschen"


AfD-Spitzenkandidatin
"Wollen mehr Wertschätzung für die normalen Menschen"

  • Anne-Sophie Schakat
Von Anne-Sophie Schakat, Sophie Loelke

29.08.2021Lesedauer: 7 Min.
Nachrichten
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Kristin Brinker (AfD): Die Spitzenkandidatin will sich um die "echten" Probleme kümmern.Vergrößern des Bildes
Kristin Brinker (AfD): Die Spitzenkandidatin will sich um die "echten" Probleme kümmern. (Quelle: Metodi Powpow/imago-images-bilder)

Die Berliner AfD-Spitzenkandidatin Kristin Brinker sieht, dass das normale Leben der Menschen in den Hintergrund gerückt wird. Im Interview mit t-online erklärt sie ihre Sicht.

Kristin Brinker ist Spitzenkandidatin und Landesvorsitzende der Berliner AfD. Nach der Wahl zum Abgeordnetenhaus will sie sich um die "echten" Probleme der "normalen" Berliner kümmern, sagt sie im Interview mit t-online.

Als Spitzenkandidatin und Vorsitzende des Berliner Landesverbandes tritt Kristin Brinker mit der AfD zur Abgeordnetenhauswahl im September an. Im März hatte sich die 49-Jährige im vierten Wahlgang knapp gegen ihre Gegenkandidatin Beatrix von Storch durchgesetzt und war zur neuen Landesvorsitzenden gewählt worden – auch mit Stimmen von Vertretern des offiziell aufgelösten, rechtsextremen "Flügels".

Als ihr Ziel hatte Brinker erklärt, die internen Grabenkämpfe in der Partei überwinden zu wollen. Wenige Wochen bevor die Berlinerinnen und Berliner ihr neues Parlament wählen, erklärt sie, vor welchen Herausforderungen Berlin steht und warum Autos für sie auch in Zukunft in die City gehören.

t-online: Sie haben gesagt, Sie wollen die Blockadehaltung der anderen Parteien gegenüber der AfD aufbrechen. Wie?

Kristin Brinker: Ich habe mich bei meiner Ausschussarbeit in den vergangenen fünf Jahren im Abgeordnetenhaus sehr in die Sacharbeit gestürzt und auch hinter den Kulissen versucht, eine Gesprächsebene mit den anderen Fraktionen zu finden. Wenn wir das von meinem Themengebiet, den Finanzen, auch auf andere Bereiche ausweiten können, kommen wir da einen guten Schritt voran.

Das Verwaltungsgericht prüft derzeit, ob eine Einstufung Ihres Landesverbandes als extremistischer Verdachtsfall rechtmäßig wäre. Einige Ihrer Parteimitglieder hegen erwiesenermaßen persönliche Beziehung zu Rechtsextremisten. Warum grenzen Sie sich nicht klar davon ab?

Wir haben uns gegen die Beobachtung unseres Landesverbandes durch den Verfassungsschutz juristisch zur Wehr gesetzt und einen ersten Erfolg erzielen können. Weder gegen einzelne Personen noch gegen unseren Landesverband werden derzeit nachrichtendienstliche Mittel eingesetzt. Aufgrund des laufenden Verfahrens möchte ich dazu aber nicht viel sagen, außer dass alles, was uns bisher zur Kenntnis gegeben wurde, sehr vage ist. Ich sehe überhaupt keine Anzeichen dafür, dass irgendeines unserer Mitglieder extremistisch wäre.

Sollte jemand tatsächlich solche Bestrebungen zeigen, reagieren wir sofort. Dafür haben wir ja etwa auch unsere Unvereinbarkeitsliste. Als Landesvorsitzende muss ich mich aber vor meine Mitglieder stellen und das tue ich auch. Ich betone erneut, dass wir fest auf dem Boden des Grundgesetzes stehen.

Was ist die Unvereinbarkeitsliste überhaupt noch wert? Verbindungen, auch zwischen Berliner AfD-Politikern und Rechtsextremen, sind ja belegt.

Die Unvereinbarkeitsliste wird eingehalten. Es gibt keine Rechtsextremisten in der Berliner AfD. Sollte jemand tatsächlich gegen die Unvereinbarkeitsliste verstoßen, muss dieser mit parteirechtlichen Konsequenzen rechnen.

Im Jahr 2018 tauchten alte Bilder der Berliner AfD-Politikerin Jessica Bießmann auf, auf denen sie vor Weinflaschen mit Hitler-Etikett posierte. Sie wurde zwar aus der AfD-Fraktion im Abgeordnetenhaus ausgeschlossen, ist jedoch weiter Parteimitglied. Die stellvertretende Landesvorsitzende, Jeanette Auricht, lud den Thüringer Rechtsaußen, Björn Höcke, zu einer Veranstaltung ein. Hier sollen auch Neonazis zu Gast gewesen sein. Der Berliner Abgeordnete Andreas Wild war immer wieder mit provozierenden Aussagen etwa über Geflüchtete und Migranten aufgefallen. Die Partei warf ihm Kontakte in die rechtsextreme Szene vor. Gegen ihn liegt ein Ausschlussverfahren beim Bundesschiedsgericht vor.

Ihr Wahlprogramm steht unter dem Motto "Berlin. Aber normal". Was bedeutet für Sie normal?

Wir haben uns ganz bewusst für dieses Motto entschieden. Das normale Leben der Menschen wird derzeit zugunsten von Themen und Situationen von Randgruppen, die aus unserer Sicht nicht diesen Stellenwert haben, immer mehr in den Hintergrund gerückt. Wir wollen mehr Wertschätzung für die normalen Menschen, die unsere Gesellschaft tragen.

Die Belange von Minderheiten wollen Sie also nicht in den Blick nehmen?

Doch, natürlich. Das auf jeden Fall. Aber die meisten Menschen teilen die Probleme dieser Minderheiten nicht und werden immer wieder gegängelt, indem man ihnen etwa vorschreibt, jetzt nur noch mit Gender-Sternchen sprechen und schreiben zu sollen. Da sagen wir Stopp!

Richtet sich Ihr Wahlprogramm nur an Personen, die in Ihren Augen ein "normales" Leben führen?

Selbstverständlich nicht. Unser Programm richtet sich an alle. Jeder soll in Berlin ein Fleckchen Heimat finden – egal wie er denkt, geschlechtlich oder auch religiös lebt. Natürlich so lange sich alles im gesetzlichen Rahmen bewegt. Aber diese Bevormundung der Menschen, die durch Themen wie etwa die Gender-Debatte immer mehr zugenommen hat, finden wir schwierig. Die AfD will sich lieber auf die echten Probleme fokussieren, die Berlin hat.

Was sind denn die Ihrer Meinung nach drei wichtigsten echten Probleme?

Wohnungsbau, Bildung, Verkehr: Es gibt nicht genügend Wohnungen in Berlin. Berliner Schüler schneiden bei bundesweiten Vergleichstests regelmäßig miserabel ab. Berlin braucht ein ganzheitliches Verkehrskonzept, so dass jeder die freie Entscheidung hat, wie und womit er sich durch und in der Berlin bewegen möchte.

Sie wollen in Berlin eine Unterrichtsgarantie einführen. Wie soll sichergestellt werden, dass die Schulen diese auch einhalten können?

Wir haben in Berlin einen echten Standortnachteil. Wir verbeamten Lehrer als einziges Bundesland nicht. Ich bin zwar kein Fan von Verbeamtung, weil sie unglaubliche Kosten mit sich bringt, aber das erschwert natürlich die Suche nach geeigneten Lehrkräften. Generell empfinden viele Anwärter die Rahmenbedingungen in der Berliner Schullandschaft als schlecht – nicht nur finanziell. Der Schulbereich muss auch von politischer Seite besser flankiert werden. Viele Lehrer fühlen sich hilflos und nicht gehört. Da hat die SPD, die das Bildungsressort seit über 20 Jahren führt, viel versäumt.

Wie soll sichergestellt werden, dass die Schulen diese auch einhalten können?

Wir brauchen dafür mehr ausgebildete und qualifizierte Lehrer, besser ausgestattete Schulen und ein Unterrichtsklima, in dem tatsächlich Lehrstoff vermittelt werden kann.

Also wollen Sie Lehrer wieder verbeamten?

Mit Bauchschmerzen, aber ja. Um den Standortnachteil auszuräumen, sind Verbeamtungen für uns derzeit wieder denkbar. Langfristig wird aber ein bundesweites Konzept nötig sein, wodurch Verbeamtungen von Lehrern unnötig werden.

Wie wollen Sie ein bundesweites Konzept durchsetzen? Bildung ist in Deutschland "Ländersache“

Der Bund mischt sich immer stärker in "Länderfragen" ein – siehe Digitalpakt Schule. Insofern stimmt es nicht ganz, dass das undenkbar ist. Die Bundesländer können sich auch gemeinsam darauf verständigen, in der Schulpolitik neue Standards zu setzen, z.B. in den Ministerkonferenzen auf Länderebene.

Sie fordern, dass Kinder in der Schule bei Themen wie Klimaschutz oder Gender-Fragen nicht indoktriniert werden sollen. Wie meinen Sie das?

Wir meinen damit, dass wir keine Frühsexualisierung in den Grundschulen wollen. Die halten wir für völlig falsch. Kinder sollten die Welt in so jungem Alter aus ihrer eigenen Perspektive heraus entdecken. Im Sexualkundeunterricht in den späteren Klassen ist das anders. Hier haben die Schüler schon ein gewisses Verständnis für diese Themen und können natürlich auch über alle Formen der Liebe und Sexualität aufgeklärt werden.

Natürlich muss auch Klimaschutz in der Schule eine Rolle spielen, aber ich würde es eher unter dem Thema Klima- und Umweltschutz subsumieren. Wir können bewusst mit unserer Umwelt umgehen und entscheiden, ob wir etwa Müll trennen, welchen Strom wir kaufen und so weiter.

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Was wird die AfD für den Klimaschutz – damit ist nicht der Umweltschutz gemeint – in Berlin konkret tun?

Wir unterstützen Maßnahmen, die ressourcenschonend und umweltverträglich sind. Klimaschutzmaßnahmen dürfen nicht dazu führen, dass sich die Maßnahmen niemand mehr leisten kann – siehe Energiepreise oder der Unternehmensstandort Berlin darunter leidet, da die gesetzlichen Vorgaben nicht bzw. kaum mehr zu erfüllen sind.

Wenn, dann muss man den Menschen vernünftig erklären, was Sache ist. Dass es den Klimawandel gibt, ist völlig unstrittig. Die Frage ist aber, welchen Einfluss wir Menschen tatsächlich darauf haben. Natürlich hat es Auswirkungen auf das Klima, wenn in Brasilien etwa der Regenwald abgeholzt wird.

Beim CO2 bin ich mir da aber nicht so sicher. Aber ich bin zu wenig Wissenschaftlerin, um das wirklich beurteilen zu können. Ich weiß nur, dass sich das Klima in den letzten Jahrtausenden immer wieder verändert hat – auch als der Mensch noch gar keine Rolle spielte.

Klimaveränderungen hat es in der Erdgeschichte schon immer gegeben. Dabei spielen verschiedene Faktoren wie etwa die Sonnenaktivität, Schwankungen der Erdbahn um die Sonne oder auch Treibhausgase eine Rolle. Die Menschheit sorgt jedoch dafür, dass jedes Jahr Milliarden Tonnen zusätzliches CO2 in die Atmosphäre gelangen. Laut dem Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung konnte in den letzten 50 Jahren bei den natürlichen Faktoren wie der Sonnenaktivität kein Trend erkannt werden, der den starken Temperaturanstieg erklären könnte. Spätestens seit den 70er-Jahren könne die Erderwärmung nicht mehr ohne Berücksichtigung der erhöhten CO2-Konzentration erklärt werden.

Sie wollen, dass alle Verkehrsteilnehmer in Berlin gleichberechtigt behandelt werden. Wie wollen Sie Bürger dennoch dazu animieren, das Auto öfter stehen zu lassen und stattdessen mit Bus, Bahn oder Fahrrad zu fahren?

Jeder soll individuell entscheiden können, wie er sich durch die Stadt bewegt. Da wollen wir nichts vorschreiben. Es muss aber für alle – also Auto- und Fahrradfahrer sowie ÖPNV-Nutzer – ein ordentliches Angebot geben. Das gibt es derzeit nicht. Stattdessen verschärft sich zum Beispiel der Konflikt zwischen Auto- und Fahrradfahrern immer mehr. Daran sind auch die Pop-up-Radwege schuld, die das Problem eher verschärfen als es zu lösen. Warum sanieren wir nicht zuerst die Radwege, die wir haben und bauen dann weiter aus? Die neuen Radwege dürften aber nicht an den Hauptstraßen entstehen, sondern parallel dazu. Dann käme es auch nicht mehr zu so vielen Unfällen.

Haben Sie Belege dafür, dass sich das Problem durch Pop-up-Radwege "verschärft?“

Ich fahre mit dem Auto durch die Stadt und sehe nur selten eine Auslastung der neuen Fahrradwege. Dafür stehen Autofahrer jetzt noch häufiger und länger im Stau, wenn eine Fahrspur entfällt. Der Lieferverkehr und damit der bereits gebeutelte Mittelstand in den anliegenden Geschäften wird massiv behindert und ausgebremst. Am Ende der Pop-up-Radwege in Kreuzungsbereichen kommt es häufiger zu unnötigen Konfrontationen zwischen den Verkehrsteilnehmern. Was wir nicht sehen, was aber auch Realität ist: Wer keinen Parkplatz findet, muss länger suchen. All das trägt nicht zu einem besseren Miteinander auf Berlins Straßen bei.

Auch der vom Senat kaprizierte Straßenbahnausbau bringt Probleme, denn das nimmt auf den Straßen auch wieder Platz weg. Stattdessen müsste der U-Bahnausbau in die Außenbezirke verstärkt werden. Außerdem müssen Berlin und Brandenburg viel besser zusammenarbeiten und an den Bahnhöfen in den Außenbezirken und am Rand Berlins "Park and Ride"-Angebote schaffen, damit die Menschen besser in die Stadt kommen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Am 26. September wählen die Berlinerinnen und Berliner neben dem Deutschen Bundestag auch das Berliner Abgeordnetenhaus sowie die Bezirksverordnetenversammlungen. Für einen Überblick über die Positionen und Ziele der Berliner Parteien hat t-online Interviews mit den jeweiligen Spitzenkandidaten für die Abgeordnetenhauswahl geführt. Jeden Sonntag finden Sie ein weiteres Gespräch auf t-online. Am 5. September folgt das Interview mit dem Berliner Linken-Spitzenkandidaten Klaus Lederer.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Kristin Brinker
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