"Meilenstein der Forschung" Sensation aus der Tiefe: AWI-Team birgt ältesten Eiskern der Erde

Noch nie war ein Fund dieser Art älter – jetzt könnte er zentrale Antworten liefern. In Bremerhaven liegt der bislang älteste Eiskern der Erde.
Es ist ein Fund von historischem Wert: Im Rahmen des EU-Projekts "Beyond EPICA – Oldest Ice" haben Forscher in der Ostantarktis einen einzigartigen Eiskern gebohrt – jetzt liegt er im Labor des Alfred-Wegener-Instituts (AWI) in Bremerhaven. Er enthält Luftblasen, die bis zu 1,2 Millionen Jahre alt sind. Das teilte das AWI am Freitag mit.
Der Bohrkern ist der älteste kontinuierliche Eiskern, der je auf der Erde gewonnen wurde. Anders als Sedimentkerne, die nur indirekte Hinweise geben, enthält dieses Eis eingeschlossene Luftblasen. Sie erlauben es, die Konzentration von Treibhausgasen wie CO2 und Methan direkt zu messen. Das eröffnet einmalige Einblicke, wie eng Klimatemperaturen und Treibhausgasgehalte in der Vergangenheit zusammenhingen.
AWI-Sensation: Bohrkern deckt wichtigen Zeitraum ab
Besonders wichtig für die Forschung: Der Kern deckt den Zeitraum des sogenannten Mittel-Pleistozän-Übergangs ab. Damals, vor rund 900.000 bis 1,2 Millionen Jahren, änderte sich das Klimasystem der Erde grundlegend. Die Abfolge von Eis- und Warmzeiten verschob sich von einem 41.000-Jahres-Zyklus auf den bis heute geltenden Rhythmus von etwa 100.000 Jahren. Warum das geschah, gilt als eines der großen Rätsel der Klimawissenschaft.
Seit 2019 arbeitete ein internationales Team in einem Camp auf dem antarktischen Hochplateau. Immer in den Sommermonaten trieben sie die Bohrung mehr als 2.800 Meter tief in das Eis. Im Januar 2025 war die Arbeit vor Ort abgeschlossen. Die meterlangen Eisstücke werden nun im Eislabor des Alfred-Wegener-Instituts (AWI) in Bremerhaven untersucht.
Dort werden sie zunächst in Längsrichtung aufgeschnitten, poliert, gescannt und auf ihre chemische Zusammensetzung analysiert. Einige Teile dienen als Archivmaterial für spätere Forschungen. Andere Proben werden an internationale Labore verteilt. So können Forscher zum Beispiel anhand der im Eis eingeschlossenen Luftblasen und Wassermoleküle rekonstruieren, wie hoch der CO2-Gehalt in verschiedenen Klimaperioden war und wie sich das Erdklima dabei verhielt.
Liefert der Bohrkern Antworten auf dringende Fragen?
Bereits zwischen 1996 und 2004 hatte das Vorgängerprojekt EPICA einen rund 3.500 Meter langen Eiskern gefördert. Der war jedoch "nur" etwa 800.000 Jahre alt. Mehr dazu lesen Sie hier. Für "Beyond EPICA" suchte man deshalb gezielt eine Region, in der noch älteres Eis konserviert sein könnte. Die Leitung des aktuellen Projekts liegt beim italienischen Institut für Polarwissenschaften. Die eigentliche Bohrung läuft bis 2026.
Der Bohrkern liefert Grundlagen, um Klimamodelle für die Zukunft zu verbessern. Nur wenn klar ist, wie CO2, Methan und Temperatur in der Erdgeschichte zusammenwirkten, lassen sich belastbare Prognosen für den menschengemachten Klimawandel aufstellen, teilte das AWI mit. Der Fund aus der Antarktis könnte dabei helfen, Antworten auf eine der drängendsten Fragen unserer Zeit zu finden: Wie sensibel reagiert das Klimasystem auf steigende Treibhausgase – und wo liegen Kipppunkte, die nicht überschritten werden dürfen?
- awi.de: "Der älteste Eiskern der Erde am Alfred-Wegener-Institut" - Mitteilung vom 4. Juli 2025
- beyondepica.eu: "Antarctica: The Oldest Ice on Its Way to Europe" (PDF, englisch)
- Frühere Berichterstattung zum Thema