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Lügde: Schwere Vorwürfe gegen Polizei – weiterer Missbrauch, weil Beamte schlampten?


Schwere Vorwürfe gegen Lügde-Ermittler
Weiterer Kindesmissbrauch – weil die Polizei schlampte?

Von t-online, mtt

11.12.2022Lesedauer: 3 Min.
Abgesperrte Parzelle des mutmaßlichen Täters auf dem Campingplatz Eichwald in Lügde.Vergrößern des BildesWohnwagen auf dem Campingplatz in Lügde (Archivbild): Hier fand der Missbrauch statt. (Quelle: Guido Kirchner./dpa)
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Die Polizei soll einen der Täter von Lügde wochenlang gewähren lassen haben. In dieser Zeit missbrauchte der Mann weiter Kinder.

Hätte die Polizei rasch und entschlossen gehandelt, dann wäre einigen Missbrauchsopfern im Fall Lügde wohl weiterer Missbrauch erspart geblieben. Das berichtet das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" am Sonntag unter Berufung auf Unterlagen des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses im nordrhein-westfälischen Landtag.

Seit zweieinhalb Jahren beschäftigen sich die Parlamentarier in Düsseldorf bereits mit Fehlern von Ämtern und Polizei in dem Fall. Jetzt sind dem Bericht zufolge Unterlagen aufgetaucht, die ein sehr zaghaftes Vorgehen im Umgang mit dem 2019 zu zwölf Jahren Haft verurteilten Täter Mario S. dokumentieren.

Aussage gegen Mario S. hätte Polizei schon Ende 2018 hellhörig werden lassen müssen

Demnach hatte die Polizei den Komplizen von S., Andreas V., am 6. Dezember 2018 verhaftet. Am 19. Dezember sei dann eines seiner Opfer befragt worden. Eine Kriminalhauptkommissarin der Kreispolizeibehörde Lippe habe dem Kind an diesem Tag auch zu Mario S. Fragen gestellt.

Der "Spiegel" zitiert aus den Protokollen: Bei Mario seien immer "ganz viele Kinder", habe das Mädchen berichtet. "Ungefähr zehn Kinder sind wir da, der mag Kinder sehr gerne." S. schlafe auch mit den Kindern in einem Bett, sagte das Missbrauchsopfer weiter aus.

Auf die Frage, ob S. das Mädchen im Intimbereich berührt habe, antwortete es laut "Spiegel": "Ich glaube, ja. Aber ich will jetzt nichts mehr sagen, sonst darf ich da nicht mehr hin."

Polizei lässt S. vorerst vom Haken – der Missbrauch geht weiter

Trotz dieser deutlichen Hinweise habe die Polizei S. zunächst offenbar nicht als Beschuldigten, sondern weiter als Zeugen in dem Fall geführt. Am 20. Dezember, also einen Tag nach der Befragung des Kindes, sei die Kommissarin mit einem Kollegen auf den Campingplatz gefahren, wo S. hauste. Sie fragte ihn laut "Spiegel", ob er "eine Affinität für Kinder" habe. Er antwortete: "Nein, ganz bestimmt nicht. Mit Kindern habe ich in sexueller Hinsicht überhaupt nichts."

Damit habe sich die Polizistin offenbar zufriedengegeben, berichtet der "Spiegel". Die Vernehmung sei beendet und S. vorerst in Ruhe gelassen worden.

Die Folge: In den Tagen danach kam es zu mindestens einer weiteren Übernachtung eines Kindes im Wohnwagen von S.; außerdem seien nachweislich zwei weitere Kinder an einem Nachmittag zwischen Weihnachten und Silvester 2018 von S. auf dem Campingplatz missbraucht worden, berichtet der "Spiegel".

Durchsuchungsbeschluss kommt tagelang nicht an

Erst als ein weiteres Mädchen Mario S. Anfang 2019 belastet habe, habe die Kommissarin einen Haftbefehl wegen des Verdachts auf schweren sexuellen Missbrauch angeregt. Am 4. Januar sei dann vom zuständigen Gericht ein Durchsuchungsbeschluss erlassen worden, der aber wohl nicht bei der Polizei ankam. Daraufhin wurde am 10. Januar ein zweiter Durchsuchungsbeschluss erlassen, am 11. Januar rückte die Polizei dann endlich aus. S. wurde festgenommen, bei ihm haufenweise belastendes Material gefunden.

Die Polizei Lippe äußert sich zu den Vorwürfen nicht. Der SPD-Landtagsabgeordnete Andreas Bialas sagte dem "Spiegel" mit Blick auf die Vorgänge Ende 2018: "Es ist unerträglich, dass der Täter seine Taten noch drei weitere Wochen lang fortsetzen konnte."

Ausschuss stellte schon zuvor Behördenversagen fest

Der Fall Lügde hatte die deutsche Öffentlichkeit schockiert. Auf einem Campingplatz hatten Andreas V. und Mario S. laut Urteil jahrelang in mehreren Hundert Fällen insgesamt 32 Kinder schwer sexuell missbraucht. Andreas V. war zu 13 Jahren Haft, Mario S. zu 12 Jahren Haft verurteilt worden. Das Gericht ordnete Sicherungsverwahrung gegen die beiden an, sodass sie nach Verbüßung ihrer Haftstrafen nicht freikommen.

Aber nicht nur die Taten selbst, sondern auch das Versagen der Behörden lösten Entsetzen aus. Anfang 2022 legte der Parlamentarische Untersuchungsausschuss im nordrhein-westfälischen Landtag einen Zwischenbericht vor: Demnach wurde das Leid von Opfern durch strukturelle Probleme im Bereich der Jugendämter und bei der Polizei zu spät entdeckt und beendet.

Nach Auffassung des Vorsitzenden des Ausschusses gab es beispielsweise einen falsch verstanden Datenschutz: "Der Kinderschutz rückte nach hinten. Das ist ein Fehler", sagte er nach Übergabe des Berichts und nannte ein Beispiel. "Viele Erkenntnisse lagen an verschiedenen Stellen zu einem Opfer vor. Wenn sich alle Beteiligten einmal zusammengesetzt hätten, wäre das Leiden sofort beendet gewesen. Aber die Mitarbeiter in den Jugendämtern dachten, sie dürften nicht miteinander reden. Das ist schlecht für Kinderschutz – und das unter dem Deckmantel eines korrekt angewandten Datenschutzes."

Verwendete Quellen
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