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Walid El Sheikh über Sicherheit in Düsseldorf – Die Altstadt, ein Irrenhaus


Interview mit Walid El Sheikh
"Die Altstadt ist ein Irrenhaus, aber schaut sie Euch an"

Von Hendrik Gaasterland

Aktualisiert am 30.10.2023Lesedauer: 5 Min.
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Walid El Sheikh in einer seiner Bars (Archivbild): Nun ist er zum Sprecher der Altstadtwirte gewählt worden.Vergrößern des Bildes
Walid El Sheikh in einer seiner Bars (Archivbild): Nun ist er zum Sprecher der Altstadtwirte gewählt worden. (Quelle: Joshua Sammer)

Walid El Sheikh ist neuer Sprecher der Altstadtwirte. Er spricht im Interview über die neue Aufgabe, über das neue Sicherheitsgefühl in der Altstadt und den Wandel der Partymeile.

Walid El Sheikh ist nicht nur das bekannteste Gesicht der Gastroszene in der Düsseldorfer Altstadt, sondern nun auch einstimmig zum neuen Sprecher der Altstadtwirte gewählt worden. Nach dem Abschied von Isa Fiedler, die jahrelang den "Knoten" an der Kurze Straße geführt hatte, Altstadtsprecherin war und dann stellvertretende Geschäftsführerin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes Nordrhein (Dehoga) wurde, rückte der bisherige "Vize" auf und übernahm den Posten.

Im Interview mit t-online spricht der 45 Jahre alte Betreiber mehrerer Szenebars über die neue Aufgabe, über das neue Sicherheitsgefühl in der Altstadt und den Wandel der Partymeile.

Herr El Sheikh, mussten Sie lange überlegen, ob Sie auch noch Sprecher der Altstadtwirte werden wollen?

Walid El Sheikh: Es ist in solchen Fällen oft so, dass der Stellvertreter dann der Vorsitzende wird. Nun ist es ja so, dass ich mich in unseren Sitzungen in der Vergangenheit auch schon immer engagiert eingebracht habe, daher war es – natürlich mit einer Wahl verbunden – die logische Konsequenz.

Es musste Sie also niemand überreden?

Ich habe zu Isa Fiedler einen sehr persönlichen Draht, wir verstehen uns blind. Nicht nur über die Gastronomie, wir teilen auch die Leidenschaft für American Football. Als feststand, dass Isa zum Dehoga wechselt, war für mich klar, dass ich den Vorsitz übernehmen möchte. Ich habe meine Entscheidung nämlich auch davon abhängig gemacht, wer uns von Verbandsseite aus betreut, wer die Themen voranbringt. Thomas Kolaric hatte das bisher immer gut gemacht, aber mit Isa ist die Zusammenarbeit noch einmal eine andere.

Inwiefern?

Isa ist ein Vollblutprofi, besser hätte es für uns nicht kommen können. Ihr muss man nichts erklären und kann sofort das Problem ansprechen oder die Verbesserungsvorschläge angehen. Das macht es einfach, weil sie sofort weiß, wovon man spricht.

Hat sie Ihnen noch Tipps für den Vorsitz mitgeben?

Eigentlich nicht. Isa hat auch schon zu ihrer aktiven Zeit sehr viel an mich delegiert, insbesondere in der Corona-Zeit, als viele Pressetermine anstanden. Ich glaube, dass ich in der Lage bin, einen persönlichen Ton anzustimmen, ohne um den heißen Brei zu reden. Das schätzte sie sehr und hat mich gerne mal vorangeschickt.

Oberbürgermeister Stephan Keller und NRW-Innenminister Herbert Reul haben zuletzt gesagt, dass die Altstadt wieder sicherer geworden und dass die Zahl der Straftaten gesunken sei. Haben Sie auch den Eindruck, dass das neue Sicherheitskonzept wirkt?

Definitiv. Wenn früher die Bereitschaftspolizei in der Stadt war, waren doch viele ortsfremde Beamte dabei, die wenig über die Altstadt wussten. Dadurch, dass nun gemischte Streifen aus Polizei und Mitarbeitern des Ordnungs- und Servicedienstes unterwegs sind, weiß man zum einen, mit wem man es zu tun hat, und zum anderen gibt es ein stärkeres Empfinden dafür, wo man genauer hinschauen muss und wo die Zentren für Gefährderansprachen sind. Die Präsenz verpufft also nicht. Das alles hat zur Folge, dass das Sicherheitsgefühl in der Altstadt steigt, was die Zahlen ja auch belegen. Vorfälle, die bundesweit Schlagzeilen machten, wie Messerstechereien und Tötungsdelikte, sind enorm zurückgegangen beziehungsweise hat es nicht mehr gegeben. Es gibt zwar immer noch eine gewisse Präsenz von Störern, aber bei Weitem nicht mehr so viele wie in der Corona-Zeit.

Wie sehr liegt es Ihnen als Düsseldorfer am Herzen, dass die Altstadt wieder für positivere Schlagzeilen sorgt?

Es gibt jeden Tag so viele schöne Geschichten aus der Altstadt, aber leider wird nur darüber berichtet, wenn sich die Leute schlagen. Es ist diese Gier der Gesellschaft nach Negativschlagzeilen, die mir unergründlich ist. Ich suche doch lieber jeden Tag nach schönen Geschichten, weil diese mich inspirieren und weiterbringen. Ich habe aber den Eindruck, dass die Gesellschaft permanent nur negative Geschichten hören will, um ihre eigene Stagnation zu rechtfertigen.

Wie meinen Sie das?

Ich sage immer: Wer aufhört, besser zu werden, hört auf, gut zu sein. Das setzt aber voraus, dass man etwas wagt und etwas macht – und wenn man nichts tut, schafft man sich ab.

Was zeichnet die Altstadt aus Ihrer Sicht eigentlich aus?

Die Altstadt ist ein Mikrokosmos, der einem alles bietet. Man darf aber nicht die Einzelmomente der Gewalttaten nehmen und diese allem überstülpen. Das ist ein großer Fehler, der in der Vergangenheit gemacht wurde. Ich kann nur empfehlen: Kommt nachts in die Altstadt. Sie ist natürlich auch ein Irrenhaus und man wird sehr viel sehen, was man nicht sehen möchte. Aber in all dem wird man unfassbar viel entdecken, mit dem man nicht gerechnet hat, dass es hier verortet ist. Und wenn man es einmal entdeckt hat, wird man es nicht mehr missen wollen.

Der "Schickimicki-Club" wird bald schließen, "The Tube" gibt es schon nicht mehr, an der Ratinger Straße steht das "Schlösser Quartier Bohème" leer, und bei der "Mauer" geht es auch nicht wirklich weiter. Gibt es derzeit ein Clubsterben?

Beim "Schickimicki-Club" sind es private Gründe, im "Schlösser Quartier Bohème" waren am Ende nicht einmal mehr Gastro-Profis in der Verantwortung. Es fehlte die Vision, und es hat nichts mit der Ratinger Straße zu tun. Auch in der "Mauer" ist es einfach ein Wandel, manches Konzept überholt sich. Entweder unterwirft man sich als Gastronom dem permanenten Verbesserungsprozess, der zeitgeistig bleibt, oder man akzeptiert, dass eine Sache eine Halbwertszeit hat. Gastronomie kommt und geht, das ist ein völlig normales Ding und kein Indiz dafür, dass Orte nicht mehr attraktiv sind.

Sie sprechen von Wandel: Wie wird sich die Altstadt weiterentwickeln?

Sie nimmt zurzeit einen extrem positiven Wandel. Nach der Silvesternacht in Köln hat die Altstadt ein Jahr lang leiden müssen, doch jetzt befinden sich die Orte, die die Menschen am meisten bewegen, wieder in der Altstadt. Es sind mehrere Hotspots wie das "Sir Walter", die "Elephant Bar", das "Oh Baby Anna" oder das "Kürzer" entstanden, in deren Umfeld auch andere Betriebe profitieren. Es ist eine Häufung von Konzepten, die wirklich authentisch, sehr versiert und sehr gut geführt sind, und die sich in den vergangenen Jahren potenzierten.

Jetzt ist die Zeit sogar für eine Weinbar in der Altstadt reif.

Genau. Vor zehn Jahren hätte man noch zu mir gesagt: Du bist doch wahnsinnig. Aber genau hier sitzen wir jetzt, und die Leute stehen ab Donnerstagabend 30 Meter in der Schlange. Und diese Entwicklung und das Tempo werden weitergehen: Wir hier schaffen weitere neue Konzepte und inspirieren sehr viele andere damit. Ich gehe fest davon aus, dass die Altstadt diesen Weg weitergehen und immer mehr kommen wird.

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Halten wir fest: Die Altstadt ist noch lange nicht tot.

Im Gegenteil, die Altstadt blüht gerade erst so richtig auf. Es ist vollkommen egal, ob Super-Influencer, Messegast oder ganz normaler Bürger, alle kommen hier auf ihre Kosten und werden etwas finden, was genau ihren Bedürfnissen entspricht. Und genau das zeichnet die Altstadt aus: Man kann hier erst in eine Shot-Bar gehen und drei Minuten weiter in der "Elephant Bar" landen und einen guten Whiskey Sour trinken – das gibt es halt kaum woanders. Die Heterogenität, die wir hier haben, ist einfach das Spannende. Und übrigens: Wer die Altstadt zuletzt schlechtgeredet hat, ist selbst in den vergangenen Jahren gar nicht mehr in die Altstadt gegangen.

Verwendete Quellen
  • Interview mit Walid El Sheikh
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