Düsseldorf Grüne fordern Ernährungsstandards für Kita, Schule, Kantinen

Die Grünen fordern neue Standards für gesunde, nachhaltige Ernährung in Kitas, Schulen, Mensen, Landesbehörden und Senioreneinrichtungen Nordrhein-Westfalens. In einer am Freitag in Düsseldorf vorgestellten Studie für die Landtagsfraktion stellte der Münsteraner Ernährungswissenschaftler Guido Ritter fest: "Nur in circa 30 Prozent der Kitas und in 14 Prozent der Schulen wird frisch vor Ort gekocht." Qualitätsstandards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) würden unterschritten, vor allem Fleisch und Wurst zu häufig angeboten.
In seinen Empfehlungen für eine "NRW-Ernährungsstrategie" empfiehlt der Ökotrophologie-Professor unter anderem "kostenlose gesunde und nachhaltige Verpflegung an allen Kitas und Schulen". Die Grünen wollen die Vorschläge am 20. November bei einem Ernährungskongress im Landtag mit Experten und Praktikern erörtern.
"Wir wollen, dass alle Kinder in Kita und Schule gutes und gesundes Essen bekommen - und das kann nicht vom Geldbeutel abhängen", unterstrich Fraktionschefin Josefine Paul. "Wir müssen jetzt den Einstieg schaffen", ergänzte der Landwirtschaftsexperte der Fraktion, Norwich Rüße. Ob und wann Mittagessen am Ende komplett kostenfrei angeboten werden könne, sei zu prüfen. "Gutes Essen müsste aber auf jeden Fall günstiger sein als die Frittenbude nebenan."
Dabei sei gegen die beliebte Currywurst ab und an nichts zu sagen. Das Fleisch sollte dann aber aus artgerechter Tierhaltung stammen, mahnte der Steinfurter Öko-Landwirt. Und er stelle sich oft die Frage: "Warum ist die Currywurst so groß?"
In Kantinen der Landesbehörden und Senioreneinrichtungen werden der Studie zufolge häufiger als in Kitas und Schulen frische Lebensmittel direkt verarbeitet. Allerdings würden auch hier oft die Mindeststandards der DGE unterschritten und zu wenig pflanzliche Lebensmittel wie Gemüse und Obst im Speiseplan angeboten. Mit 1100 Gramm pro Kopf und Woche lägen die Deutschen beim Fleischkonsum um das Doppelte über den Empfehlungen, stellte Ritter fest.
In NRW fehle eine strategische Steuerung der Ernährungspolitik, kritisierte Paul. Dies wirke sich auch negativ auf die Landwirtschaft, das Klima und die regionale Vermarktung aus. "Die Kantinen wollen sich auf den Weg machen, aber sie brauchen Unterstützung", mahnte sie.
Jeder Mensch treffe täglich, bewusst oder unbewusst, etwa 200 Entscheidungen zu seiner Ernährung, erklärte Ritter. Häufig gebe dabei nicht die beste Qualität den Ausschlag, sondern die Frage: Was ist verfügbar und noch bezahlbar?
Der Studie zufolge fehlt es in NRW an Ernährungsbildung in Kitas und Schulen sowie an Fachpersonal, das solches Wissen vermitteln kann. Ritter empfiehlt kommunale "Ernährungsscouts" zur Beratung von Kitas, Schulen und Kantinen sowie regelmäßige Schulungen für Akteure in Gemeinschaftsverpflegungen. Die Kantinen-Richtline des Landes sei viel zu unspezifisch. Andere Länder gäben konkrete Nachhaltigkeitskriterien für Beschaffungen und Ausschreibungen vor, etwa Quoten für Bio-Produkte, saisonale oder regionale Ware.
Dabei gehe es heute nicht mehr um vegetarische Zwangsbeglückungen mit "Veggie-Days" in Mensen und Kantinen, betonten der Wissenschaftler und die Grünen. Laut jüngstem Jugendreport der Universität Göttingen seien die allermeisten jungen Leute sehr interessiert an nachhaltiger Ernährung und eher gegen die althergebrachte Essenstradition nach dem Motto: "Darf es noch ein bisschen mehr sein?", bilanzierte Ritter.
Derzeit fielen allein in NRW in Kitas, Schulen, Hochschulen, öffentlichen Kantinen sowie in Pflege- und Gesundheitseinrichtungen jährlich rund 35 000 Tonnen vermeidbare Lebensmittelabfälle an. "Wir haben jetzt eine Generation, die nicht nur satt ist, sondern das ein Stück weit auch satt hat", sagte Ritter.