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Düsseldorf: Hilfe und Treffen für LGBTQ*-Senioren


Zum Tag gegen Homophobie
Outing im Alter – "viele Senioren leben versteckt"

Von Sandra Langen-Straeter

Aktualisiert am 17.05.2021Lesedauer: 4 Min.
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Eine Frau im Gespräch (Symbolbild): Homosexualität und geschlechtliche Identität im Alter ist für viele noch ein Tabuthema. Das will die Düsseldorfer Fachstelle "Altern unterm Regenbogen" ändern.Vergrößern des Bildes
Homosexualität und geschlechtliche Identität im Alter ist für viele noch ein Tabuthema. Das will die Düsseldorfer Fachstelle "Altern unterm Regenbogen" ändern (Symbolbild). (Quelle: Westend 61/imago-images-bilder)

Anlaufstellen für schwule und lesbische Senioren gibt es in Nordrhein-Westfalen einige. Doch die Düsseldorfer Fachstelle "Altern unterm Regenbogen" hat einen weitergehenden Ansatz.

Im Treffpunkt "Altern unterm Regenbogen" finden ältere Menschen jenseits der 55 Hilfe und Kontakt. Das Besondere: Das Angebot richtet sich an Menschen jeder sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität – auch Bisexuelle, Trans- oder Intergeschlechtliche. Mit diesem Angebot war die Fachstelle die erste ihrer Art in Deutschland. t-online sprach mit der Fachreferentin Dr. Inka Wilhelm über ihre wichtige Arbeit.

Kein gewöhnlicher Senior*innentreff

Vorträge über Rente und Pflegeversicherung, telefonische Sprechzeiten, ein Impro-Theaterworkshop und Zusammensitzen, um sich über den Alltag auszutauschen – die Programmpunkte lesen sich wie in jedem anderen Senior*innentreff auch. Was hier anders ist: Menschen aus dem LGBTQ*-Spektrum finden hier einen geschützten Rahmen.

LGBTQ* oder auf deutsch auch LSBTI* steht für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans- und Intergeschlechtliche, das Sternchen symbolisiert alle darüber hinaus, die sich dem Regenbogen zugehörig fühlen und in der Aufzählung nicht aufgeführt sind.

Inka Wilhelm ist seit März 2019 bei der Fachstelle "Altern unterm Regenbogen" und zusammen mit je einem Kollegen von der Aidshilfe Düsseldorf und der AWO Düsseldorf bestreitet sie die tägliche Arbeit der Fachstelle. Aktuell in Zeiten von Corona liegt der Fokus im Angebot für die Klient*innen auf den Sprechzeiten und – wenn Schutzverordnung und Wetter es erlauben – Treffen im Park. Sobald die Corona-Pandemie es zulässt, werden auch Vorträge und andere Indoor-Veranstaltungen wieder verstärkt angeboten.

Alltagshilfe am Telefon

Bei der Telefonsprechzeit an jedem Werktag werden alltagsrelevante Themen besprochen: "Was viele umtreibt, auch gerade jetzt mit Corona, ist Vereinsamung und soziale Isolation. Wir wissen aus Studien, dass ältere Menschen sowieso und insbesondere ältere LSBTI* davon besonders betroffen sind", weiß Inka Wilhelm.

Auch das späte Coming-out ist ein Thema, ebenso wie die normalen Tücken des Alltags, etwa wie man zu einer Veranstaltung kommt oder dass kein Geld für eine Fahrkarte da ist. Gibt es weitergehenden Beratungsbedarf, verweisen die Mitarbeiter*Innen an die Angebote der Träger AWO, Frauenberatungsstelle und Aidshilfe, die die Fachstelle im Rücken hat.

"Viele leben versteckt"

Nicht alle Menschen sind mobil und können problemlos ins Zentrum kommen. Daher ist die Zusammenarbeit mit den Zentren Plus, die im ganzen Stadtgebiet verteilt sind, eine gute Möglichkeit, mehr Menschen zu erreichen – möglicherweise auch solche, die bisher noch nicht offen zu ihrer Sexualität und Identität stehen können oder wollen.

Inka Wilhelm kennt die Schwierigkeiten, zu all jenen vorzudringen, die im Geheimen leben: "Die Community ist genauso heterogen wie jede andere Gruppe. Es gibt durchaus viele, die gar nicht geoutet sind, die immer noch versteckt leben oder nur in einem kleinen Kreis geoutet sind. Manchmal ist es nicht so leicht, die Personen zu erreichen, die wir erreichen möchten. Im Moment kommen zu uns vermehrt Menschen, die sichtbar sind, und wir möchten mehr Menschen ansprechen, die nicht sichtbar sind. Möglicherweise ist da ein besonderer Bedarf, Unterstützung zu erhalten."

Silke T. ist 55 Jahre alt, lesbisch und auch sie nutzt die Angebote der Fachstelle gerne: "Meine Bedürfnisse im nun fortgeschrittenen Leben haben sich verlagert hin zu ruhigeren und informativeren Begegnungen. Die Fachstelle bietet Angebote, die einerseits meine Altersklasse als auch meinen Frauenbezug berücksichtigen und nicht potenziell von dem 'stärkenden Mann im Hintergrund' ausgehen. Frauen und Frauenbeziehungen ticken einfach anders."

Historie und Zukunft: Als im Dezember 2018 der Rat der Stadt Düsseldorf den Beschluss fasste, eine Fachstelle für ältere Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans- und Intergeschlechtliche (kurz LSBTI*) einzurichten, ging dieser Entscheidung jahrelange Überzeugungsarbeit vonseiten der Regenbogen-Community voraus. Konkret reichten damals die Aidshilfe Düsseldorf e.V., der Frauenberatungsstelle Düsseldorf e.V. und der AWO Düsseldorf e.V. parallel Anträge ein, die dann gebündelt und auf den Weg gebracht wurden. Fachreferentin Inka Wilhelm erinnert sich: "Wirklich alle demokratischen Parteien haben dafür gestimmt, das muss man dem Rat und der Stadt hoch anrechnen."
Die Finanzierung ist gesichert bis Ende des Jahres. Inka Wilhelm hofft, dass es danach weitergeht: "Wir sind dabei, gute Strukturen und einen guten Kontakt in die Community und außerhalb der Community zu schaffen. Es wird an allen Ecken und Enden deutlich, der Bedarf ist da, es braucht dieses Angebot und deswegen wäre es natürlich fatal, wenn die Fachstelle nicht verlängert würde."

Altenpflege sensibel gestalten

Silke T. und viele andere wünschen sich auch für später mehr Regenbogen im Pflegeheim: "Ich möchte mich nicht in dieses System als 'normale Hetero'-Frau einsortieren lassen, sondern mit meinen grundlegenden Lebenswerten gleichwertig mit allen anderen dort leben und unterstützt werden".

Daher haben es sich Inka Wilhelm und ihre Kollegen zur Aufgabe gemacht, die Altenpflegeeinrichtungen in Düsseldorf für das Thema LGBTQ* und Altern zu sensibilisieren. "Wir haben einen Sensibilisierungsworkshop entwickelt und gehen damit in die Stadtbezirkskonferenzen, durch die Verwaltungsstrukturen, netzwerken und machen Öffentlichkeitsarbeit."

Zusammenleben mit denen, die einen vielleicht früher angezeigt hätten

Diskriminierung von Mitgliedern der Regenbogen-Gemeinde ist auch heutzutage in unserer modernen Zeit immer noch ein Thema. Vor allem dann, wenn Menschen hilfs- und pflegebedürftig werden, fühlen sie sich oft ungeschützt und haben Angst vor unsensiblem Umgang.

Inka Wilhelm kennt das aus der Praxis: "Nehmen wir das Beispiel schwule Männer, die durch den Paragraphen 175 bis 1994 juristisch verfolgt und kriminalisiert wurden. Wenn ein Einzug in ein Pflegeheim ansteht, dann ist da nicht nur die Angst vor nicht sensibilisiertem Pflegepersonal, sondern auch die Angst davor, mit den gleichen Personen in einem geschlossenen System leben zu müssen, von denen man vielleicht vor 30 Jahren angezeigt worden wäre."

Scham und Angst

Ein weiteres Beispiel: Trans*-Menschen fühlen sich einem anderen Geschlecht zugehörig als dem, das Ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde. Sie haben Angst vor einem unsensiblen Umgang mit ihrer Geschlechtsidentität, wenn sie etwa Hilfe beim Toilettengang benötigen. Inka Wilhelm kennt diese Sorgen ihrer Klient*innen: "Du bist in einer Abhängigkeitssituation und musst dann noch befürchten, dass jemand nicht sensibel mit deinem So-Sein umgeht. Das ist eine enorme Angst, wenn du körperlich pflegebedürftig bist."

Ein ordentlicher Batzen Arbeit für drei halbe Stellen, die aktuell bewilligt sind. "Es ist ein ganz schöner Load", sagt Inka Wilhelm. "Einerseits inhaltlich immer anders, was super spannend ist. Andererseits auch ziemlich viel, wir könnten auf jeden Fall mehr Stunden oder mehr Mitarbeitende gebrauchen, keine Frage. Gleichzeitig sind wir ausgesprochen dankbar, dass die Stadt Düsseldorf uns durch die kommunale Finanzierung die Möglichkeit gibt, diesen wichtigen Bereich zu bearbeiten".

Offene Wünsche

Einen Wunsch aus der Community kann die Fachstelle "Altern unterm Regenbogen" aktuell aber noch nicht erfüllen: "Wir fragen fortlaufend die Bedarfe ab und einer, der immer wieder auftaucht, ist: Es wäre toll, wenn es einen Besuchsdienst gäbe speziell für LSBTI*. Für demenzerkrankte Menschen gibt es zum Beispiel Entlastungsangebote und viele LSBTI* scheuen sich, das in Anspruch zu nehmen, aufgrund der Angst vor Diskriminierung. Den Wunsch nach Einkaufsunterstützung, Besuchsdienst, einer Art Ehrenamtsbörse würden wir unheimlich gerne erfüllen, aber das können wir aktuell einfach nicht leisten."

Telefonsprechzeit werktags von 10.30 bis 12.30 Uhr
Inka Wilhelm: 0157 7155 2064,
Bernd Plöger: 0152 2168 6029, bernd.ploeger@awo-duesseldorf.de

Verwendete Quellen
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