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Flüchtlinge in Hamburg: Warum Abschiebungen keine Lösung sind


Obergrenzen-Diskussion in Hamburg
Zu viele Flüchtlinge? "Können Zugbrücke nicht hochziehen"

  • Katharina Grimm
Von Katharina Grimm

Aktualisiert am 06.11.2023Lesedauer: 4 Min.
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In der ehemaligen Fegro-Halle in Harburg hatte das DRK schon ab 2022 eine Notunterkunft für Geflüchtete aus der Ukraine errichtet. (Quelle: IMAGO/Sebastian Peters/imago)

Hamburg ächzt wie viele Städte unter der Last der ankommenden Flüchtlinge. Abschiebungen zur Entlastung sind offenbar keine Lösung.

Geht es nach den Hamburgern, braucht die Stadt eine Obergrenze für Geflüchtete. Zu diesem Er

gebnis kommt das Institut Trend Research, das für das "Abendblatt" eine Umfrage gestartet hat. Vor allem ältere Hanseaten und AfD-Wähler wollen einen Deckel bei den Aufnahmezahlen.

Eine Obergrenze mag für manche verheißungsvoll klingen: keine Überforderung der Schulen bei der Integration, keine überfüllten Hallen als Bettenlager, keine ehrenamtlichen Helfer am Limit. Dass die Obergrenze aber keine tatsächliche Begrenzung der Zuwanderung bedeutet, scheint die Befragten nicht zu interessieren. Denn: dass man eine künstliche Grenze einzieht, heißt nicht unbedingt, dass nicht viel mehr Leute als vorgesehen vor den Toren der Stadt stehen und Hilfe suchen.

Unterbringung dringend gesucht

Hamburg ist am Limit – das sagten im Oktober schon die Sozialsenatorin Melanie Schlotzhauer und Innensenator Andy Grote (beide SPD) bei einer Infoveranstaltung. In den vergangenen Monaten seien deutlich mehr Menschen nach Hamburg gekommen als in den Vorjahren, berichtet der Senator. Im August waren es 1.400 Menschen, im September 1.700. Dabei sind die Unterbringungsmöglichkeiten schon zu 97 Prozent ausgelastet. Ende September waren insgesamt 46.000 Menschen in öffentlichen Einrichtungen untergebracht. In Sammelunterkünften, in angemieteten Wohnungen, Pensionen und Hotels. Sogar in Zelten müssen sie vorerst schlafen. Die Behörden suchen händeringend nach neuen Unterkünften.

"Alle 10 Tage könnte man eine neue Unterkunft eröffnen", so Schlotzhauer. An eine faire Verteilung auf alle Stadtteile sei nicht zu denken, ihre Behörde nehme an Unterkünften, was sie kriegen könne. Auf Hamburg kommen harte Zeiten zu: Der November ist traditionell der Monat mit den höchsten Migrationszahlen. Wie soll die Stadt das schaffen?

EU verschärft Asylverfahren

Ein erster Schritt ist auf europäischer Ebene gemacht worden. Dort verständigte man sich auf eine Verschärfung des Asylrechts. Schon an den Grenzen soll künftig geprüft werden, ob Aussicht auf Asyl besteht. Auch das eigentliche Asylverfahren soll an der Grenze in einer Transitzone stattfinden können. Festung Europa? Das lässt man in Brüssel zwar nicht gelten, aber die Hürden zur Einreise sollen deutlich erschwert werden.

Die zweite große Herausforderung ist die Finanzierung der Flüchtlinge. Hier erhöhte jüngst Finanzsenator Andreas Dressel den Druck auf die Bundesregierung: Hamburg habe die Mittel für die Unterbringung und Betreuung von Geflüchteten für dieses Jahr zuletzt bereits um 300 Millionen Euro auf mehr als 1,3 Milliarden Euro aufgestockt. Doch offenbar plant der Bund, die Unterstützung für die Hansestadt zurückzufahren. Statt 100 Millionen Euro sollen nur noch 24 Millionen Euro gezahlt werden. "Im politischen Interesse rate ich dem Bund, sich zu bewegen, denn ehrlicherweise haben Bund und Ampel im Moment ein massives Akzeptanzproblem", so Dressel.

Hamburg nimmt viele Flüchtlinge auf

Im bundesweiten Vergleich ist Hamburg ganz vorne dabei, wenn es um die Aufnahme von Flüchtlingen geht. Der "Königsteiner Schlüssel" regelt genau, in welche Bundesländer sie verteilt werden. Demnach müssten die einwohnerstärksten Bundesländer Nordrhein-Westfalen, Bayern und Baden-Württemberg auch die meisten Menschen aufnehmen. Doch gemessen an der Bevölkerung lebten Ende 2022 die meisten Geflüchteten in den Stadtstaaten Bremen (6,3 Prozent der Bevölkerung), Hamburg (4,8) und Berlin (4,8). Am niedrigsten waren die Anteile in Bayern (2,8), Brandenburg (2,8) und Mecklenburg-Vorpommern (2,9), wie aus Zahlen des Statistischen Bundesamts hervorgeht.

Wer meint, dass Abschiebungen das Problem lösen können, muss enttäuscht werden. Zwar habe Hamburg die Zahl der Rückführungen, so der offizielle Terminus, deutlich gesteigert. Allein bis zum September 2023 habe die Zahl derer, die Hamburg verlassen mussten, auf dem Niveau des gesamten Jahres 2022 gelegen. Knapp 1.000 Menschen waren das. Darüber hinaus seien die Plätze in der Abschiebehaft verdoppelt worden. Und auch das Personal bei LKA und Ausländerbehörde, die gemeinsam kriminelle Migranten in die Herkunftsländer abschieben, sei aufgestockt worden. Allerdings ändert das nicht an der Tatsache: Gut drei Viertel der Menschen, die nach Deutschland flüchten, dürfen bleiben. Die bereinigte Schutzquote liegt laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zwischen Januar und August 2023 bei 71 Prozent.

"Wir stoßen an Grenzen"

"Hamburg kann die Zugbrücke nicht hochziehen", fasst Grote die Situation zusammen. Also müssen die Zahlen generell sinken. Dass Hamburg dabei selbst keinerlei Handhabe hat, ist ihm bewusst. Er richtet seinen Appell gen Berlin, um die Akzeptanz für den Migrationskurs nicht zu verspielen. Schlotzhauer sieht die Entwicklung ebenfalls kritisch. Sie bekommt von ehrenamtlichen Helfern, aber auch von Mitarbeitern von "Fördern & Wohnen", die die Unterbringung der Flüchtlinge bereitstellen, erste SOS-Signale. "Wir stoßen an Grenzen. In den Kitas, in den Schulen, bei der medizinischen Versorgung, bei der Unterbringung", so Schlotzhauer. Bislang sei Hamburg ein Beispiel dafür, wie erfolgreiche Integration gelingen könne. Aber man dürfe die Bevölkerung nicht überfordern.

Auch Finanzsenator Dressel mahnt, dass die Finanzierung der Flüchtlinge die Spaltung im Land verstärken könnte. Sollte in ärmeren Bundesländern bei anderen Angeboten gekürzt werden müssen, um Flüchtlinge unterzubringen, dann wäre das in der aufgeheizten politischen Lage schlecht. Grote beobachtet derweil mit Sorge, dass nicht nur die Akzeptanz schwindet. "Neu ist, dass wir ein aggressives Verhalten in rechtsextremen Strukturen sehen", so der Senator. Die Notlage, in der sich Hamburg und ebenso ganz Deutschland befinde, mache etwas mit dem politischen Gefüge und der Gesellschaft, mahnt Grote. Es sei ein Balanceakt. Doch eines sei klar: "Wir wollen keine Festung aufbauen."

Verwendete Quellen
  • tagesschau.de: Wer kommt, wer darf bleiben? (Stand 03. Oktober 2023).
  • ndr.de: Halbjahresbilanz: 214 Menschen aus Hamburg abgeschoben
  • abendblatt.de: So stehen die Hamburger zum Thema Obergrenze
  • welt.de: Behörde nennt Details zu Unterbringung von Flüchtlingen in einer Messehalle
  • zdf.de: Asylverfahren an Außengrenze: Was erlaubt ist
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