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Nach "Letzte Generation"-Deal: Hannovers OB Belit Onay bei "Markus Lanz"


Politiker zu "Deal" mit Klimaaktivisten
"Das Auto ist nicht gottgegeben"

  • Patrick Schiller ist t-online Regio Redakteur in Hannover.
Von Patrick Schiller

03.03.2023Lesedauer: 4 Min.
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Belit Onay (Grüne) bei "Markus Lanz": Hannovers Oberbürgermeister machte sich in der ZDF-Talkshow für seine Klimapositionen stark.Vergrößern des Bildes
Belit Onay (Grüne) bei "Markus Lanz": Hannovers Oberbürgermeister machte sich in der ZDF-Talkshow für seine Klimapositionen stark. (Quelle: Screenshot ZDF)

Im ZDF lieferte sich Hannovers Oberbürgermeister ein Wortgefecht mit FDP-Fraktionschef Christian Dürr. Es ging um Klimapolitik, Tempolimit und Elektroautos.

Wie kann der Verkehr der Zukunft klimagerecht gestaltet werden? Darüber haben FDP-Fraktionschef Christian Dürr, "Zeit"-Journalistin Petra Pinzler sowie der Grünen-Politiker und Oberbürgermeister von Hannover, Belit Onay, am Donnerstagabend bei ZDF-Moderator Markus Lanz gestritten. Vor allem Dürr musste sich scharfe Kritik der übrigen Gäste gefallen lassen. Onay war zuletzt mit einem "Deal" mit Vertretern der "Letzten Generation" bundesweit in die Schlagzeilen geraten, nachdem er in einem Brief an die Bundestagsfraktionen einzelne Positionen der Klimaaktivisten unterstützt hatte.

Dürr geriet gleich zu Beginn unter Druck: "Zeit"-Journalistin Pinzler warf ihm vor, die FDP bremse beim Ausbau von Schienennetzen. Das wies Dürr zurück: Neben Projekten wie Ideen zum autonomen Parken und einem klimagerechten Straßenbau spreche er sich auch für den Ausbau von Schienennetzen aus. Der Autobahnausbau und Digitalisierungsprojekte stünden für ihn jedoch im Vordergrund – dennoch sei ihm Klimapolitik wichtig: "Ich will aber nicht nur Straßen, ich will auch Schienen. Ich will beides", sagt Dürr.

Onay: Rechnung mit "Klimaautobahn geht nicht auf"

"Die Aussagen halten einer Überprüfung nicht stand", entgegnete Onay. Es gebe den verkehrspolitischen Grundsatz, dass mehr Straßen zu mehr Verkehr führen würden und damit zu mehr Autos, so Onay weiter. Als Beispiel führte er das in die Jahre gekommene Schnellwegesystem in Hannover an: Prognosen zur Erneuerung würden belegen, dass sich die Zahl der Autofahrer zukünftig noch steigern werde. "Da muss bei uns die Alarmglocke schrillen", sagte Onay.

Man dürfe nicht immer breitere Straßen bauen, sondern müsse Alternativen entwickeln: "Schienen, ÖPNV, Radverkehr in urbanen Bereichen." Pendler müssten nicht unbedingt auf Automobilität setzen: "Das Auto ist nicht gottgegeben", sagte Onay, und die Rechnung nach einer "Klimaautobahn geht nicht auf".

Dürr widerspricht: Die rot-grüne Landesregierung in Niedersachsen habe sich auf den Bau der Küstenautobahn A20 geeinigt. "Da sind Generationen von Politikern teilweise nicht mehr dabei, wenn der Bau beginnt", entgegnet Onay. Gemäß Koalitionsvertrag dürften derartige Projekte nachträglich nicht mehr korrigiert werden.

Unterschiedliche Denkschulen?

Doch Lanz lässt nicht locker: Die FDP wolle mehr Autobahnen, mehr Autos, blockiere auf EU-Ebene ein Verbot des Verbrennermotors, dennoch wolle er das Klima schützen. Dürrs Argumentation: "Durch den Neubau von Straßen helfen wir der Umwelt, weil wir Staus vermeiden."

Während sich Dürr für die weitere Nutzung von Autos mit Verbrennermotoren mit einer gewissen "Freiheit" einsetzt, erntet er scharfe Kritik – vor allem, weil er den Freiheitsbegriff in einem Satz mit dem persönlichen Klimabewusstsein anbringt.

Der FDP-Politiker sprach von zwei unterschiedlichen Denkschulen in Bezug auf den Klimaschutz. Eine setze auf weniger Wachstum, Konsum und Autofahrten, während die andere sich für mehr Technologie-Offenheit und Optionen einsetze. Markus Lanz unterbrach den Politiker und warf ihm vor, einen Glaubenskrieg zu führen und die FDP retten zu wollen. Der Politiker wurde sichtlich wütend und betonte, dass er nicht gegen E-Autos sei und selbst einen Hybrid fahre. Allerdings sei er dagegen, aus allem auszusteigen und dann zu bemängeln, dass die Klimaziele nicht erreicht werden. Dürr wolle keinen Kulturkampf.

Autofreie Innenstädte: Alternativen für Pendler?

In der Folge ging Onay nochmals auf die Bedeutung des Autos in der heutigen Zeit für Städte ein: Während nach dem Zweiten Weltkrieg der autogerechte Umbau von Städten bedeutsam gewesen sei, stelle das für die Menschen heute eine Belastung dar: "Das Auto muss sich neu definieren. So hat es keine Zukunft", sagte Onay und stellte die Vision der Stadt Hannover für eine begrünte, autofreie Innenstadt vor. "Die Mobilitätswende in den Städten bietet wahnsinnig viele Chancen", sagte Onay über das Projekt, das bis 2030 umgesetzt werden soll.

"Wir haben jeden Tag mit den Pendlern aus der Region eine Viertelmillion Pendler, die morgen und abends im Stau stehen", so Onay weiter. Und in Richtung Dürr: "Das ist dann keine Freiheit mit dem Auto." Stattdessen müssten Alternativen geschaffen werden. Auch der Gedanke, dass jedem Autobesitzer im Innenstadtbereich automatisch ein kostenfreier Parkplatz zustehe, sei nicht mehr zeitgemäß: "Niemand würde auf den Gedanken kommen, seinen Schrank auf die Straße zu stellen und öffentlichen Raum dafür in Anspruch zu nehmen", pflichtete ihm Pinzler bei. "Die Menschen dürfen natürlich ein Auto besitzen, aber es wird unbequemer, als Alternativen zu nutzen", sagt Onay.

Hat Onay die "Letzte Generation" über den Tisch gezogen?

Ein weiteres Thema war der "Deal" des hannoverschen Oberbürgermeisters mit Vertretern der "Letzten Generation". Onay hatte in der vergangenen Woche mit Vertretern Vereinbarungen getroffen und in der Folge hat er unter anderem einen Brief mit seinen klimapolitischen persönlichen Zielen und Forderungen der "Letzten Generation" an die Bundestagsfraktionen gerichtet. Dafür stoppten die Aktivisten ihre Protestaktionen in Hannover. Dafür hat Onay bundesweit Kritik geerntet: Er habe sich von den Klimaaktivisten "erpressen lassen", hatte etwa Dürr bereits in der Vorwoche gesagt. Onay wies das zurück: Viele Forderungen entsprächen seinen eigenen Vorstellungen.

Lanz warf ein, dass Onay die Aktivisten über den Tisch gezogen habe, weil er als Oberbürgermeister über viele Inhalte gar nicht bestimmen könne. Onay wies das in Teilen zurück.

Zudem gerieten Dürr und Onay über die Deutung der Forderung der "Letzten Generation" nach einem Gesellschafts- oder "Bürger*innenrat" und dessen Kompetenzen in der Gesetzgebung aneinander. "Ein Rat darf keine Entscheidungen über Parlamente hinweg treffen", sagte Dürr. Doch ein "Bürger*innenrat" sei im Koalitionsvertrag bereits beschlossen, er stehe allerdings nicht in Konkurrenz zu den gesetzgebenden Parlamenten. "Das ist verfassungsrechtlich auch nicht möglich", so Onay.

Verwendete Quellen
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