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NRW: Zweitgrößter See in Deutschland entsteht im Tagebau Hambach


Nur der Bodensee ist größer
Hier entsteht Deutschlands zweitgrößter See


Aktualisiert am 29.12.2023Lesedauer: 4 Min.
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So soll er irgendwann einmal aussehen: der Hambacher See.Vergrößern des Bildes
So soll er irgendwann einmal aussehen: der Hambacher See. (Quelle: RWE)

Seit über 40 Jahren wird im Tagebau Hambach Braunkohle abgebaut. Doch damit ist bald Schluss und es soll dort ein riesiger See entstehen. Es gibt allerdings Gegenwehr.

Von hoch oben sieht der Tagebau Hambach fast wie eine jahrtausendealte Gesteinsformation aus. Die Illusion wird jedoch bei näherem Anblick schnell zerstört – dafür sorgen allein schon die riesigen Bagger, die unablässig Material abschaufeln. Hier, zwischen Jülich, Elsdorf und Kerpen, befindet sich die größte Braunkohlegrube Europas. Seit 1978 lieferte sie erst Rheinbraun und dann dem Nachfolger RWE unzählige Tonnen des fossilen Brennstoffs.

Doch so wie die Steinkohlenbergwerke im Ruhrgebiet nach und nach schlossen, neigt sich auch die Zeit des Tagebaus Hambach ihrem Ende zu. Ab 2030 wird das riesige Loch umfunktioniert. An gleicher Stelle, nur 40 Kilometer von Köln entfernt, entsteht der Hambacher See. Mit 3,6 Milliarden Kubikmetern Gesamtvolumen wird er der zweitgrößte See Deutschlands werden. Nur der Bodensee fasst mehr Wasser.

Schwimmen, Wassersport und Solarenergie

Die Ideen, wie man den See nutzen kann, sind vielfältig: Schwimmen und Wassersport für die Aktiven, Gastronomie und Hotellerie für die Genießer oder auch eine schlichte Nutzung als Erholungsgebiet. Schwimmende Solaranlagen könnten außerdem Energie erzeugen. Am Ende entscheidet darüber "Neuland Hambach", eine Gesellschaft der angrenzenden Ortschaften Elsdorf, Jülich, Kerpen, Merzenich, Niederzier und Titz.

Um die Braunkohle abbauen zu können, wird das Grundwasser im Tagebau seit 1976 großflächig abgesenkt – bis zu 500 Meter tief. Ab 2030 geht es wieder in die andere Richtung, die riesige Grube wird geflutet. Die Wassermassen dafür kommen vom Rhein. RWE baut eine unterirdische Rohrleitung. "Die Leitung wird von der Entnahmestelle bei Dormagen-Rheinfeld bis zum Einlaufpunkt bei Elsdorf-Esch 41 Kilometer lang werden", sagt RWE-Sprecher Guido Steffen t-online.

Schwimmen im Hambacher See wäre schon 2040 möglich

Aus dem Rhein darf jedoch nicht beliebig viel Wasser gepumpt werden, um ihn vor der Austrocknung zu schützen. Also muss RWE in kleineren Schritten agieren. "Die Entnahme ist flexibel und richtet sich nach der Wasserführung des Rheins", sagt Steffen. Bei extremem Niedrigwasser dürfen 1,8 Kubikmeter Wasser pro Sekunde entnommen werden, bei "normalem Pegel" 18 Kubikmeter pro Sekunde. Rund 40 Jahre wird es dauern, bis der See komplett gefüllt ist.

Allerdings: Wird der See tatsächlich auch zum Schwimmen genutzt, sollen nur zehn Jahre vergehen, bis die Besucher erstmals ins Wasser springen können. "Wegen der Trichterform der Seemulde wird der Wasserstand anfangs stärker steigen als in den späteren Jahren", erklärt Steffen. "Schon nach zehn Jahren wird der Hambacher See mit einem Wasserspiegel von circa zwölf Quadratkilometern größer sein als der Tegernsee."

RWE plant außerdem, rund um den See neue Waldflächen anzupflanzen. Als Vorbild könnte der rekultivierte ehemalige Tagebau Frechen dienen, der nur etwa 20 Kilometer entfernt liegt. Daneben sollen auch über 250 Hektar landwirtschaftliche Flächen entstehen.

Kritik von Naturschützern und Anwohnern

Kritik am Vorgehen rund um den Tagebau Hambach gibt es seit seiner Entstehung. Neben der hohen Abgasbelastung prangerten Umweltschützer immer wieder an, dass für den Braunkohleabbau große Teile des Hambacher Forsts gerodet wurden. Von ursprünglich 4.100 Hektar sind nur noch wenige hundert übrig geblieben. Seit 2012 besetzten immer wieder Abholzungsgegner den Hambacher Forst.

Vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland Landesverband Nordrhein-Westfalen e.V (BUND NRW) heißt es, mit der Abholzung seien "weitreichende Folgen für den Wasserhaushalt der gesamten Region verbunden. Mit den Tagebauen werden nicht nur die streng geschützten grundwasserabhängigen Feuchtgebiete zum Beispiel an Schwalm und Nette gefährdet, vielmehr werden die Trinkwassergewinnung und der Grundwasserhaushalt für Jahrhunderte geschädigt." 2018 konnte der BUND gerichtlich einen Rodungsstopp erwirken.

Für die Erweiterung des Tagebaus müssen und mussten außerdem ganze Ortschaften umgesiedelt werden, darunter Manheim und Lich-Steinstraß. Bürgerinitiativen formierten sich erfolglos gegen die Umsiedlung.

Auch die geplante Nutzung des Areals als See ab 2030 ruft bei Naturschützern Kritik hervor. Die Qualität des Rheinwassers sei für den See nicht ausreichend, heißt es vom BUND NRW. Der Energieversorger RWE bestreitet das.

BUND will "Manheimer Bucht" verhindern

Ärger verursacht außerdem die sogenannte "Manheimer Bucht". Am ehemaligen Standort der Ortschaft Manheim will RWE Kiese und Sande abbauen. Damit will sie die Böschungen des zukünftigen Sees so auffüllen, dass dieser standsicher ist. Andere Standorte zur Entnahme hätten sich nach einer Prüfung als nicht geeignet herausgestellt, heißt es.

Der BUND kritisiert das stark: "Damit würde eine uralte Kulturlandschaft unnötig zerstört und die ökologische Wiedervernetzung der Wälder verhindert", sagt die Umweltschutzorganisation. RWE-Sprecher Guido Steffen sagt t-online auf Nachfrage dazu: "Die 'uralte Kulturlandschaft' ist ein Landschaftsteil, der vor allem aus Feldern und der ehemaligen, mittlerweile fast menschenleeren, überwiegend geräumten und entsprechend brach liegenden Ortslage Manheim-Alt besteht."

Steffen weiter: "Für eine verbesserte Vernetzung der Waldteile setzen wir ein Artenschutzkonzept auf, das an die Erfahrungen eines ersten Konzepts anschließt, das wir für den Tagebau Hambach unter den alten Vorzeichen erfolgreich umgesetzt haben."

Neben den Umweltschützern sehen auch andere das Vorhaben kritisch. Dormagens Bürgermeister Erik Lierenfeld beispielsweise will verhindern, dass die Rohrleitung zum Wassertransport durch seine Stadt verläuft. Anwohner befürchten außerdem einen deutlichen Lärm- und Abgasanstieg, sorgen sich um die Natur und ihr Eigentum, kritisieren die mangelnde Kommunikation seitens RWE. Bis der See nutzbar ist, wird es also noch großen Gesprächsbedarf auf allen Seiten geben.

Verwendete Quellen
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