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Köln: Bluttat nach Beziehungsdrama – vier Jahre Haft für Totschlag


Freund der Schwester getötet
Vier Jahre Haft nach Messerangriff in Köln

Von Johanna Tüntsch

23.12.2020Lesedauer: 4 Min.
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Der Angeklagte mit seinen Verteidigern Gottfried Reims (links) und Arno Dhein: Wegen Totschlags wurde der Mann zu vier Jahren Haft verurteilt.Vergrößern des Bildes
Der Angeklagte mit seinen Verteidigern Gottfried Reims (links) und Arno Dhein: Wegen Totschlags wurde der Mann zu vier Jahren Haft verurteilt. (Quelle: Johanna Tüntsch)

Ein 25-Jähriger erstach im März den Freund seiner Schwester, nachdem dieser ihn provoziert hatte. Dafür sprach die zuständige Kammer am Kölner Landgericht nun ein mildes Urteil aus.

Ein blutiges Verbrechen auf offener Straße erschütterte am 7. März 2020 die Kölner: Am Rande der Innenstadt verblutete auf offener Straße ein junger Mann. Der 26-jährige Kellner war mit einem fast 15 Zentimeter langen Messer erstochen worden. Durch nur einen einzigen Stich in den Schulterbereich erlitt er die Spaltung einer Rippe, massive Verletzungen der Lunge, der Hauptschlagader und des Herzbeutels. Als die Einsatzkräfte kamen, konnten sie ihm schon nicht mehr helfen.

Für die Tat wurde nun der Bruder seiner Freundin zu vier Jahren Haft wegen Totschlags verurteilt. Das Opfer "wurde lediglich 26 Jahre alt, liebte das Leben, hinterlässt trauernde Eltern, Geschwister und eine kleine Tochter", führte Richterin Sabine Kretzschmar, die Vorsitzende der 11. Großen Strafkammer aus. Und doch konnte man im Laufe ihrer rund zweistündigen Urteilsbegründung den Eindruck gewinnen, dass der Mann auf der Anklagebank zumindest auch ein Opfer, wenn nicht sogar das eigentliche Opfer einer tragischen Entwicklung war.

Den Urteilsspruch nahm er unter leisen Tränen zur Kenntnis. Weil er während der Ausführungen der Vorsitzenden gar nicht aufhören konnte zu weinen, bedeutete einer seiner Verteidiger den Angehörigen, man möge Taschentücher reichen. Schon nach kurzer Zeit lag das kleine Päckchen leer auf dem Tisch vor dem 25-Jährigen, der bislang nicht vorbestraft und bis zum Beginn der Ermittlungen in einem festen Arbeitsverhältnis berufstätig war. Noch in der Untersuchungshaft hat er sich verlobt – zumindest das ein Erfolg, da die Beziehung zwischen ihm und seiner Freundin zunächst von beiden Familien nicht akzeptiert worden war.

Heimliche Abtreibung brachte späteres Opfer in Rage

Beziehungsschwierigkeiten, und zwar die der Schwester, waren es auch, die ihn nun auf die Anklagebank brachten. Um die Hintergründe der Tat offenzulegen, waren im Laufe des Verfahrens zahlreiche Chatverläufe ausgewertet und Zeugen gehört worden. So wurde deutlich, dass die Schwester des Angeklagten und das spätere Opfer miteinander eine, so der Staatsanwalt, "On-Off-Beziehung" hatten. "Es sind über ihre Beziehung zahlreiche Details öffentlich geworden, die man vielleicht lieber nicht in der Öffentlichkeit ausgebreitet sieht", so die Vorsitzende.

Der Punkt, der schließlich zur Eskalation führte: Die junge Frau soll, offenbar ohne Kenntnis ihres Partners, zwei Abtreibungen vornehmen lassen haben. Darüber war dieser so erbost, dass er ankündigte, er wolle eine Bescheinigung über die Abtreibungen in ihrer Schule veröffentlichen, um sie bloßzustellen. Damit nicht genug, suchte er auch eine Konfrontation mit ihren Brüdern. Was er sich davon erhoffte, blieb unklar.

Angeklagter kam dem Bruder zu Hilfe

Zeugen, die den 26-Jährigen am Abend vor seinem Tod erlebten, hatten geschildert, wie er sich zunehmend betrank und immer aggressiver wurde. "Er hat nicht mehr flüssig gesprochen und war nur mit seinem Handy beschäftigt. Er wollte die Brüder seiner Freundin treffen", soll einer seiner Freunde angegeben haben.

Kontakt hatte der 26-Jährige offenbar mit einem der jüngeren Brüder. Ihm schrieb er: "Deine Schwester ist eine Hure. Sie hatte zwei Abtreibungen in einem Jahr, sie ist ein Mädchen, das in einer Woche mit zwei Jungen schläft." Der Angeklagte, der sich als ältestes Kind nach der Trennung seiner Eltern für die jüngeren Geschwister verantwortlich fühlte, war zunächst nicht involviert. Als er von seinem jüngeren Bruder, den die Nachrichten verunsicherten, ins Vertrauen gezogen wurde, übernahm er es, den Freund der Schwester zu treffen. Es kam zu einer Begegnung in der Nähe des Aachener Weihers.

"Es ist nicht festzustellen, ob der Angeklagte das Opfer überhaupt kannte", so die Vorsitzende. Aus Sorge vor der Reaktion der Familie hatte die Schwester ihre Beziehung offenbar geheim gehalten. Der 26-Jährige konnte jedoch zahlreiche Angaben zu Familieninterna machen, aus denen abzuleiten war, dass er in einer Verbindung zu der Familie stehen musste. "Sie haben gesagt, dass Sie von dem, was er über Ihre Schwester gesagt hat, nicht begeistert waren, aber auch nicht völlig außer sich", zitierte die Vorsitzende aus einer Einlassung des Angeklagten.

Opfer war als Gewalttäter vorbestraft

Das passt zur stillen Trauer, die der Angeklagte während der Urteilsverkündung erkennen ließ, und auch zu dem, wie er sich während des ganzen Verfahrens zeigte: "Wir haben Sie als eine Person kennengelernt, die aufrichtig erscheint und der ihr Gewissen zu schaffen macht. Von zahlreichen für Sie günstigen Möglichkeiten haben Sie keinen Gebrauch gemacht", so Kretzschmar. Über das Opfer hingegen habe man, auch durch die Aussage seiner Freunde, erfahren, dass der 26-Jährige ein impulsiver, eifersüchtiger Mann war, der Konflikten nicht aus dem Weg ging, wegen Gewaltdelikten vorbestraft war und auch gegen seine Freundin körperlich übergriffig wurde – bis hin zum Nasenbeinbruch.

Wie kam es also, dass er verstarb und sein Kontrahent jenes Abends, offenbar das viel ruhigere Temperament, auf der Anklagebank landete? Dazu war der Angeklagte mehrfach befragt worden, zuletzt noch einmal am vergangenen Freitag, als eigentlich schon der Urteilsspruch erwartet wurde. Immer wieder hatte er geschildert, dass der 26-Jährige ihn nicht nur mit Worten provoziert, sondern auch körperlich bedrängt hatte. "Ich habe versucht, ihn wegzuschubsen", so der Angeklagte. Immer wieder sei der andere ihm aber nahegekommen und habe Drohungen über die ganze Familie ausgestoßen. "Ich habe ihn mit der Faust geschlagen. Ich habe gehofft, dass er runterkommt. Ich wollte einem Konflikt aus dem Weg gehe", so der 25-Jährige.

Weil der 26-Jährige aber immer wieder auf ihn zukam, zog er schließlich ein Messer und stach zu. Das Messer, so gab er an, hatte er mitgenommen, weil er nicht wusste, was ihn bei der Konfrontation erwarten würde: "Es gibt tausend andere Wege, wie ich hätte reagieren können, aber ich habe in dem Moment einfach nicht daran gedacht." Mit einer immer leiser werdenden Stimme hatte er das letzte Wort des Angeklagten genutzt, um sich bei der Familie des Opfers zu entschuldigen.

Der Tatsache, dass er weitgehend ohne eigenes Zutun überhaupt in eine Lage geriet, die ihn zum Täter werden ließ, trug die Kammer mit ihrem vergleichsweise milden Urteilsspruch Rechnung: Totschlag kann mit einer Haft von bis zu 15 Jahren bestraft werden.

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtungen
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