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Mitarbeiter des Kölner Ordnungsamtes packt aus: Attacken nehmen mit Corona zu


Mehr Übergriffe seit Corona
Ordnungsamtmitarbeiter: "Die Hemmschwelle ist stark gesunken"

Von Florian Eßer

Aktualisiert am 09.02.2021Lesedauer: 4 Min.
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Mitarbeiter des Kölner Ordnungsamtes kontrollieren, dass Personen in der Hohe Straße die dort geltenden Corona-Regeln wiVergrößern des Bildes
Mitarbeiter des Kölner Ordnungsamtes in der Hohe Straße (Archivbild): Seit der Pandemie sind Maskenpflicht und Mindestabstände wichtige Regeln, deren Einhaltung kontrolliert werden muss. (Quelle: Future Images/imago-images-bilder)

Während die Maßnahmen gegen das Coronavirus weiter anhalten, werden Mitarbeiter der städtischen Ordnungsdienste immer häufiger zum Ziel gewalttätiger oder verbaler Übergriffe. Unser Autor hat mit einem Kölner Ordnungsamtmitarbeiter über seine Erfahrungen gesprochen.

Von Offizieller Seite heißt es, dass sich die Anzahl der Strafanträge bei Attacken auf Ordnungskräfte im Vergleich zum Vorjahr fast verdoppelt hat: Lag sie im Jahr 2019 bei 75, wurden im vergangen Jahr 140 derartiger Strafanträge gestellt – 100 von ihnen hatten einen Corona-Bezug.

Daniel Münch ist seit 12 Jahren beim Kölner Ordnungsamt tätig, davor arbeitete er weitere 4 Jahre im Ordnungsdienst der Verbandsgemeinde Bad Ems in der Nähe von Koblenz. Seinem Job ist der 46-Jährige dabei immer mit einer großen Leidenschaft nachgegangen, wie er selbst sagt.

Das habe sich auch in der Corona-Pandemie nicht geändert – obwohl sein Job und der seiner knapp 180 Kölner Kollegen sehr viel komplexer geworden ist. Mit der Pandemie sei ein komplett neues Aufgabenfeld zum Tätigkeitsbereich hinzugekommen: "Das normale Tagesgeschäft ist stark in den Hintergrund getreten", erklärt Münch, "die Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus haben natürlich die höhere Priorität."

Und mit diesen haben Münch und seine Kollegen alle Hände voll zutun: Mit Stand vom 31. Januar dieses Jahres hat es seit Beginn der Pandemie insgesamt 14.352 durch den Ordnungsdienst festgestellte Corona-Verstöße gegeben. Den Großteil bildeten Verstöße gegen das Ansammlungs- und Kontaktverbot (4.105) sowie Verstöße gegen das verpflichtete Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung (7.299).

Dennoch müssen sich die Kräfte auch weiterhin mit Ordnungswidrigkeiten beschäftigen, die nichts mit der Corona-Pandemie und den Maßnahmen zu deren Eindämmung zu tun haben: "Da sind die Überstunden stark gestiegen, aber wenn man diesen Job mit Leidenschaft macht, ist das nicht weiter tragisch", so Münch.

100 Strafanträge mit Corona-Bezug im Jahr 2020

Was ihm mehr Sorgen bereite, seien die teilweise aggressiven Reaktionen auf Mitarbeiter des Ordnungsamtes, die im Zuge der Corona-Pandemie zugenommen haben: Insgesamt wurden im vergangenen Jahr 140 Strafanträge wegen Attacken gegen kommunale Mitarbeiter gestellt. Das sind 65 mehr als im Jahr 2019. Von diesen 140 Strafanträgen hatten 100 einen Corona-Bezug, wobei ein Strafantrag mehrere verschiedene Tatbestände, wie Beleidigung und Körperverletzung, beinhalten kann: So hat es beispielsweise 40 Fälle von Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und 55 Fälle von Beleidigung mit Corona-Bezug gegeben. Besonders auffällig aber ist die Anzahl der Körperverletzungen: Von 22 derartiger Taten hatten 18 einen Bezug zu den Corona-Maßnahmen.

Bereits im Juni des vergangenen Jahres hatte die Stadt Köln eine erste Zwischenbilanz zur Arbeit des Ordnungsamtes in Zeiten der Corona-Pandemie veröffentlicht. Aus dem Schreiben der Stadt wird erkenntlich, dass die Mitarbeitenden des Ordnungsdienstes bei Kontrollen der Maßnahmen "vermehrt auf Unverständnis und Uneinsichtigkeit" gestoßen seien: "Das Aggressionspotenzial steigt spürbar", heißt es in der Bilanz der Stadt weiter, "zunächst sind es Drohungen und Beleidigungen, Sachbeschädigungen an Fahrzeugen, bis hin zu tätlichen Übergriffen."

Eine Tendenz, die auch in der zweiten Jahreshälfte 2020 und zu Beginn des aktuellen Jahres nicht abgerissen ist.

"Die Hemmschwelle ist stark gesunken"

Laut Daniel Münch hätte zwar das Gros der Menschen Verständnis für die Maßnahmen, dennoch würden er und seine Kollegen häufig zur Zielscheibe von Anfeindungen und Beleidigungen werden: "Gänzlich neu ist, dass uns Leute grundlos den Mittelfinger zeigen, wenn wir an ihnen vorbeifahren", erzählt er. Nicht immer würde es jedoch bei verschmähenden Gesten und Widerworten bleiben: "Diejenigen, die sich gegen die Maßnahmen und unsere Kontrollen wehren, neigen manchmal zu Gewalt", so der 46-Jährige weiter.

Demnach komme es immer wieder zu tätlichen Übergriffen auf Mitarbeiter des Ordnungsdienstes: "Die Stimmung draußen ist rauer geworden", erzählt Münch, "gemessen an einer Millionenstadt wie Köln ist die Zahl der Vorfälle im Verhältnis aber gering."

Was jedoch sehr stark zugenommen habe, sei die Qualität der Übergriffe: "Die Hemmschwelle ist stark gesunken", weiß der Ordnungshüter, "die Menschen reagieren eher mit Gewalt, als das früher der Fall gewesen ist."

Vermehrt hätten sich so etwa Flaschenwürfe auf Mitarbeiter des Ordnungsamtes, die im Einsatz keinen Helm tragen und den Wurfgeschossen zumeist schutzlos ausgeliefert sind – eine Eskalationsstufe, die so vorher nicht zu beobachten gewesen sei.

Zerstochene Reifen und eingeschlagene Scheiben an Dienstfahrzeugen

Ebenfalls stark gestiegen seien die Fälle von Vandalismus an Dienstfahrzeugen: "Wenn die Kollegen zu ihren Wagen zurückkommen sind etwa die Außenspiegel abgetreten, oder jemand hat auf das Fahrzeug uriniert", erzählt Münch.

In einem Fall sei das betroffene Dienstauto so stark beschädigt worden, dass man es hätte abschleppen müssen: Sämtliche Reifen waren zerstochen, die Scheiben des Autos eingeschlagen und der Kofferraum mit einer stinkenden, ätzenden Flüssigkeit befüllt worden.

Obwohl Daniel Münch selbst schon zum Ziel von Übergriffen und Anfeindungen geworden ist, versteht er die Frustration der Leute, nicht jedoch die Gewaltausbrüche: "Es ist schwierig. Viele Menschen haben ihre Jobs verloren oder sind in Kurzarbeit. Und sie wissen nicht, wie die Zukunft aussieht oder wie lange der Lockdown noch dauern wird". Und weiter: "Aber auch ich mache nur meinen Job. Und auch ich habe Familie und Freunde, die ich nicht sehen darf."

Infektionsrisiko als zusätzliche Gefahr

Sich im Einsatz mit dem Corona-Virus anzustecken, sei für die Mitarbeiter des Ordnungsamtes laut Münch ein zusätzliches Risiko: "Eine Sache, die leider viele vergessen, ist, dass die Kolleginnen und Kollegen und ich auch unsere eigene Gesundheit gefährden."

Immerhin erfordere die Tätigkeit der Mitarbeiter eine gewisse Nähe zu den Menschen. Einige würden dabei ganz gezielt die Gesundheit der Ordnungskräfte aufs Spiel setzen und diese etwa anhusten. In einem Fall wurde dies angezeigt, der Täter wurde vor Gericht zu einer Geldstrafe von 1.200 Euro verurteilt. Münch: "Wir hatten schon Fälle von Mitarbeitern, die sich mutmaßlich im Dienst mit dem Virus infiziert haben, endgültig klären können wir das aber natürlich nicht."

Auch Daniel Münch selbst erkrankte an dem Virus, hatte zum Glück aber einen milden Verlauf und zeigte nur wenige Symptome. Dennoch hat er mit einer anhaltenden Kurzatmigkeit, die aus der Infektion resultiert, bis heute zu kämpfen: "Ich hatte Corona bereits und hoffe immer, dass alle Kolleginnen und Kollegen die Schicht gesund und unversehrt beenden können."

Verwendete Quellen
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