"Wo sind meine drei Millionen?" Drogen-Geiselnahme: Neue Details zu wichtigem Zeugen

Im Prozess um die mutmaßlichen Geiselnehmer von Hürth steht erneut die Aussage einer Geisel im Mittelpunkt. Sie könnte entscheidend für das Urteil sein.
In den Prozessen um den Kölner Drogenkrieg türmen sich die Akten. Tausende von Dokumenten, Vernehmungsprotokollen und Bildern haben sich im vergangenen Jahr angesammelt. Im Prozess um die drei mutmaßlichen Geiselnehmer von Köln sind 22 dieser Seiten entscheidend. Sie dokumentieren die Aussage des Kronzeugen, der die drei niederländischen Angeklagten schwer belastet.
Die Glaubwürdigkeit des Mannes könnte über das Schicksal der drei Beschuldigten entscheiden. Er soll gemeinsam mit vier weiteren Personen Ende Juni 2024 in einer Lagerhalle in Hürth bei Köln festgehalten worden sein. Und er ist der Einzige, der gegenüber der Polizei zu einer Aussage bereit war, unter zwischenzeitlichem Zeugenschutz. Alle vier weiteren Geiseln schweigen bis heute.
Kölner Drogenprozesse: Ermittler spricht über Befragung von Kronzeugen
Ein Kölner Ermittler, der den Kronzeugen zwischen Juli und Oktober 2024 viermal vernommen hatte, sollte am Dienstag (1. Juli) auf Antrag der Verteidigung abermals die Glaubwürdigkeit des Mannes einschätzen. Vor Gericht hatte der Kronzeuge Antworten auf die Fragen der Verteidigung verweigert. Auch in einem parallel laufenden Verfahren macht er bei Rückfragen nur teilweise Angaben.
Die drei Angeklagten sollen den Kronzeugen und vier weitere Geiseln über mehrere Stunden gefangen halten haben. Sie wollten so den Aufenthaltsort von 350 Kilogramm Marihuana herauszufinden. Die Drogen waren kurz zuvor aus der Lagerhalle in Hürth gestohlen worden. Der Kopf der Kölner Drogenbande soll einen "Verräter" in den eigenen Reihen vermutet haben. Denn kurz zuvor war eine Lieferung von insgesamt 700 Kilogramm Marihuana in der Halle angekommen.
"Traumatisch belastet": Geisel geschockt von Vorfällen in Lagerhalle
Der Ermittler, der den jetzigen Kronzeugen vernommen hatte, sagt vor Gericht, die Geiselnahme habe den Mann "traumatisch und psychisch belastet". Und weiter: "Er war laut seinen Angaben an einen Stuhl gefesselt. Man habe ihm damit gedroht, ihm die Zehen abzuschneiden oder ihn mit heißem Wasser zu übergießen."
Außerdem sei er "mehrmals mit dem Tode bedroht" worden. Einer der Geiselnehmer schrie ihn demnach an: "Motherfucker, wo sind meine drei Millionen Euro?" Woher diese Summe kommt, ist unklar. Denn die insgesamt 700 Kilogramm Marihuana sollen laut Staatsanwaltschaft einen Preis von 1,5 Millionen Euro gehabt haben.
Kölner Drogenkrieg: Zweifel an Kronzeugen kommen auf
Es sei allerdings nicht leicht gewesen, dem Kronzeugen zu folgen. Er habe Gedankensprünge gemacht, zwischenzeitlich in den Vernehmungen auch gar nichts mehr sagen wollen. Ein Eindruck, den auch ein Dolmetscher erst vergangene Woche im Zeugenstand bestätigte. Der Kronzeuge spricht nur brüchig deutsch, ansonsten die afghanische Amtssprache Dari.
Die Verteidigung vermutet, dass die Aussage des Mannes nicht verlässlich ist. Sie äußerte indirekt den Verdacht, dass der Mann möglicherweise Taten erfunden habe, um weiter vom Zeugenschutz zu profitieren. Diesen Eindruck konnte bisher seitens der befragten Ermittler nicht bestätigt werden. Auch der Kölner Polizeibeamte teilte die Einschätzung nicht.
Drogenprozesse: Erstes Urteil erwartet
Unklar ist nach wie vor, wie stark das Gericht die Aussage des Kronzeugen gewichtet. Die Beweislast gegen die drei niederländischen Angeklagten ist ohnehin groß. Sie wurden noch an der Lagerhalle festgenommen. Dort wurden Klebeband, Seile und weitere Spuren für eine Geiselnahme entdeckt.
Am Dienstag wurden allerdings mehrere Vorwürfe gegen die drei Angeklagten eingestellt. So beschränkt sich die Anklage nun auf den Vorwurf von drei Geiselnahmen und drei gefährlichen Körperverletzungen. Das Verfahren wegen der zwei weiteren Geiselnahmen wurde dagegen eingestellt. Bei den betroffenen Männern war unter anderem unklar, ob sie gefesselt und verletzt worden waren. Ein Urteil wird voraussichtlich in der kommenden Woche erwartet.
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