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Köln: Doppelbelastung im Lockdown sorgt für Eskalationen in Familien


Häusliche Gewalt in Köln
Doppelbelastung im Lockdown sorgt für Eskalationen

Von Svenja Schlicht

16.02.2021Lesedauer: 3 Min.
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Eine Frau mit Mund-Nasen-Maske (Symbolbild): Jede fünfte Frau in Deutschland hat schon einmal Gewalt durch einen Partner oder Ex-Partner erfahren.Vergrößern des Bildes
Eine Frau mit Mund-Nasen-Maske (Symbolbild): Jede fünfte Frau in Deutschland hat schon einmal Gewalt durch einen Partner oder Ex-Partner erfahren. (Quelle: MiS/imago-images-bilder)

Ob die häusliche Gewalt in der Pandemie zunimmt, ist schwer zu sagen. Beratungsstellen warnen jedoch vor den Folgen der Dauerbelastung für Familien im Homeoffice.

"'Wenn das so weitergeht, rutscht mir die Hand aus‘ – das sagen uns immer wieder Eltern und Partner, die uns anrufen", sagt Anne Rossenbach, die Pressesprecherin des Sozialdienst katholischer Frauen. Bei ihrer Beratungsstelle rufen seit Beginn der Corona-Pandemie täglich überforderte Eltern und Partner an. Gerade, wenn viele Menschen auf engem Raum leben, sei die Not groß.

Die Stadt Köln schreibt auf ihrer Homepage, dass seit Beginn der Pandemie kein Anstieg bei häuslicher Gewalt festzustellen sei, warnt aber vor einer hohen Dunkelziffer. Damit decken sich ihre Einschätzungen mit denen verschiedener Beratungszentren im Raum Köln. "Wir beobachten derzeit zwei Wirklichkeiten“, erklärt Anne Rossenbach. Auf der einen Seite gebe es die häusliche Gewalt, also die anhaltende, systematische Gewalt, bei der es darum geht, Macht auszuüben. Diese sei nach aktuellem Stand nicht angestiegen.

Dauerbelastung ein Problem

Die Stadt Köln warnt jedoch davor, sich auf die stagnierenden Zahlen zu verlassen. Viele Frauen könnten wegen der konstanten Anwesenheit des Partners keine Hilfsangebote wahrnehmen. Anne Rossenbach betont jedoch, dass dies zwar plausibel sei, sich aber derzeit nicht überprüfen ließe.

Was laut Rossenbach jedoch nachweislich zugenommen hat, sei die situative, meist einmalige Gewalt in der Beziehung oder der Familie. "Viele die bei uns anrufen sagen, sie halten die Dauerbelastung nicht mehr aus.“ Gerade durch Homeschooling, Homeoffice und ständige Enge kämen Eltern und Partner an ihre Grenzen. Das sei schlimm, habe aber andere Gründe als systematische Unterdrückung und sei meist eine einmalige Gewalthandlung.

Trennung häufig Gewaltauslöser

"Das Thema ist immer noch sehr mit Scham verbunden“, erklärt Chiara Makowski vom Frauenberatungszentrum Köln. Ob die Frauen aber tatsächlich häusliche Gewalt erfahren, stelle sich meistens erst im Laufe von Gesprächen heraus. Gerade wenn Frauen sich in einer Trennungs- oder Scheidungssituation befänden, höre man häufig von anhaltenden Gewalterfahrungen. Im Frauenberatungszentrum suchen Frauen aus unterschiedlichsten Gründen Hilfe: "Viele Frauen und Mütter leiden besonders unter der Doppelbelastung und der Homeoffice-Situation“, berichtet die Beraterin.

Aber auch Berichte über andere Gewaltformen werden immer häufiger an die Kölner Beratungsstellen herangetragen. "Von psychischer Gewalt höre ich besonders häufig“, berichtet die Sozialpädagogin Christiane Stermann, die wie Anne Rossenbach für den Sozialdienst katholischer Frauen arbeitet. "Einige der Betroffenen beschreiben die andauernden Herabsetzungen, Beleidigungen und Erniedrigungen als schlimmer als Schläge oder Tritte.“ Es sind zu 90 Prozent Frauen, die bei Christiane Stermann Hilfe suchen. Was sie ihnen rät, hängt jedoch stark von deren Situation ab. Wer es sich finanziell leisten könne, habe es leichter, neu anzufangen.

Betroffenen hilft, langsam Selbstständigkeit zurückzugewinnen

"Oft helfe ich den Frauen, sich auf eine Trennung vorzubereiten und für sich selbst einen Trennungszeitpunkt zu definieren“, erläutert Christiane Stermann. Das gäbe vielen ein Gefühl der Kontrolle über ihre Situation zurück. Vor allem, wenn eine sofortige Trennung nicht erwünscht oder Lockdown-bedingt nicht möglich sei. Die Trennungsvorbereitung besteht darin, dass Stermann die Frauen dazu ermutigt, "immer mehr Selbstständigkeit aufzubauen und sich Schritt für Schritt unabhängiger zu machen.“ Das erleichtere den Neuanfang, falls die Situation doch eskaliere. Im Notfall bestünde auch immer die Möglichkeit, an ein Frauenhaus zu vermitteln, aber das lehnten die Betroffenen überwiegend ab.

Gewalterfahrungen in Familie oder Beziehung ziehen sich durch alle sozialen Schichten. Gerade wenn es um Macht und Dominanz geht. Die Expertinnen sind sich jedoch einig: Menschen, die ohnehin finanzielle Sorgen haben, sich die Technik für das Homeschooling nicht leisten können und auf engstem Raum leben, leiden zusätzlich. Auch wer nicht gut vernetzt ist oder schlecht deutsch spricht, findet nur schwer den Weg zu Hilfsangeboten. Besonders für Menschen, die es ohnehin schwer haben, birgt der anhaltende Lockdown Sicherheitsrisiken.

Wenn Sie sich zu Hause nicht sicher fühlen oder befürchten, Sie könnten aufgrund der Dauerbelastung die Kontrolle verlieren, wenden Sie sich an eine der Kölner Beratungsstellen, zum Beispiel an die Gewaltschutzzentren des "Sozialdienstes katholischer Frauen e. V." (Telefon: 0221 / 126950) oder an "Der Wendepunkt – Diakonie Michaelshoven" (Telefon: 0221 / 99564444). Außerdem erreichbar sind der "Agisra e. V. – Beratungsstelle für Migrantinnen und Flüchtlingsfrauen" (Telefon: 0221 / 124019) oder das "Frauenberatungszentrum Köln e. V." (Telefon: 0221 / 4201620).

Verwendete Quellen
  • Telefonat Chiara Makowski, Frauenberatungszentrum Köln e.V.
  • Telefonat Anne Rossenbach, Pressesprecherin Sozialdienst katholischer Frauen
  • Telefonat Christiane Stermann, Sozialpädagogin Sozialdienst katholischer Frauen
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