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Kolonialerbe in Köln: Wißmann- und Gravenreuthstraße sollen umbenannt werden


Kolonialerbe in Köln-Ehrenfeld
Anwohner wollen fragwürdige Straßennamen ändern


21.05.2021Lesedauer: 4 Min.
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Straßenschild an einer Hausecke: Die Gravenreuthstraße ist eine ruhige Anliegerstraße, doch ihr Name zeugt von grausamen Taten in der Vergangenheit.Vergrößern des Bildes
Straßenschild an einer Hausecke: Die Gravenreuthstraße ist eine ruhige Anliegerstraße, doch ihr Name zeugt von grausamen Taten in der Vergangenheit. (Quelle: Michael Hartke)

Noch immer zieren zweifelhafte Personen der Geschichte die Straßen von Köln. In der Wißmannstraße und der Gravenreuthstraße in Ehrenfeld setzen sich deshalb Anwohner für deren Umbenennung ein – doch das gefällt nicht jedem.

Auch heute noch finden sich in Köln viele Spuren aus Deutschlands unrühmlicher Vergangenheit als Kolonialmacht. Straßen, Plätze und Standbilder ehren Menschen, die zur Unterdrückung und Ausbeutung oder gar Tötung ganzer Volksstämme beigetragen haben. Zwei dieser Männer waren Karl Freiherr von Gravenreuth und Hermann von Wissmann. Beide haben gemeinsam in der damaligen Kolonie Deutsch-Ostafrika einen Aufstand der Einheimischen niedergeschlagen.

Gravenreuths Truppe soll außerdem Menschen aus dem Kamerun versklavt haben. Wissmanns Truppe werden Exekutionen, Säuberungsaktionen und Plünderungen in afrikanischen Dörfern vorgeworfen. Trotzdem zieren ihre Namen noch heute zwei Straßen in Ehrenfeld.

Manchen Anwohnern stößt das sauer auf, sodass sie sich schon seit einigen Jahren für die Umbenennung der beiden Straßen einsetzen. In anderen deutschen Städten mit nach Wissmann benannten Straßen hat die Umbenennung schon geklappt: Im Berliner Bezirk Neukölln beispielsweise wurde 2020 eine Umbenennung der Wissmannstraße in Lucy-Lameck-Straße beschlossen.

Lucy Lameck (1934-1993) war die erste Frau in einem tansanischen Regierungskabinett. Sie brachte Frauenrechte in Tansania voran und war eine wichtige Unterstützerin der panafrikanischen Idee. Auch im Bezirk Grunewald soll die dortige Wissmannstraße einen neuen Namen bekommen.

Umbenennung hätte Folgen

Einer, der diesen Prozess in Köln lange Jahre begleitet hat, ist der ehemalige Bezirksbürgermeister von Ehrenfeld, Joseph Wirges. Er begrüßt das Engagement ausdrücklich. "Es ist wichtig, dass sich die Bürger selbst dafür einsetzen, wenn sie nicht in einer Straße mit dem Namen eines Menschen, der Blut an den Händen hat, wohnen wollen“, sagt er.

Alle Bürger müssten da mitentscheiden. Das Ganze hätte schließlich Folgen. Ausweisdokumente, Visitenkarten und die Adressen bei Banken und der Krankenkasse müssten geändert werden. Manche Änderung kostet sogar Geld. Wirges' Forderung: "Es muss ein einmütiges Votum geben. Sonst geht das nicht." Wichtig ist ihm aber auch, die Geschichte nicht auszulöschen, sondern sie in den geschichtlichen Kontext zu setzen. Zum Beispiel könnten Mahntafeln seiner Meinung nach auf die Gräuel der Kolonialzeit aufmerksam machen.

Auch Dennis Egbuta findet es gut, dass das Thema diskutiert wird. Er ist selbst Nigerianer, studiert "Culture and Environment in Africa" an der Uni Köln und findet, es solle einen Wandel geben, der diese Straßen sozusagen "reinigt". Dafür schlägt er vor, die Straßen nach Menschen zu benennen, die sich gegen die Kolonialmächte und für die Rechte der Einheimischen eingesetzt haben. Außerdem könnte man den unterdrückten Nama und Herero, die in Deutsch-Südwestafrika Anfang des 20. Jahrhunderts Opfer eines Völkermords durch die deutsche Kolonialmacht wurden, Straßen widmen. Damit bleibe der geschichtliche Kontext gewahrt.

Anwohner sind geteilter Meinung

Der ist vielen Anwohnern des Ehrenfelder Wohnviertels gar nicht mal so bewusst. Angesprochen auf die Umbenennung der Wißmannstraße, fragen viele nach den Gründen. Auch deshalb sind die Meinungen geteilt. "Je nachdem, wie lange man in einer Straße wohnt, hat das ja auch mit Identifikation zu tun“, meint Dominik (49). Daher plädiert er eher für Erklärungstafeln, die den Kontext erläutern.

Andere, wie der 52-jährige Sinan, würde der Name stören, wenn er in der Wißmannstraße wohnen würde: "Ich würde nicht gerne mit diesem Namen zu tun haben“, bekräftigt er. Auch der 30-jährigen Mutter Tina ist es wichtig, dass Straßen nicht Namen von Verbrechern tragen. Dafür würde sie sogar einen großen bürokratischen Aufwand in Kauf nehmen.

Den fürchtet ein anderer Anwohner, der direkt von der Umbenennung betroffen wäre, aber anonym bleiben will. Er hat die Diskussion um die Umbenennung seiner Straße hautnah mitbekommen. Flyer und große Plakate seien in der Gegend verteilt worden, die den Rassismus der Kolonialzeit mit dem Schicksal des US-Amerikaners George Floyd vermischt hätten, erzählt er ziemlich erregt.

Die Debatte hält er für überzogen, obwohl er um die schlimmen Taten des Hermann von Wissmann weiß, "die Liste der Wissmanns ist aber lang und solange auf dem Schild nicht Hermann-von-Wissmann-Str. steht, ist mir das egal", argumentiert er. Für ihn sei das blinder Aktionismus und wenig durchdacht.

Mirko (48) wohnt auch in der Wißmannstraße und hat sich trotz seiner gespaltenen Meinung an der Unterschriftenaktion für die Umbenennung beteiligt: "Einerseits finde ich, dass jemandem, der die Kolonialisierung in Afrika vorangetrieben hat, heute keine Straße mehr gewidmet wird. Trotzdem kann man sich aber auch nicht vor der Geschichte verstecken." Auch die Linksfraktion in Köln setzt sich deshalb dafür ein, dass alle Namen und Denkmäler auf ihren Bezug untersucht und klassifiziert werden, sagt ihr kulturpolitischer Sprecher Jörg Kobel.

Stadt will Benin-Bronzen zurückgeben

Vor der Geschichte verstecken will sich auch die Stadt Köln nicht. In ihrem Besitz befinden sich 94 höfische Kunstwerke aus dem Königreich Benin im heutigen Nigeria, die allesamt von den Kolonialmächten geraubt wurden. Im Moment sind sie noch im Rautenstrauch-Joest-Museum untergebracht. Bald sollen sie aber zurückgegeben werden. Darauf haben sich Kölns Kulturdezernentin Susanne Laugwitz-Aulbach und Nanette Snoep als Direktorin des Rautenstrauch-Joest-Museums mit Kulturstaatsministerin Monika Grütters geeinigt.

Die Vereinbarung sieht vor, dass die Herkunft aller sogenannten Benin-Bronzen transparent gemacht wird, man sich intensiv mit Nigeria über die Rückgabe der Kunstwerke austauscht und nach der Rückgabe über Ausstellungen der Bronzen in Deutschland verhandelt wird.

Dieses Vorgehen würde auch Dennis Egbuta freuen. Er fände es gerecht, wenn Deutschland auch Zugang zu den Kunstwerken hätte: "Für mich gehört so etwas zum Welterbe. Das sollte nicht nur einem Land gehören."

Verwendete Quellen
  • Gespräche mit Anwohnern
  • Gespräche mit Joseph Wirges und Dennis Egbuta
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