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Carolin Kebekus über Kirchenskandale: "Ich kann das alles nicht fassen"


Carolin Kebekus
"Was muss noch in der Kirche passieren?"

  • Lena Kappei
InterviewVon Lena Kappei

Aktualisiert am 27.05.2021Lesedauer: 8 Min.
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Carolin Kebekus: Die Komikerin liebt den derben Humor, doch gerade beschäftigen sie vor allem ernste Themen.Vergrößern des Bildes
Carolin Kebekus: Die Komikerin liebt den derben Humor, doch gerade beschäftigen sie vor allem ernste Themen. (Quelle: WDR)

Die "Carolin Kebekus Show" startet in ihre zweite Runde. Die Kölnerin mit dem derben Humor nimmt sich mittlerweile der großen gesellschaftlichen Themen wie Rassismus, Feminismus und der Kirchenskandale an.

Am morgigen Donnerstag (ARD, 22.50 Uhr) startet die zweite Staffel der "Carolin Kebekus Show". Die Kölnerin ist für ihren derben Humor bekannt, doch mittlerweile sind es vor allem ernste Themen wie Rassismus und Feminismus, denen sie mit ihrer Bekanntheit eine Bühne geben will.

Was sie sich von Armin Laschet wünschen würde, warum sie Frauen ein Buch gewidmet hat und wieso ihr beim Thema Kirche oft auch die Worte fehlen, erzählt sie im Interview.

t-online: Erst kürzlich haben Sie den Grimme-Preis für "Die Carolin Kebekus Show" bekommen. Wo wird die Auszeichnung bei Ihnen stehen?

Carolin Kebekus: Das weiß ich noch gar nicht.

Vielleicht auf dem WC, wie es von Künstlern oft erzählt wird?

Nee, da stehen bei mir die Comedy-Preise, da ist kein Platz. (lacht)

Was bedeutet Ihnen eine solche Auszeichnung?

Der Preis ist die Bestätigung dafür, dass unsere Arbeit in die richtige Richtung geht. Mein Team und ich haben jetzt natürlich alle dicke Eier! Für uns Fernsehmenschen gibt es nichts, was noch über dem Grimme-Preis steht. Ich freue mich besonders, dass es in unserem Fall eine Auszeichnung für das Team ist. Wegen Corona kann ich ja leider nicht auf Tour sein. Ich gehöre zu den privilegierten Künstlern, die dann aber sagen können: Mache ich eben Fernsehen. Das ist nicht selbstverständlich. Normalerweise leben Künstler davon, dass am Abend einige Hundert Zuschauer zum Auftritt kommen.

Die Corona-Pandemie hat vielen Menschen zugesetzt. Haben Sie sich auch mal einsam gefühlt?

Das nicht. Aber ich habe sonst ein einsames Leben, wenn ich auf Tour bin. Ich bin zwar mit einer großen Crew unterwegs. Aber nach einem Auftritt vor 7.000 Leuten ist man dann plötzlich allein im Hotelzimmer. Während der Pandemie habe ich dann viel mehr Zeit mit der Familie verbracht. Ich hoffe aber sehr, dass wir alle bald endlich wieder auf die Bühnen dürfen und durchgeimpft unsere Freiheiten zurückbekommen. Die ganze Kulturbranche braucht einen Push.

Was erwartet die Zuschauer in der zweiten Staffel Ihrer WDR-Show?

Ich darf wieder meine Band im Studio haben und es werden coole Gäste kommen, darunter Kurt Krömer und Mai Thi Nguyen-Kim. Wir werden uns in jeder Sendung einem größeren Thema widmen, zum Beispiel Fußball. Müssen wir das überhaupt noch gucken oder kann man auf andere Sportarten umschwenken?

Auch die Kirche wird weiterhin Thema sein?

Ja. Als im März das Gercke-Gutachten für das Erzbistum Köln veröffentlicht wurde, habe ich gedacht: Schade, dass wir gerade nicht auf Sendung sind. Der Woelki wird da ja sicher zurücktreten. Damit habe ich mich ganz schön vertan. Manch einer könnte sagen: Die Kebekus macht schon wieder Kirche, reicht jetzt auch. Nein, die drängen sich mir wirklich auf, ich kann gar nicht anders. Ich stehe manchmal sehr ratlos vor der ganzen Kirchenthematik.

Haben die Skandale etwas an Ihrem Glauben verändert?

Ich bin zwar aus der Kirche ausgetreten, aber sehe mich weiterhin als Katholikin. Die Kirche begleitet mich mein ganzes Leben. Ich fühle mich auch der Bewegung Maria 2.0 sehr verbunden. Wenn man liest, wie die Lage zum Missbrauchsskandal ist, was in den Gutachten steht, welche Akten nicht herausgegeben werden und wie aktiver Täter- statt Opferschutz betrieben wird, da raucht einem echt der Kopf! Ich kann das alles nicht fassen und weiß manchmal nicht, wo ich eigentlich mit der Kritik anfangen soll.

Was würden Sie Kardinal Woelki persönlich gerne sagen wollen?

Alles, was ich ihm sagen wollen würde, ist ihm schon gesagt worden. Er wird immer wieder mit guten Fragen konfrontiert, wo er ins Schwimmen kommt. Ich weiß, dass es innerhalb der Kirche durchaus einige Leute gibt, die ein echtes Interesse an Veränderung haben. Viele Priester und Kleriker sagen bereits: "Wir können nur überleben, wenn wir komplett auspacken. Wir müssen alles auf den Tisch legen und neu starten, wir brauchen Reformen und dürfen nicht mehr so frauenfeindlich und homophob sein." Das ganze System muss hinterfragt werden, das die Missbräuche überhaupt möglich gemacht hat.

Was muss Ihrer Ansicht nach noch passieren?

Die Bischöfe und Kardinäle in die Verantwortung zu nehmen, bringt nichts. Das haben wir jetzt gesehen. Dass so viele Menschen aus der Kirche austreten und keiner mehr Priester werden will, ist denen alles scheißegal. Ich habe das Gefühl, da kommt gar nichts an. Die katholische Kirche hat gezeigt, dass sie es allein nicht schafft. Also sehe ich hier besonders die Parteien, die das "C" im Namen tragen, in der Pflicht. Mich würde interessieren, was denn noch passieren müsste, dass ein Herr Laschet sagt: Also jetzt ist das Maß voll!

Ist es für Sie als Kölnerin besonders schmerzhaft, dass es die Stadt bei der Kirchenproblematik so getroffen hat?

Ja, das ist total schlimm für mich. Einerseits sind wir so eine tolerante und weltoffene Stadt. Andererseits hat man das Gefühl, dass das Erzbistum die Aufklärung am wenigsten vorantreibt. Das ist für die Kölner aber auch nicht verwunderlich. Köln hat nie ein gutes Verhältnis zu seinem Erzbischof gehabt. Allein der frühere Erzbischof Kardinal Joachim Meisner war regelmäßig Zielscheibe der Kölner Stunksitzung. Offenbar hatten die ein gutes Näschen. Mit der Aktensammlung "Brüder im Nebel" über Missbrauchstäter hat er viel unter Verschluss gehalten.

Neben Themen wie der Kirche und Sexismus ist es Ihnen auch wichtig, über Rassismus zu sprechen.

Ich finde, dass man gerade als deutsche Künstlerin die Reichweite nutzen muss, um Rassismus zu bekämpfen. Das habe ich schon in meiner frühesten Jugend mitbekommen. Damit meine ich keine Schuld, sondern Verantwortung. Wir wissen in diesem Land, was passieren kann. Wir Deutschen haben eine besondere Verantwortung beim Thema Rassismus. Wir müssen den Leuten zuhören, die es betrifft.

So entstand die Idee zum "Brennpunkt" in Ihrer Show?

Ja. Wir sind sehr dankbar für die ganzen Kolleginnen und Kollegen, die da noch mal über ihre Rassismuserfahrungen gesprochen haben. Ich stelle es mir nämlich wahnsinnig ermüdend vor, wenn man ständig den weißen Kolleginnen und Kollegen von diesen schmerzhaften Erlebnissen erzählen muss!

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Sind Comedians da in einer besonderen Pflicht, über Themen wie Rassismus zu sprechen?

Ich kann verstehen, dass das nicht für alle passt. Manch einer sagt: Ich kann mich als meine Bühnenfigur dazu nicht äußern. Aber für mich ist das selbstverständlich, dass man sich klar positioniert. Egal, ob ich dafür Applaus bekomme oder nicht.

Sind Sie in Ihrer Arbeit ernster geworden?

Ja klar. Ich stehe seit 20 Jahren auf der Bühne. Da passiert natürlich eine Entwicklung. Ich bin die, die damals Ghetto-Witze gemacht hat. Aber Gott sei Dank entwickle ich mich weiter. Würde ich immer noch dieselben Witze von damals machen, wäre das doch schrecklich. Je älter man wird und je mehr man weiß, desto mehr berühren einen auch andere Themen. Vor 20 Jahren habe ich mich gar nicht für Politik interessiert. Das ist in der heutigen jungen Generation ja schon anders, die sind da sehr politisch. Mit 21 hätte ich allenfalls gewusst, wo es einen Meter Kölsch günstig gibt!

Gerade sind Sie 41 geworden. Für Schauspielerinnen ist das Alter ein präsentes Thema, gerade bei Rollenangeboten. Beschäftigen Sie sich mit dem Alter?

Eigentlich ist es für mich nie ein Thema gewesen. Ich fand es schon immer komisch, dass man als Frau nicht nach dem Alter gefragt werden darf. Für viele ist ja schon die 30 richtig schlimm. Als ich 30 wurde, dachte ich nur: Wie geil ist das denn? Ich bin ja immer noch derselbe Mensch wie mit 15 und so alt ist das gar nicht. Und dann bin ich 40 geworden und dachte: Ich habe vor keinem Alter mehr Angst. Im Kopf ist man ja nie so ein abgestellter Opa. Ein Gefühl zu einem Alter hat sich mir nie bestätigt. Für Schauspielerinnen ist das aber ein Riesenthema. Rollen über 40 werden einfach nicht geschrieben. Und alle Rollen über 50 spielt eh Iris Berben. Aber ich habe meine eigenen Inhalte und kann bestimmt noch bis ich 50 bin auf die Bühne und mir mein Publikum erspielen. Ich habe da ein anderes Verfallsdatum.

Nun haben Sie auch ein Buch mit dem Titel "Es kann nur Eine geben" geschrieben. Wie kam es dazu?

Ich habe das Gefühl, es gibt immer nur Platz für eine Frau, egal in welchem Bereich. Das fängt schon im Kindergarten beim Krippenspiel an. Da hat schon damals meine Kindergärtnerin gesagt: Wisst ihr denn schon, wer die Maria spielen wird? Wir Mädchen mussten also kämpfen, da wurde geheult, weil man nicht drankam. Es gab ja keine andere coole Rolle, nicht mal den Engel, der hieß ja Gabriel. Also wurden alle anderen Mädchen Schafe. Da sind wir untergegangen. Das Thema geht dann weiter bei den Schlümpfen. Es gibt ein Schlumpfdorf mit hundert Männern und einer Schlumpfine. Jeder Mann hat einen Charakter, Schlumpfine ist nur eine Frau, die gerne heulend wegrennt. Eine erfolgreiche Frau nimmt unheimlich viel Platz ein. Das hat mich echt beschäftigt.

Auch in der eigenen Arbeit?

Ja. Volker Herres sagte mal, es gebe nicht so viele Moderatorinnen. Dann wurde argumentiert, wir hätten doch so viele Frauen, gerade im Kabarett. Die Kebekus oder die Maren Kroymann zum Beispiel. Naja gut, aber Kroymann läuft im Schnitt viermal im Jahr und meine Sendung achtmal. Es entsteht der Eindruck: Wenn es eine Frau gibt, ist die so groß und nimmt tierisch viel Platz ein! Was de facto aber nicht so ist. Mir sagte mal ein Kollege: "Mensch Caro, als du angefangen hast, hast du ja auch wirklich Glück gehabt!"

Wie meinte er das?

Das fragte ich dann auch. Er meinte: "Als du angefangen hast, auf die Bühne zu gehen, hast du doch voll Glück gehabt, dass da keine andere Frau war." Krass, ich bin angeblich also nur deshalb hier, weil es keine andere Frau gibt. Dieser Gedanke hat mich lange begleitet, sodass ich bald eine Nummer daraus gemacht und nun dieses Buch geschrieben habe.

In der Comedy-Szene sind Sie eine der erfolgreichsten Künstlerinnen in Deutschland.

Da könnte ich auf der einen Seite sagen: Seht ihr, Mädels? Es ist ganz einfach, an die Spitze zu kommen, man braucht keinen Feminismus! Wir müssen uns nicht verschwestern. Fakt ist aber: Ich hatte lange Zeit keine Chance, in eine Mixed-Show zu kommen. Mit zunehmender Popularität wurde ich dann immer genommen und keine andere Frau hatte mehr eine Chance. In einer Comedy-Show mit fünf Männern nimmt man nur eine Frau, also war ich das dann immer. Und habe damit anderen Frauen den Platz weggenommen. So entwickelt man eine völlig unnötige Konkurrenz unter Frauen.

Können Frauen diesen Modus irgendwann hinter sich lassen?

Wenn wir Frauen uns dessen bewusst werden, glaube ich ja. Aber es ist schon komisch, dass man automatisch ein blödes Gefühl bekommt, sobald es eine Kollegin gibt, die einem ähnlich ist. Könnten wir uns nicht eher fördern? Das wäre doch viel cooler. Zum Glück vernetzen sich Frauen heute viel mehr als früher. Der Anfang ist also gemacht.

Verwendete Quellen
  • Interview mit Carolin Kebekus
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