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Kölner Hausarzt sauer: "Wir führen die Priorisierungen strickt weiter durch"


Ende der Priorisierung
Hausarzt sauer: "Haben nicht genug Impfstoff für alle"

InterviewVon Dierk Himstedt

Aktualisiert am 07.06.2021Lesedauer: 4 Min.
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Drei Personen hinter der Rezeption: Eine Kölner Praxis kommt wegen der Corona-Impfungen nicht zur Ruhe.Vergrößern des Bildes
Drei Personen hinter der Rezeption: Eine Kölner Praxis kommt wegen der Corona-Impfungen nicht zur Ruhe. (Quelle: Dierk Himstedt)

Impftermine für alle: Ab dem heutigen Montag wird die Reihenfolge bei der Corona-Impfung aufgehoben. Das sorgt für noch mehr Stress in den Praxen

Bisher galten in Deutschland Priorisierungslisten, nach denen ausgewählt wurde, wer zuerst eine Impfung gegen das Coronavirus erhält. Da Impfstoff knapp war, wurden zunächst besonders gefährdete Menschen geimpft. Das ändert sich nun: Ab Montag steht die Corona-Impfung "jedem, der dies möchte, offen", erklärte die Bundesregierung.

Einen großen Andrang auf Impftermine gibt es schon jetzt. Geimpfte sind nicht nur vor Corona geschützt, sondern werden auch von vielen Corona-Beschränkungen befreit. Wenn sich nun jeder impfen lassen kann, könnte der Ansturm auf die Termine noch größer werden – und den Druck für diejenigen erhöhen, die die Impfung anbieten. Einer von ihnen ist der Kölner Hausarzt Peter Kreuz.

Kreuz schaut mit Sorge auf die kommenden Tage. Er ist sauer, weil nach wie vor zu wenig Corona-Impfstoff an die Impfpraxen geliefert wird. Mit der Aufhebung der Priorisierung werden die Telefone bei seinen Mitarbeitern im Stadtteil Mülheim noch heißer laufen als bisher schon, befürchtet er.

t-online: Herr Kreuz, wie ist die augenblickliche Lage nach Ihrer Einschätzung?

Peter Kreuz: Wir haben ein super tolles Impfzentrum in Deutz, mit gut geschultem Personal. Aber wir haben aktuell nicht genug Impfstoff. In den Praxen bekommen wir nächste Woche keinen zusätzlichen Impfstoff geliefert. Und ab Montag, 7. Juni, haben wir offiziell keine Priorisierung mehr und dann sollen wir auch noch zusätzlich die jungen Leute impfen. Aber wenn man nichts zum Impfen hat, habe ich mit diesen Entscheidungen ein Problem. Mich macht das auch langsam richtig sauer, weil ich es einfach nicht nachvollziehen kann, wieso in Deutschland trotz Biontech und Co. immer noch viel zu wenig Impfstoff ankommt.

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Und was machen Sie dann?

Wir werden unseren Stiefel durchziehen: Sprich wir haben eine Liste mit rund 400 Patienten, die wir ausgewählt haben, weil sie aufgrund ihres Alters oder ihrer Vorerkrankungen bevorzugt geimpft werden sollten. Wir führen also die Priorisierungen strickt weiter durch und wer nicht dran ist, muss halt weiter warten. Da lassen wir mit uns auch nicht diskutieren. Und die meisten meiner Patienten haben dafür auch Verständnis.

Wie stellt sich die Situation in Ihrer Praxis dar?

Wir haben jetzt fast eineinhalb Jahre Pandemie, dann der durchgängige Mangel an Impfstoff, natürlich auch die Probleme in der Praxisorganisation, weil sich die Regeln und Anweisungen für uns praktisch wöchentlich ändern. Letzte Woche zum Beispiel mussten wir über 150 Impfpatienten absagen, die bereits einen Termin hatten, weil plötzlich kein Impfstoff geliefert wurde. Das heißt für uns rund 200 Telefonate. Ein riesen Aufwand für meine Angestellten. Darunter leiden auch unsere eigentlichen hausärztlichen Leistungen für unsere kranken Patienten. Das treibt uns Ärzte natürlich um.

Was ärgert Sie denn aktuell besonders?

Es rufen eben auch Leute bei uns an, die noch lange nicht dran sind, geimpft zu werden, und versuchen zu tricksen. Klar, junge Leute wollen eine Impfung bekommen, um wieder mehr Freizeitaktivitäten nutzen zu können, vielleicht wollen sie in den Urlaub oder die Großeltern besuchen. Arbeitgeber wollen ihre Angestellten in bestimmte Kategorien stecken lassen, damit sie früher ihre Impfung bekommen – wo man sich fragt, muss man die jetzt vorziehen. Alles zwar verständlich, aber zum jetzigen Zeitpunkt kontraproduktiv, weil es zu viel unserer Zeit in Anspruch nimmt.

Welche Auswirkungen hat die Lage für Ihre Angestellten?

Da kann ich Ihnen ein aktuelles Beispiel aus meiner Praxis nennen. Eine Angestellte von mir hat jetzt gekündigt, weil sie sich den Stress nicht mehr antun will. Diese Dauerbelastung über eineinhalb Jahre hinterlässt Spuren. Sie stehen permanent unter Druck, dauernd geht das Telefon. Und natürlich müssen meine Mitarbeiter auch deutlich mehr Stunden kloppen.

Gibt es auch hässliche Situationen?

Eigentlich nicht. Ich habe bald mein 30-jähriges Bestehen als praktizierender Arzt. Die Leute kennen mich. Da kann einer auch mal ein bisschen komisch reagieren und sich ein bisschen im Ton vergreifen, das wird nicht nachgetragen. Aber die wissen ganz genau, dass es dann auch eine entsprechende Antwort darauf gibt.

Wie blicken Sie auf die kommenden Wochen?

Wir Hausärzte können nicht alle Impfanfragen erfüllen. Das schaffen wir nicht. Also benötigen wir weiter die Impfzentren, aber auch die Betriebsärzte und weitere Möglichkeiten – vor allem, wenn mal genug Impfstoff vorhanden sein wird.

Nur mit mehreren Angeboten bekommen wir es hin, bis zum Spätsommer alle Impfwilligen zu impfen. Die Belastung muss gleichmäßiger sein, sodass der Impf-Termindruck aus den Praxen herauskommt. Ein Rückbau der Impfzentren hilft da aktuell jedenfalls nicht. Und wenn die Politik trotzdem meint, das geht auch ohne die Zentren, dann sollen sie sich mal auf den Weg machen und mit den Ärzten vor Ort in den Praxen sprechen.

Wie sollen Impfwillige in den kommenden Tagen und Wochen vorgehen?

Jeder soll sich an seinen Hausarzt oder an die örtlichen Impfzentren halten. Es kann nicht sein, dass sich Leute bei 10, 20, 30 verschiedenen Arztpraxen für eine Impfung anmelden wollen und damit die Telefonleitungen blockieren. Und wenn man woanders eine Impfung bekommt, dann nicht anrufen, sondern bitte per Mail Bescheid sagen, dass wir sie von der Liste nehmen können. Bei der Zweitimpfung ist es so, dass man nach der Erstimpfung schon einen Termin für die zweite bekommt und von uns noch mal telefonisch erinnert wird. Und bitte den persönlichen Impfpass mitbringen.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Peter Kreuz
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