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Kölner Mieterchef zur Wohnungspolitik: "Die Wut der Betroffenen nimmt zu"


Kölner Mieterchef zur Wohnungspolitik
"Die Wut der Betroffenen nimmt zu"


27.06.2021Lesedauer: 3 Min.
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Franz Corneth, Vorsitzender des Kölner Mietervereins, mit einem "Miethai" bei einer Aktion gegen Wohnungsnot und Mietensteigerungen: Die angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt kann laut Corneth zu "gesellschaftlichem Sprengstoff" führen.Vergrößern des Bildes
Franz Corneth, Vorsitzender des Kölner Mietervereins, mit einem "Miethai" bei einer Aktion gegen Wohnungsnot und Mietensteigerungen: Die angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt kann laut Corneth zu "gesellschaftlichem Sprengstoff" führen. (Quelle: Hans Jörg Depel/Mieterverein Köln)

Die Mieten steigen und Wohnungen werden knapp: Die Wohnpolitik in Köln läuft in die falsche Richtung, findet auch Franz Corneth, Vorsitzender des Mietervereins. Seit Anfang der Woche rennen ihm die Kölnerinnen und Kölner den Laden ein und bitten verzweifelt um Rat.

Seit diesem Montag ist die Geschäftsstelle des Kölner Mietervereins wieder geöffnet, nachdem sie Corona-bedingt mehrere Monate geschlossen war. Vorsitzender Franz Corneth berichtet über einen Ansturm Ratsuchender. Die Situation spitze sich wegen der aus seiner Sicht verfehlten Wohnungspolitik in Köln immer mehr zu.

"Die Wut der Betroffenen nimmt zu", sagt Corneth, der als Vorsitzender des Mietervereins Mitglieder in mehr als 67.000 Kölner Haushalten vertritt. In Köln fehlten Wohnungen, trotzdem wollten immer mehr Menschen in die Stadt ziehen. In den vergangenen zehn Jahren seien die Mieten bereits um fast 40 Prozent gestiegen. Die Entwicklung der Gehälter habe da nicht ansatzweise mitgehalten. "Krankenschwestern, KVB-Fahrer, Polizisten oder Monteure können sich nicht mehr leisten, nahe an ihrem Arbeitsplatz in Köln zu wohnen", sagt Franz Corneth.

"Ein Drittel der Kölnerinnen und Kölner zahlt 40 Prozent und mehr nur für Miete"

Nach einer aktuellen, bundesweiten Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung sollte man nicht mehr als 30 Prozent seines Einkommens für das Wohnen ausgeben. Sonst drohten soziale Probleme. "Vor 20 Jahren haben wir noch gesagt, es dürfen nicht mehr als 20 Prozent sein", erinnert sich Corneth: "Heute zahlen ein Drittel der Kölnerinnen und Kölner sogar 40 Prozent und mehr ihres Einkommens nur für die Wohnungsmiete."

Das sei das Ergebnis einer "verfehlten Wohnungspolitik" im Kölner Rathaus. Es würden immer weniger neue Wohnungen gebaut, obwohl diese dringend gebraucht würden und es häufig Beschlüsse gegeben habe, das Problem endlich anzugehen. "Trotzdem hatten wir im Jahr 2020 ein Rekordtief beim Neubau", sagt Corneth. Wohnungspolitik sei Wirtschaftspolitik: Für Unternehmen sei es ein wichtiges Argument bei der Standortwahl, ob die Mitarbeitenden nahe an ihren Büros wohnen könnten. Sei das nicht der Fall und Firmen entschieden sich gegen Köln, wirke sich das unter anderem durch geringere Gewerbesteuern direkt auf die Einnahmen der Stadt aus.

Hinzu komme, dass die Menschen das Geld, das sie für Miete aufwenden, nicht mehr im Kölner Einzelhandel oder in der Gastronomie ausgeben könnten. Außerdem zögen viele ins Umland und seien darauf angewiesen, mit dem Auto in die Stadt zu pendeln – was wiederum der aktuellen Verkehrspolitik im Rathaus widerspreche, die den Individualverkehr reduzieren wolle.

"Menschen kündigen aus Verzweiflung ihre Lebensversicherungen"

Um den Ansturm der Ratsuchenden zu bewältigen, hat der Kölner Mietverein sein professionelles Team aufgestockt. Zusätzlich zu den bisher schon 20 Juristinnen und Juristen wurden in diesem Jahr zwei weitere eingestellt. Hauptprobleme seien Streitigkeiten um Nebenkosten, aber zunehmend auch drastische Mieterhöhungen nach Sanierungen.

"Da wird gerne mal geklotzt – und die Mieterinnen und Mieter bezahlen nahezu jeden Preis, damit sie nicht gekündigt werden." Der Bundesgerichtshof habe entschieden, dass das bereits möglich sei, wenn man einen Monat die Miete schuldig geblieben sei: "Wir haben Fälle auf dem Tisch, in denen die Menschen aus Verzweiflung ihre Lebensversicherungen kündigen, um regelmäßig ihre Miete zahlen zu können."

Es gebe in der Stadt schon 5.000 Wohnungslose und 3.000 Obdachlose, so Corneth: "Wo soll das noch hinführen?" Die Entwicklung bedeute "gesellschaftlichen Sprengstoff", so der Vorsitzende des Mietervereins: "Ich möchte nicht erleben, dass sich die Wut der Bürgerinnen und Bürger entlädt wie vor einigen Jahren in Paris, wo es in den Vorstädten gewalttätige Ausschreitungen gab."

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Franz Corneth
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