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Köln: Im "Café Selenskyj" können Ukraine-Geflüchtete wieder lachen


Sicherer Hafen in Köln
Im "Café Selenskyj" können Ukraine-Geflüchtete wieder lachen

Von Greta Spieker

Aktualisiert am 17.05.2022Lesedauer: 4 Min.
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Besucher des Café Selenskyj halten eine ukrainische Flagge: Das Café in der Bagatelle Bar öffnet jeden Sonntag für ukrainische Geflüchtete seine Türen.Vergrößern des Bildes
Besucher des Café Selenskyj halten eine ukrainische Flagge: Das Café in der Bagatelle Bar öffnet jeden Sonntag für ukrainische Geflüchtete seine Türen. (Quelle: Dominik Sommerfeld/t-online)

Im Café Selenskyj treffen sich Menschen, die aus der Ukraine nach Köln geflüchtet sind. Das Café ist Ausflugsziel und Rückzugsort – aber das Reden über die Heimat fällt schwer.

Eine Menschenmenge tummelt sich vor den offenen, bodentiefen Fenstern der Bagatelle Bar in der Kölner Südstadt. Kinder rennen lachend durch die Masse, laute Musik schallt von draußen auf die Straße. Wer vorbei läuft, fragt sich, ob hier der neue Hotspot der Stadt zu finden ist.

Wer genau hinhört, stellt fest, dass die Menschen, die sich so zahlreich vor der Bagatelle Bar versammeln, ukrainisch sprechen. Sie sind wegen des "Café Selenskyj" hier.

Das Café ist ein Treffpunkt für ukrainische Geflüchtete, organisiert vom Verein "seiSTARK", der KG Ponyhof, der Bagatelle Bar und dem Brauhaus Johann Schäfer. Geöffnet ist es jeden Sonntagabend von 17:00 bis 21:00 Uhr.

Köln: Im Café Selenskyj erinnert nichts an den Krieg

Die Idee für das Café Selenskyj entstand vor ein paar Wochen, erzählt Emitis Pohl, Geschäftsführende Vorsitzende von seiSTARK. Hintergrund sei vor allem der Wunsch gewesen, etwas für junge Leute aus der Ukraine zu machen.

Am wichtigsten sei in der Planung gewesen, dass sich die Menschen vernetzen können und die jungen Leute einen Ort zum "Chillen" haben.

Wer in den Keller des Cafés geht, findet eine Oase für Jugendliche. Hier sind die jungen Ukrainerinnen und Ukrainer ganz unter sich: sie hören laut Musik, unterhalten sich und tanzen – ein Zufluchtsort, an dem nichts an die grauenvolle Situation in ihrer Heimat erinnert.

Projekt ist vollständig durch Spenden finanziert

In der Vorbereitung und Organisation des Cafés habe man keine Probleme mit der Stadt gehabt, erzählt Pohl. Aber die Organisatoren hoffen sehr, bald Fördermittel von der Stadt zu erhalten.

Denn bisher wird das "Café Selenskyj" vollständig durch Spenden und freiwillige Helferinnen und Helfer getragen: "Ohne die ehrenamtliche Hilfe würden wir das gar nicht schaffen!", so die Organisatorin.

Pro Sonntagabend belaufen sich die Kosten auf etwa 5.000 Euro bei ungefähr 200 Besuchern. Das kulinarische Angebot wird einfach gehalten: Es gibt Kuchen, Pommes und Wurst und natürlich Getränke. Die Menschen sitzen zusammen, trinken Kölsch oder Wein und genießen die Auszeit.

"Die Deutschen sind sehr nett zu uns"

Tatjana ist 39, Arina ist 16 und beide kommen aus Dnipro, der viertgrößten Stadt der Ukraine im Süden des Landes. Die beiden kannten sich vorher nicht, aber konnten durch das "Café Selenksyi" schnell eine enge Beziehung zueinander aufbauen.

Auf die Frage, wie es Ihnen geht sagen die beiden "super!"
Dazu leiste vor allem das Café einen großen Beitrag: Sie kommen wegen der guten Atmosphäre, wegen ihrer Landsleute. Wenn Sie hier sind, würden sie vor allem neue Leute kennenlernen.

Aber auch in Deutschland generell gefällt es den beiden: "Uns gefällt es sehr gut hier, Deutsche zeigen uns die Stadt. Die Deutschen sind sehr nett zu uns." Zwar mussten sie ihr Leben hier neu aufbauen, aber sie bekämen viel Unterstützung von Freunden aus Deutschland.

Das Reden über die Heimat fällt schwer

Ob und wann sie in die Ukraine zurückkehren werden, wissen sie noch nicht. Vor allem weil sie nicht wissen, ob es noch Orte geben wird, in die sie zurückkehren können. Auf jeden Fall nicht bevor der Krieg nicht vorbei sei, sagt Arina. Es könne jederzeit eine Bombe fallen und ihr Ende bedeuten.

Tatianas Mann ist mit ihr in Deutschland. Das Paar hat drei Kinder und ist direkt bei Kriegsausbruch aus der Ukraine geflohen. Arina musste ihren Vater und ihre Schwester zurücklassen, da die beiden in der ukrainischen Polizei arbeiten.

Trotz aller Zufriedenheit, ein Angebot wie das "Café Selenksyj" nutzen zu können, merkt man den beiden Frauen an, dass es ihnen schwerfällt, über ihre Heimat zu sprechen.

Die meisten Gäste wollen "einfach abschalten"

Das Café diene vor allem als Ort der Ruhe und zum Ankommen, erzählt Pohl. Man kenne sich mittlerweile untereinander und das Café habe ich sich zu einer Art Networking-Veranstaltung entwickelt für die Ukrainerinnen und Ukrainer.

Gleiches erzählt auch Elke Frank vom KG Ponyhof. Die Menschen seien unendlich dankbar, einen Ort zu haben, an dem sie sich in Sicherheit treffen können. Die meisten würden gar nicht über den Krieg oder Politik sprechen wollen, sondern einfach abschalten, erklärt sie.

Geflüchtete aus der Ukraine: Zerrissen zwischen zwei Welten

Olena ist mit ihren zwei Söhnen aus Kiew nach Deutschland geflohen. Köln gefalle ihr sehr gut, besser als Berlin, scherzt sie. Köln sei etwas lebendiger und freundlicher. Ins "Café Selenskyj" komme auch sie, um sich mit anderen Geflüchteten auszutauschen und ihre Freunde zu treffen. Es sei einfach schön hier, wie sich die Deutschen kümmern würden.

Ihre Söhne sind elf und 13 Jahre alt. In der Theorie könnten die beiden online aus der Ukraine unterrichtet werden, aber man habe keinen Laptop, um dies zu tun, erzählt die junge Mutter. Zurzeit bemühe sie sich, dass ihre Söhne wieder in die Schule gehen können.

Ob sie in die Ukraine zurückkehren will, wisse sie noch nicht. Die junge Frau ist sichtlich zwischen den Welten zerrissen. Zwischen der Sicherheit, die sie mit ihren Söhnen in Deutschland hat und der Tatsache, dass ihr Mann noch immer in der Ukraine ist.

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Kritik an Ungleichbehandlung von Geflüchteten

Die Organisatoren des Cafés sehen sich auch Sticheleien ausgesetzt, erzählt Pohl. Es gebe vor allem Kritik, warum es solch ein Angebot nicht auch für Syrer und Afghanen gegeben habe.

Emitis Pohl ist selbst Deutsch-Iranerin und hört die Kritik von allen Seiten. Das Angebot sei übertrieben, warum die ukrainischen Geflüchteten alles bekämen und ähnliches. Die Kritik prallt an ihr ab. Ihrer Meinung nach liegt die enorme Unterstützung für die Geflüchteten vor allem an der Nähe zum Land und der Situation.

Zu viel zu tun, zu wenige Freiwillige

Aber ebenso wie 2015 seien die Ehrenamtler auch jetzt am Limit. Es gebe zu viel zu tun und zu wenige Ehrenamtler, sagt Pohl.

Die größte Hoffnung für die Zukunft des "Café Selenskyj" liegt widersprüchlicherweise darin, dass es bald schlichtweg nicht mehr gebraucht wird: "Wir hoffen natürlich, dass der Krieg bald vorbei ist und die armen Menschen wieder zurückkehren können. Das ist unsere erste Hoffnung", sagt sie.

Verwendete Quellen
  • Besuch vor Ort
  • Gespräche mit Emitis Pohl und Besuchern des Café Selenskyj
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