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Bayern verbietet Gendern: Eine sinnvolle Entscheidung? – Pro & Kontra


Bayern verbietet geschlechtersensible Sprache
Ein Sieg gegen niemanden

Pro & KontraVon Sarah Koschinski, Io Görz

19.03.2024Lesedauer: 1 Min.
Interview
Was ist ein Pro & Kontra?

Die subjektive Sicht zweier Autoren auf ein Thema. Niemand muss diese Meinungen übernehmen, aber sie können zum Nachdenken anregen.

imago images 0441251562Vergrößern des Bildes
Lesekasten aus der Grundschule, mit Gendersternchen und dem Wortanhang *innen. Gendergerechte Sprache wird im Freistaat an Schulen verboten. (Quelle: IMAGO/Wolfgang Maria Weber/imago)

Am Dienstag hat das bayerische Kabinett die Änderung einer Verordnung beschlossen, um geschlechtersensible Sprache in bayerischen Behörden und Schulen zu verbieten.

In einer Sitzung des Kabinetts wurde beschlossen, die bestehende Regelung, die deutsche Rechtschreibung im amtlichen Schriftverkehr anzuwenden, zu ergänzen. Dies sei eine "ergänzende Klarstellung", wie die Staatskanzlei in München verlauten lässt.

"Das gilt unabhängig von etwaigen künftigen Entscheidungen des Rates für deutsche Rechtschreibung zu der Frage der Verwendung von Sonderzeichen", teilte die Staatskanzlei weiter mit. Wichtig sei es, dass niemand Nachteile erleide, wenn er oder sie keine geschlechtersensible Sprache verwende.

Das Thema geschlechtersensibler Sprache unter Verwendung von beispielsweise Gendersternchen, Doppelpunkt oder Unterstrich polarisiert die Gesellschaft. Immer wieder gibt es Vorstöße, durch Verbote und Regelungen auf die Art und Weise zu schreiben, einzuwirken. So gelten in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein Genderzeichen in der Schule als Rechtschreibfehler. In amtlicher Kommunikation wird dort auf Sonderzeichen verzichtet.

Nun geht Bayern ebenfalls diesen Schritt und verschärft an Behörden, Hochschulen und Schulen das Verbot von geschlechtersensibler Sprache durch Sonderzeichen.

Ist die Entscheidung des bayerischen Kabinetts ein sinnvoller Schritt? Ein Pro & Kontra.

Pro
Sarah KoschinskiRedakteurin Regio München

Kommunikation ist Wirkung, nicht Absicht

Ein Genderverbot an bayerischen Schulen, Hochschulen und Behörden – darauf hat sich die bayerische Landesregierung am Montag geeinigt. Staatskanzleichef Florian Herrmann begründet die Entscheidung damit, dass Sprache klar und verständlich sein sollte. Und das ist sie, solange nicht gegendert wird.
Bayerische Behörden arbeiten schon jetzt am Anschlag, die Mitarbeiter drohen in Arbeit zu versinken. Mancherorts wurden bereits Telefone abgestellt. Die, so heißt es, würden zu sehr von der Sachbearbeitung ablenken. Und dann sollen aber Sprechpausen beim Wort Bürger*innen eingelegt werden und Anschreiben am besten noch mit "Liebe Bürgerinnen und Bürger" beginnen? Hört sich nach mehr bürokratischem Aufwand anstatt nach weniger an.

Schüler*innen, Student:innen oder welche Formen des Genderns es sonst noch gibt, führen einfach nur zu Verwirrung. Wen schließe ich ein oder besser aus, wenn ich mit Sternchen statt mit Doppelpunkt gendere? Viele bayerische Schüler haben schon Probleme mit dem generischen Maskulin. Wie sollen sie sich da noch während des Aufsatzes Gedanken machen, wie sie am besten alle möglichen Geschlechter in ihren Text inkludieren?

Als Frau habe ich mich nicht benachteiligt gefühlt, wenn während einer Vorlesung an der Uni die Rede von einem Forscherteam oder Ähnlichem die Rede war. Natürlich ist dies ein subjektives Empfinden. Zugleich ist es aber auch unstrittig, dass die gewohnte männliche schlichtweg die einfachere Form ist. Viel komplizierter wäre es, davon zu sprechen, dass ein Team aus Forscherinnen und Forschern etwas herausgefunden hat. Der Inhalt bleibt am Ende derselbe und darum geht es doch auch. Alle nur möglichen Geschlechter einzubeziehen mag gut gemeint sein, lenkt jedoch vom Wesentlichen ab.
Und wenn es der sowieso schon schwierigen deutschen Sprache dabei hilft, ein wenig ihrer Komplexität zu verlieren, indem das kürzere, aber dafür männliche Wort gebraucht wird – sehr gerne. Unsere Gesellschaft wird nicht toleranter oder inklusiver, weil die bayerischen Behörden, Schulen und Hochschulen ihre Sätze und ihre Arbeit komplizierter machen, indem sie alle Geschlechter bei ihrer Sprache einbeziehen.
Stattdessen geht es doch darum, jeden in seiner Andersartig- und Einzigartigkeit zu unterstützen – und das in allen Lebensbereichen. Eine Verkomplizierung der deutschen Sprache ist hierbei nicht die Lösung, sondern vielmehr das Problem.

Kontra
Io GörzStellv. Redaktionsleiterin Regionalredaktion

Ein Sieg gegen einen Gegner, der gar nicht existiert

In Bayern ist man stolz auf die "Liberalitas Bavariae", also gelebte Toleranz. Scheinbar ist man so stolz darauf, dass man dort nun direkt ein Verbot ausspricht. Klingt absurd und widersinnig? Nicht für die bayerische Regierung, die dazu sogar eine Änderung der Allgemeinen Geschäftsordnung für die Behörden des Freistaates Bayern (AGO) beschlossen hat.

Man wolle all jene vor Nachteilen schützen, die auf geschlechtersensible Sprache verzichten. Die Erzählung von angeblich schlechteren Noten aufgrund fehlender Gendersternchen hatte zuletzt Bayerns Wissenschaftsminister Markus Blume (CSU) bemüht. An Hochschulen im Freistaat weiß man davon nichts, fast scheint es so, als würde die bayerische Regierung hier gegen Phantome in den Kampf ziehen.

Nicht besonders viel Schutz genießt man dagegen in Bayern, wenn man als Lehrkraft versucht, geschlechtersensibel zu sprechen oder zu schreiben. Die Ansage gegen das Gendern wurde überdeutlich und kämpferisch formuliert, unklar ist aber, ob es Strafen gibt und wie diese aussehen werden.

Bei aller Schwammigkeit in Bezug auf Konsequenzen drängt sich der Verdacht auf, die CSU-Regierung will einfach auf der populistischen Anti-Gender-Welle mitschwimmen. Mit viel Säbelrasseln und rhetorischem Getöse einen Beschluss zu verabschieden, verspricht billige Wählerstimmen ohne viel Aufwand. Echte Bildungspolitik für mehr Chancengleichheit für alle Geschlechter würde deutlich mehr Aufwand bedeuten, auch finanziell.

Stattdessen kommt aus München nur populistischer Ideologiebrei für die nächste Bierzeltrede statt echter Perspektiven. Währenddessen steigt auch in Bayern die Gewalt gegen queere Personen, und Frauen sowie Personen außerhalb des binären Geschlechterspektrums bleiben weiter gewollt unsichtbar. Dafür kann sich das bayerische Kabinett einen Sieg gegen einen Strohmann ans Revers heften, für den sich am Ende des Tages niemand etwas kaufen kann.

 
 
 
 
 
 
 

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