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Aus Personalnot? Flughafen Nürnberg setzt auf Ex-Drogensüchtige


Außergewöhnliches Konzept
Aus Personalnot? Flughafen Nürnberg setzt auf Ex-Drogensüchtige

  • Meike Kreil
Von Meike Kreil

Aktualisiert am 01.06.2022Lesedauer: 3 Min.
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Stefan (links) und Oliver sorgen am Flughafen Nürnberg für Ordnung in den Parkhäusern. Ein besonderes Projekt der Mudra-Drogenhilfe.Vergrößern des Bildes
Stefan (links) und Oliver sorgen am Flughafen Nürnberg für Ordnung in den Parkhäusern. Ein besonderes Projekt der Mudra-Drogenhilfe. (Quelle: Christian Albrecht/Flughafen Nürnberg)

Ehemalige Drogenabhängige unterstützen den Flughafen Nürnberg neuerdings als Hilfskräfte. Liegt der Grund etwa in der Personalnot, die derzeit viele Branchen beklagen? Was hinter der außergewöhnlichen Kooperation steckt.

Immer wieder freitags streifen Oliver und Stefan ihre knallgelben Warnwesten über. Gegen 8 Uhr bereiten sie ihre Wägelchen vor – frische Mülltüten, Kehrbesen, Zange. Dann drehen die beiden für vier Stunden ihre Runde, Stockwerk für Stockwerk. Dank ihnen sind die Parkhäuser am Albrecht-Dürer-Airport Nürnberg sauber.

Das hier sei eine gute Chance, erklärt Stefan. Früher war er alkoholabhängig. Nun sei er beinahe trocken – nur noch ab und zu gebe es ein Bier, erzählt er. Bei der Arbeit gilt freilich die 0,0-Politik, Alkohol verboten. Das ist die Regel bei der Alternativen Jugend- und Drogenhilfe Nürnberg, kurz: Mudra. Der Verein hat den beiden den Tagesjob vermittelt.

Stefan sagt, er wolle den begleiteten Job als Plattform dafür nutzen, um irgendwann im ersten Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Sein Traumberuf: Schreiner. Den habe er mal gelernt, aber wegen seiner Sucht nie ausgeführt.

Mudra und Flughafen Nürnberg kooperieren seit einem halben Jahr

Die Mudra-Drogenhilfe kooperiert seit einem halben Jahr mit dem Flughafen. Einmal in der Woche entsendet der Verein zwei Tagesarbeiter, die bei den Parkplätzen für Ordnung sorgen. Es geht immerhin um 10.000 Stück, das schaffen die zwei Festangestellten vom Parkservice nicht mehr allein.

Steckt hinter der neuen Kooperation etwa Personalmangel? Viele Branchen klagen derzeit über Personalnot – vor allem der Service. Und auch der Flughafen hat unter Corona schwer gelitten. 82 Mitarbeiter verließen das Unternehmen während der Pandemie – in einem Freiwilligenprogramm, wie die Verantwortlichen betonen. Nun, da es wieder aufwärts geht, muss erneut Personal her. 140 Leute hätten sie zuletzt neu eingestellt. Das erklärt Klaus Dotzauer, der Geschäftsführer der Flughafen Service GmbH, im Gespräch mit t-online.

Die Arbeit im Flughafeninneren unterliegt strengen Zulassungsbeschränkungen. Wer im Sicherheitsbereich arbeiten will, muss durch einen strengen Check der Behörden.

Wieso also setzt der Flughafen – zumindest im Außenbereich – auf solch ungewöhnliche Arbeitskräfte wie Stefan und Oliver? Auch sie sollen eine Chance erhalten, antwortet Dotzauer. "Das hat sich immer gut bewährt", erzählt er. So habe es in der Vergangenheit schon eine Kooperation mit der Noris-Arbeit (NOA) gegeben, einer Vermittlung für Langzeitarbeitslose. Daraus sind laut Dotzauer jahrzehntelange feste Arbeitsverhältnisse entstanden.

Ehemalige Abhängige vor der Urlaubskulisse

Wie ist das für Mudra-Kräfte, vor der Kulisse des Flughafens zu arbeiten? Vor ihnen heben die Flieger gen Mallorca ab, während sie für den Mindestlohn den Dreck der Urlauber wegräumen. "Das ist okay", antwortet Oliver bescheiden und blickt auf den Boden. Wenngleich Stefan auch gerne mal wieder wegfliegen würde: "Am liebsten nach Dänemark." Jahrzehntelang habe er keinen Urlaub mehr gemacht, das Geld floss in den Alkohol.

Oliver sagt, er habe einen anderen Traum: Er wolle seinen Führerschein machen. Den habe er wegen seiner Sucht damals verloren. "Danach ging’s immer weiter bergab" – auch weil seine Arbeit als Baugeräteführer daran hing. Lange sei er süchtig nach Amphetaminen gewesen. "Seit 15 Jahren bin ich komplett drogenfrei – mit Rückfällen", sagt er.

Endlich "etwas mit den Händen machen"

Wie schwer fällt ihm die Arbeit, die Routine? Oliver, der zwei Töchter hat, schüttelt den Kopf: "Überhaupt nicht." Ans Frühaufstehen habe er sich gewöhnt. An den vier anderen Werktagen ist er in einer Brennholzproduktion beschäftigt, seit mittlerweile drei Jahren – ebenfalls von Mudra organisiert. "Harte Arbeit, aber ich kann etwas mit den Händen machen." Sie gebe ihm Perspektive.

Wie wichtig das ist, weiß auch Tobias Abraham: Als Bereichsleiter der beruflichen Integration bei der Mudra weiß er, wie schwierig es für die ehemaligen Abhängigen in der Arbeitswelt ist. Da gehe es im ersten Schritt oft darum, ihnen grundlegende Tugenden wie Pünktlichkeit (wieder) anzueignen. Deren Jobs seien deshalb niederschwellig. Der Kerngedanke seit 1980: Drogenhilfe soll nicht bevormunden, sondern Hilfesuchenden die Hand reichen.

Flughafen Nürnberg erwartet zu Pfingsten Vor-Corona-Niveau

Zu Pfingsten erwartet der Airport 240.000 Fluggäste – das ist Vor-Corona-Niveau, heißt es in einer Mitteilung. Ist das Unternehmen dafür ausreichend personell aufgestellt? Im Flughafen Köln/Bonn zum Beispiel kommt es schon vor der Hauptreisezeit zu langen Warteschlangen vor den Schaltern, weil die Kräfte fehlen.

In Nürnberg sind im operativen Bereich noch etwa 30 Stellen offen, erklärt Dotzauer. Dann sind am Flughafen etwa 1.000 Kräfte fest oder geringfügig angestellt.

Es werden Leute unter anderem für den Check-in oder den Passagierservice gesucht. Deshalb könne es an den Hauptreisetagen zu Verzögerungen kommen, heißt es. "Es wird spannend." Der Flughafen bittet deshalb in seiner Pressemitteilung, ausreichend Zeit einzuplanen. So massiv wie in Köln/Bonn werde es aber nicht, dort würden ganz andere Dimensionen herrschen.

Verwendete Quellen
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