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Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.WM-Kampf in der Formel 1 Diese Sätze offenbaren sein größtes Problem

Erneut muss sich Lando Norris beim Rennen in Miami in einem Duell mit Max Verstappen geschlagen geben. Seine Aussagen danach lassen tief blicken.
Es waren Szenen, die Lando Norris leider viel zu bekannt vorkommen dürften. Als sich der McLaren-Pilot beim Großen Preis von Miami am vergangenen Sonntag an einem Überholmanöver gegen Weltmeister Max Verstappen versuchte, hatte er mal wieder das Nachsehen. Norris setzte direkt nach dem Start zu dem Überholversuch auf der Außenbahn der zweiten Kurve an, doch Verstappen nutzte seine bessere Position auf der Innenseite eiskalt und drängte Norris kurzerhand von der Strecke. Statt die Führung zu übernehmen, fiel der Brite bis auf Platz sechs zurück. Der Rennsieg war schon nach zwei Kurven außer Reichweite.
Dass Verstappen genauso handeln würde, hätte Norris dabei durchaus wissen können. Schließlich erlebte er derartige Manöver des Weltmeisters bereits zuhauf. Als Ex-Champion Jenson Button Norris nach dem Rennen genau deshalb nach der Sinnhaftigkeit des Manövers fragte, sagte Norris nur: "Wenn ich es versuche, beschweren sich die Leute, wenn ich es nicht versuche, beschweren sich die Leute, du kannst nicht gewinnen."
Es sind genau diese Sätze, die Lando Norris' größtes Problem im Kampf um die Weltmeisterschaft offenbaren: Er lässt Kritik zu nahe an sich heran.
Norris lebt in Angst vor der Kritik
Mit seinen Aussagen gab Norris quasi zu, dass er in dem Moment, in dem er im Auto auf der Strecke eine Entscheidung trifft, bereits darüber nachdenkt, ob er später dafür kritisiert werden könnte. Es sind keine Aussagen, die ein Rennfahrer trifft, der Vertrauen in seine eigenen Fähigkeiten und Instinkte hat. Stattdessen scheint Norris in permanenter Angst vor der nächsten Kritik zu leben.
Dass er sich damit selbst im Weg steht, wurde am Sonntag einmal mehr deutlich. Besser hätte er sich in den ersten Kurven lediglich in Position gebracht, um an einer günstigeren Stelle der Strecke zu überholen. Stattdessen sah sich Norris offensichtlich gezwungen, es direkt zu versuchen, um womöglich hinterher nicht als Feigling dazustehen, der sich nicht traut, mit Verstappen in den Zweikampf zu gehen.
Norris geht offen mit mentalen Problemen um
In der Tat wurde Norris in der Vergangenheit häufiger für seine zu passive Herangehensweise in Zweikämpfen, insbesondere mit Verstappen, kritisiert. Die Kritik rührt auch daher, dass Norris offen mit seinen mentalen Problemen umgeht, zuletzt etwa große Nervosität zugab, die ihm vor den Rennen sogar das Essen und Trinken schwer mache. In der Formel 1, die nach wie vor als Haifischbecken gilt und immer noch von einem recht archaischen Männerbild geprägt ist, werden derartige Aussagen häufig noch mit Schwäche gleichgesetzt.
An dieser Stelle sei deutlich gesagt: Norris wegen seines offenen Umgangs mit seinen mentalen Problemen in eine "Weichei-Ecke" zu stellen, ist vollkommen überholt. Dennoch – oder vielleicht sogar gerade deshalb – muss er einen Weg finden, derartige Kritik an sich abprallen zu lassen, auch wenn das leichter gesagt als getan ist.
Verstappen ist Kritik vollkommen egal
Denn seine Konkurrenten um den WM-Titel, allen voran Max Verstappen und Teamkollege Oscar Piastri, halten sich mit ihren Kritikern nicht lange auf. Verstappen, seines Zeichens viermaliger Weltmeister, brachte schon mehrfach zum Ausdruck, dass ihn die Meinung anderer nicht besonders interessiert. Als er etwa im Rahmen des England-Rennens von den Fans auf den Tribünen aufgrund seiner Rivalität zu dem Briten Lewis Hamilton ausgebuht wurde, sagte er dazu lediglich: "Vielleicht mögen einige von ihnen mich nicht. Das ist in Ordnung. Sie haben alle ihre eigene Meinung. Mich interessiert das nicht." Über Kritik an einem seiner berühmten Wutausbrüche am Boxenfunk sagte er an anderer Stelle: "Die können sich alle verpissen."
Norris' Teamkollege und Konkurrent im WM-Kampf Oscar Piastri hält sich mit derartigen verbalen Rundumschlägen zwar zurück, zeigt aber auf der Strecke, dass er grundsätzlich ähnlich eingestellt ist. So fuhr Piastri im vergangenen Jahr auch dann noch harte Manöver gegen seinen Teamkollegen, was diesen wichtige Punkte kostete, als nur Norris noch realistische Chancen auf den WM-Titel hatte. Dass er sich mit diesem Mangel an Teamarbeit sogar Kritik von Fans seines eigenen Rennstalls einhandelte? Es war ihm egal. Er wollte lieber Rennen gewinnen.
Es ist genau diese Einstellung, die es Verstappen und Piastri erlaubt, auf der Strecke einen kühlen Kopf zu bewahren und die Entscheidung zu treffen, die für sie den meisten Nutzen hat. Sie vertrauen ihrem Instinkt und scheren sich nicht um Kritik. Nicht umsonst konnte Piastri bereits vier der sechs Saisonrennen gewinnen und führt die WM mit nun 16 Punkten Vorsprung vor seinem Teamkollegen an, der seinerseits erst einen Rennsieg auf dem Konto hat.
Woche für Woche und damit immer wieder aufs Neue zu beobachten, wie der hochtalentierte Norris mögliche Rennsiege aus reiner Unsicherheit wegwirft, ist nicht nur für Norris-Fans, sondern auch für neutrale Beobachter, die sich einen spannenden WM-Kampf erhoffen, zum Verzweifeln. Will sich Norris den Traum vom WM-Titel erfüllen, muss er sich von dem Gedanken verabschieden, es allen recht machen zu wollen, und sich stattdessen ausschließlich auf sich selbst konzentrieren.
- Eigene Meinung und Beobachtungen