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Xhaka, Mehmedi, Drmic: Fußballer aus der Schweiz heiß begehrt


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Fußballer aus der Schweiz: "inzwischen ein Gütesiegel"

t-online, Sebastian Schlichting

Aktualisiert am 13.07.2015Lesedauer: 4 Min.
Die Gladbacher Granit Xhaka (li.) und Yann Sommer jubeln.Vergrößern des Bildes
Die Gladbacher Granit Xhaka (li.) und Yann Sommer jubeln. (Quelle: Sven Simon/imago-images-bilder)
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Fußballer aus der Schweiz sind heiß begehrt in der Bundesliga. Auch in dieser Transferperiode. Sie stellen inzwischen die mit Abstand größte Zahl an ausländischen Spielern. Ueli Kägi ist Sportchef der großen Zeitung "Tages-Anzeiger" aus Zürich. Der 42-Jährige beschäftigt sich seit 15 Jahren für die Zeitung mit dem Schweizer und internationalen Fußball. Kägi spricht über das Nachwuchssystem, den Stellenwert der Bundesliga und Probleme im Schweizer Fußball.

t-online.de: Herr Kägi, die Schweiz könnte in der Bundesliga fast einen kompletten Kader stellen. Wo würde diese Mannschaft in der Bundesliga-Tabelle landen, wenn alle gemeinsam in einem Team spielen?
Ueli Kägi: In der Defensive hätte sie wohl keine größeren Probleme – schon angesichts von vier hervorragenden Torhütern.

Wovon aber immer nur einer spielen könnte.
Leider. Ich denke, die Mannschaft würde im Mittelfeld dabei sein, vielleicht sogar etwas höher.

Die Schweiz boomt seit einigen Jahren in der Bundesliga. Momentan stehen knapp 20 Schweizer in Deutschland unter Vertrag. Wo liegen die Gründe?
Zum einen liegt es an der räumlichen Nähe. Wir haben größtenteils dieselbe Sprache. Das macht es einfacher. Zudem hat die Schweiz seit rund 20 Jahren ein sehr gutes Nachwuchskonzept mit professionellen Strukturen. Dadurch gibt es immer mehr Talente, die so viel Qualität haben, dass sie für Bundesligisten interessant werden.

Beim DFB war der Auslöser für eine Umstrukturierung im Nachwuchs das EM-Desaster im Jahr 2000. Und in der Schweiz?
Zwischen 1966 und 1994 war die Nationalmannschaft nicht bei der WM. Es musste sich etwas ändern – und zwar grundlegend. Wir sind ein kleines Land, da muss man das Maximum rausholen und die talentierten Spieler früh erkennen. Kleinheit fördert Innovation.

Und Innovation bringt Erfolge, wie besonders der Titelgewinn bei der U17-WM 2009 gezeigt hat. Wodurch zeichnet sich das Nachwuchssystem aus?
Es wurden Anreize für die Vereine geschaffen. Wer im Nachwuchsbereich mit professionellen Strukturen arbeitet, erhält Fördergelder. Aber das ist nur die eine Seite. Die Klubs haben längst verinnerlicht, dass Jugendförderung ein wichtiges Geschäftsmodell ist. Auch für Zweitligisten wie den FC Winterthur. Ein eher kleiner Verein, der beispielsweise Admir Mehmedi hervorgebracht hat…

Der jetzt von Freiburg nach Leverkusen gewechselt ist. Wie sieht das von Ihnen angesprochene Geschäftsmodell aus?
Die Liga ist klein, die Zuschauerzahlen sind abgesehen vom FC Basel, den Young Boys Bern oder Ausreißern nach oben beim FC St. Gallen nicht sehr hoch. Der Ertrag durch den Verkauf der TV-Rechte ist auch überschaubar. Also müssen die Vereine andere Einnahmequellen finden, zum Beispiel durch regelmäßige Transfers in die Bundesliga.

Hat sich dadurch die Art der Berichterstattung geändert?
Die Bundesliga war schon immer wichtig bei uns. Einfach, weil sie die Bundesliga ist und weil es in vielen Haushalten immer schon dazugehört hat, die Sportschau zu gucken. Jetzt spielt die Schweizer Komponente mit rein: Setzt sich Josip Drmic in Gladbach durch? Was macht Roman Bürki in Dortmund? Was unsere Zeitung angeht, sind wir natürlich immer mal wieder bei Spielen, bei denen viele Schweizer auflaufen. So wie Freiburg gegen Gladbach in der vergangenen Saison. Oder wir reisen zu Valentin Stocker nach Berlin.

Wie wird der regelmäßige Strom Richtung Bundesliga in der Schweiz wahrgenommen?
Natürlich hätten es die Fans gern, wenn die besten Schweizer in der eigenen Liga spielen. Aber die Leute wissen auch, dass das unrealistisch ist. Viele freuen sich und sind auch stolz, dass inzwischen so viele Schweizer in Deutschland sind. Nehmen wir nur einmal Fabian Schär als aktuelles Beispiel: Er kam aus der zweithöchsten Liga und war weitgehend unbekannt, ist dann beim FC Basel von Null auf Hundert durchgestartet, hat Champions League gespielt, wurde Nationalspieler und wechselt jetzt mit 23 nach Hoffenheim. Eine außerordentliche Entwicklung. Fußballer aus der Schweiz – das ist inzwischen schon ein Gütesiegel.

Bis in die 90er Jahre war das ganz anders. Kaum ein Schweizer hat sich in der Bundesliga durchgesetzt. Warum?
Sicherlich lag es an der nicht so ausgereiften Talenteförderung. Außerdem war der Fußball noch nicht so global, Vereinswechsel waren seltener und es ließ sich ja auch in der Schweiz sehr gutes Geld verdienen. Sonst wäre Karl-Heinz Rummenigge bestimmt nicht zu Servette Genf gegangen.

Dann holte Ottmar Hitzeld 1991 Stephane Chapuisat von Bayer Uerdingen zu Borussia Dortmund.
Da haben anfangs viele die Nase gerümpft. Chapuisat hat aber mit seinen Leistungen in Dortmund den Weg geebnet für die Anerkennung des Schweizer Fußballs in Deutschland. Genau wie später Ciriaco Sforza. Diese Spieler haben bewiesen, dass Schweizer in der Bundesliga mithalten können.

Welchen Anteil hat Gladbachs Trainer Lucien Favre an der gestiegenen Wertschätzung des Schweizer Fußballs in Deutschland?
Einen sehr großen. Er hat einen ungemein guten Ruf. Vor allem auch, was die Arbeit mit jungen Spielern angeht. Es ist kein Zufall, dass Granit Xhaka unter ihm einen solchen Sprung gemacht hat oder dass sich Yann Sommer für Gladbach entschieden hat.

Momentan spielen neben Sommer drei andere Schweizer Torhüter in Deutschland. Generell sind es häufiger Torhüter oder Abwehrspieler, die sich durchsetzen.
Im Tor gab es in den letzten 30 Jahren nie Probleme. In der Abwehr bewegt sich der Schweizer Fußball auf den Außenpositionen nah an der Weltklasse, auch durch Wolfsburgs Ricardo Rodriguez. Der Fußball bei uns krankt am ehesten im Sturm, seit Alex Frei aufgehört hat. Wir haben zu wenig Torschützen. Vielen fehlt die Konstanz. Das trifft auch auf Mehmedi oder Frankfurts Haris Seferovic zu. Die treffen manchmal drei Spiele in Folge und dann fünf Mal gar nicht. Wobei wir uns nicht zu sehr beschweren sollten. Die Schweiz war bei den letzten großen Turnieren immer dabei. Das ist nicht selbstverständlich für ein Land mit gut acht Millionen Einwohnern.

Für die U21-EM im Juni war die Schweiz nicht qualifiziert. Auch in anderen Jahrgängen gab es zuletzt Rückschläge. Gibt es Probleme im Nachwuchs?
Das sind meines Erachtens normale Wellenbewegungen. Andere Länder sind mittlerweile bei der Talentförderung auf einem ähnlichen Weg wie die Schweiz. Sie haben erkannt, was mit vergleichsweise kleinen Mitteln erreichbar ist.

Das Interview führte Sebastian Schlichting

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