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Union Berlin steht nach Champions-League-Auslosung vor Zerreißprobe


Auslosung der Champions League
Jetzt hat Union Berlin den Salat

  • Steven Sowa
MeinungVon Steven Sowa

Aktualisiert am 02.09.2023Lesedauer: 4 Min.
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Unionfans in Europa: Diesmal geht es für den Hauptstadtclub in der Champions League auf Reisen.Vergrößern des Bildes
Unionfans in Europa: Diesmal geht es für den Hauptstadtklub in der Champions League auf Reisen. (Quelle: IMAGO/Matthias Koch)

23 Jahre Durststrecke sind vorbei: In der Hauptstadt läuft wieder Champions League. Union Berlin begeistert die Massen – und steht doch vor einer Zerreißprobe.

Es hat keine 24 Stunden gedauert und schon waren 40.000 Tickets für die Champions League vergriffen. Zwischendurch rauschten die Server unter der Last der zahlreichen Zugriffe auf die Website, über Stunden konnten gar keine Karten für die drei Gruppenspiele im Berliner Olympiastadion gekauft werden. So groß war und ist die Euphorie rund um diesen Bundesligaklub aus der Hauptstadt.

Die Rede ist, natürlich, von Union Berlin. Erstmals in der Geschichte des Klubs gibt es diese Saison die Königsklasse im rot-weißen Gewand. Die Auslosung am Donnerstag um 18 Uhr in Monaco hat ergeben, dass die Berliner gegen den SSC Neapel, Real Madrid und Sporting Braga spielen. Spektakel und ekstatische Europapokalnächte winken. Ein Hype ist entfacht und schon jetzt ist sicher: Es wird voll im größten Stadion der Hauptstadt – doch gerade da droht eine Gefahr.

"Kannste mich ma kneifen"

Die Elite des europäischen Klubfußballs gegen die Zweikampfwunder von Trainer Urs Fischer. Für Union-Fans klingt das alles nach einem Traum. Worte wie "Ick kann dit nicht fassen" oder "kannste mich ma kneifen" wabern seit dem Aufstieg im Jahr 2019 durch die Luft, wenn die Anhänger der "Eisernen" mit ungläubiger Miene über ihren Verein sprechen. Erst recht jetzt: Champions League, unfassbar, so der allgemeine Tenor.

Die Realität ist ein echtes Brett: Eine Gruppe mit dem mit Stars gespickten Champions-League-Rekordsieger Real Madrid, dem italienischen Meister Neapel und dem unbequemen Braga. Fest steht: Die Hauptstadt wird Fußball der Extraklasse geliefert bekommen. Vermutlich werden Millionen weltweit das erste Mal Union Berlin live in Action erleben.

Doch bei aller Euphorie ist die Champions League auch eine Zerreißprobe für den Klub – ganz abgesehen vom sportlichen Drahtseilakt, unter der Woche gegen ein spanisches Topteam mit einem Marktwert von knapp einer Milliarde Euro zu spielen und am Wochenende den Ligaalltag beim 1. FC Heidenheim bewältigen zu müssen. Vielmehr ist ein anderes Thema für Union Berlin gefährlich – und das hat viel mit dem Spielort zu tun, an dem nun dienstags oder mittwochs die CL-Hymne ertönt.

Die Festung Alte Försterei fehlt als Faustpfand

Das Olympiastadion ist vielen Unionern ein Dorn im Auge. Die historische Gelegenheit, Champions League zu spielen, wird vom baulichen Rahmen getrübt. Das hat weniger mit Stadtrivale Hertha BSC zu tun, der am gleichen Standort Zweitligafußball praktiziert und dort zuletzt vor 23 Jahren in der Saison 1999/2000 im wichtigsten europäischen Wettbewerb spielte. Es ist eher die Tatsache, dass es eben nicht das Wohnzimmer Alte Försterei ist, die Köpenicker Festung, in der Union auch gegen die namhaftesten Teams eine Macht sein kann.

Das Stadion an der Alten Försterei ist für Unioner Identität, Alleinstellungsmerkmal, Kulturgut – und das alles auf einmal. Echte "Heimspiele" wird es in der "Königsklasse" aber nicht geben. Mehr noch: 40.000 Menschen sind mit ihrer Dauerkarte sicher bei den Spielen dabei, doch "nur" knapp 30.000 davon sind Mitglieder. Weitere Karten werden bei 74.000 Plätzen im Olympiastadion in den freien Verkauf gehen. Union Berlin wird damit auch zum Zuschauermagneten für solche Fans, die ins Stadion gehen, um Fußball zu sehen, und nicht unbedingt wegen Union.

Die Zerreißprobe ist hausgemacht

Im Olympiastadion werden sich dann verschiedene Lager gegenüberstehen, verschiedene Vorstellungen davon, wie das Stadionerlebnis Fußball auszusehen hat. Ob das der Stimmung guttun wird und einen ähnlichen Hexenkessel erzeugt wie bei den heimischen Spielen an der Alten Försterei, darf bezweifelt werden.

Dabei hatte der Verein die Wahl. Unter einer Sondergenehmigung wären auch Champions-League-Spiele in Köpenick möglich gewesen, doch der Klub entschied sich, das bei den eigenen Fans so verhasste Westend zu nehmen. Der 1. FC Union Berlin hat inzwischen mehr als 56.000 Mitglieder: Allen, so die Begründung der Vereinsführung um Präsident Dirk Zingler, sollte ein Angebot für die historische Chance des Champions-League-Stadionbesuchs gemacht werden.

Union Berlin läuft Gefahr, seine Fans zu spalten

Tja, und nun hat Union den Salat. Spiele gegen Madrid und Neapel, aber dafür Sitzschalen statt Stehtribünen. Kein Kevin Behrens mehr, der nach einem Dreierpack mit dem Rad nach Hause fährt, kein Gegner, der von der besonderen Atmosphäre schwärmt. Es gibt langjährige Unionfans, die sich deshalb gegen einen Besuch der Spiele entschieden haben. Der Verein aus Köpenick muss aufpassen, seine Basis bei allem sportlichen und wirtschaftlichen Aufschwung nicht zu spalten – und wird Kritik aus den eigenen Reihen aushalten müssen.

Denn schon jetzt ist damit zu rechnen, dass es im Olympiastadion neben Partystimmung Protest geben wird. Auch deshalb dürfte es spannend sein, zu beobachten, wie sich Union Berlin in der Königsklasse präsentiert. Sportlich und atmosphärisch dringt der Klub in Sphären vor, die er viel schwerer kontrollieren kann. Himmelfahrtskommando oder Pionierleistung: Lasset die Spiele beginnen.

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtungen
  • fc-union-berlin.de: "40.000 CHAMPIONS LEAGUE-DAUERKARTEN VERGEBEN"
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