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Kolumne: Der Stachel der Niederlage sitzt tief beim FC Chelsea


Champions League
Chelsea hat die Last-Minute-Pleite nicht vergessen

Von t-online
17.04.2012Lesedauer: 4 Min.
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Eine Kolumne von Jonny Giovanni

Es ist eines der berühmtesten Tore der Fußball-Geschichte: Wie Xavi an der Stamford Bridge in London noch einmal auf rechts zu Alves spielt. Wie Alves, auf der Spieluhr beginnt in diesem Moment die 93. Minute, zur Mitte flankt. Wie John Terry auf den Flügel klärt, der Ball aber bei Eto’o landet und von dort bei Messi. Wie Messi ihn parallel zum Tor führt und dann ablegt für Andres Iniesta, der aus dem Stand abzieht. Wie der Ball im rechten oberen Winkel einschlägt, Iniesta sein Trikot wegreißt, wie Barcelona feiert, dem Wahnsinn nah.

“Der Fußball-Gott ist vom Himmel herabgestiegen”, schrie dazu der spanische Fernsehkommentator, “um an der Stamford Bridge ein Tor zu schießen. Nicht Andres Iniesta, es ist der Gott der Fußball-Gerechtigkeit.” Tatsächlich empfanden so nicht nur Anhänger des FC Barcelona, sondern instinktiv auch weite Teile des globalen Publikums. Die Finesse der Katalanen hatte doch noch gesiegt über die Power des FC Chelsea. Ein Akt der Gerechtigkeit, obwohl Iniestas Tor zum Ausgleich in der 93. Minute Barcelonas erster und einziger Torschuss am ganzen Abend war? Ja, so besonders und oft unerklärlich war dieses Duell, das in jenem Moment so dramatisch kulminierte. Chelsea gegen Barcelona, diese Paarung hielt den Fußball im zweiten Teil der 00er-Jahre in Atem wie keine andere. Sie brachte die besten Spieler auf den Platz, die intelligentesten Systeme, aber vor allem zwei völlig verschiedene Philosophien, die sich nur zu leicht als Gut gegen Böse interpretieren ließen.

Duell zwischen Phantasie und Drill

Erstmals seit jenem Maiabend 2009 treffen beide nun wieder aufeinander, wie damals in einem Halbfinale der Champions League (Mittwoch ab 20.30 Uhr im Live-Ticker bei t-online.de). Seit die Ansetzung fest steht, machen insbesondere die Londoner gar nicht erst den Versuch, so zu tun, als werde das eine Partie wie jede andere. Es gibt schließlich noch eine zweite Lesart jenes Abends als die von Geist gegen Muskeln, von Phantasie gegen Drill und von ultimativer Gerechtigkeit – sie handelt von einigen strittigen Schiedsrichterentscheidungen, von nicht gegebenen Elfmetern und von dem bitteren Gefühl, in der 93. Minute noch alles verloren zu haben. Bis heute haben sie das bei den Blauen nicht vergessen. “Niemand hält das Kapitel Barcelona für abgeschlossen”, sagt Frank Lampard. Jetzt ist die Gelegenheit zur Revanche gekommen, und weil Chelsea nach einer äußerst problematischen Saison gerade rechtzeitig in Form gefunden zu haben scheint, könnte es sogar wieder so knapp zugehen wie früher.

Achtmal stiegen zwischen 2005 und 2009 die titanischen Zweikämpfe um Europas Thron. Jeder siegte zweimal, bei vier Unentschieden. Immer war es eng, immer gab es Polemik, was auch damit zu tun hatte, dass die ersten sechs Partien auf Chelsea-Seite noch von Jose Mourinho gecoacht wurden. Gleich nach dem ersten Duell mit dem Klub, bei dem er einst als Assistent und Übersetzer arbeitete, unterstellte er eine Komplottverabredung zwischen Barcas Trainer Frank Rijkaard und dem schwedischen Schiedsrichter Anders Frisk. Dieser erhielt daraufhin Morddrohungen von Chelsea-Fans und beendete ad hoc seine Karriere.

In einem irren Rückspiel mit dem legendären Tipp-Kick-Tor von Ronaldinho bog Chelsea das 1:2 aus Barcelona mit einem 4:2 noch um, wobei Terrys Siegtor irregulär fiel. Dennoch inszenierte sich Mourinho auch fortan in seiner bis heute bekannten Rolle als Verschwörungsopfer. Als ein Jahr später, erneut im Achtelfinale, sein Verteidiger Del Horno nach einem rüden Tritt gegen den blutjungen Lionel Messi vom Platz flog und Chelsea daraufhin das Hinspiel zuhause 1:2 verlor, begann er einen weiteren Diskurs, den er seitdem pflegt – er unterstellte Barcelona Fallsucht und Schauspielerei: “In Katalonien verstehen sie etwas von gutem Theater”. Bis heute verhöhnen ihn Barcelonas Fans wegen dieses Satzes (“Mourinho, geh’ ins Theater”). Zunächst freilich hatte der streitbare Portugiese noch einmal das letzte Lachen, als er in der Gruppenphase 2006/2007 nach dem späten Ausgleich zum 2:2 auf Knien im Armani-Anzug über den Rasen des Camp Nou schlitterte.

Blues bleiben der "Angstgegner"

Chelsea war in jenen Jahren so etwas wie der Angstgegner des FC Barcelona, die einzige Mannschaft, die das Gegenmittel zu haben schien gegen den traumwandlerischen Kombinationsfußball der Katalanen. Dabei blieb es auch, als Mourinho weg war. 2009 erwirtschaftete Chelsea unter Guus Hiddink mit aggressiver Zweikampfführung und perfekter Raumaufteilung ein 0:0 im Camp Nou, das in der Runde zuvor noch die Bayern mit 0:4 untergehen sehen hatte. Dann kam es zum Rückspiel, zum frühen 1:0 durch Michael Essien, zu den nicht gegebenen Elfmetern (Terry zählte “sechs bis sieben”, mindestens einer hätte es wohl sein müssen), zu einer Roten Karte für Barcelonas Abidal, zu Chelseas Unfähigkeit, in Überzahl die Partie zu entscheiden, schließlich zum großen Auftritt von Iniesta.

“Gegen dieses Barcelona reicht es eben nicht, 90 Minuten konzentriert zu sein, du musst 94 oder 95 Minuten aufpassen”, sagt Ashley Cole rückblickend. “Wir haben es bis zur 93. Minute geschafft”. Chelsea, immerhin, weiß aus dieser Zeit, was nicht viele Mannschaften für sich beanspruchen dürfen – dass es gegen Barcelona bestehen kann. Ist doch schon mal ein Anfang. Wie es dann am Ende aussieht, das weiß man bei diesen beiden sowieso nie.

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