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Frauen-WM: Realitätsverlust beim DFB? Die Reaktion erschreckt


DFB-Reaktion auf das WM-Aus
Realitätsverlust

  • David Digili
MeinungVon David Digili

Aktualisiert am 06.08.2023Lesedauer: 4 Min.
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Nationaltrainerin Martina Voss-Tecklenburg und Joti Chatzialexiou, Sportlicher Leiter Nationalmannschaften.Vergrößern des Bildes
Nationaltrainerin Martina Voss-Tecklenburg und Joti Chatzialexiou, Sportlicher Leiter Nationalmannschaften. (Quelle: IMAGO/Eibner-Pressefoto/Memmler)

Trotz anhaltender sportlicher Krise ändert sich beim DFB – nichts. Dabei müsste es der Verband besser wissen. Die Vergangenheit zeigt, was nun passieren kann.

Ein Kommentar von David Digili

John Cleese, Graham Chapman, Eric Idle und die ganze Truppe von "Monty Python" wären stolz auf das, was der Deutsche Fußball-Bund gerade aufführt. Denn der DFB erinnert aktuell doch beängstigend an eine Figur aus einer legendären Szene in "Die Ritter der Kokosnuss", einem Filmklassiker der genialen britischen Komiker:

Da kämpfen sie gegeneinander, König Artus und der Schwarze Ritter, ein packendes Schwert-Duell – und plötzlich holt Artus aus und trennt seinem Gegner mit einem gezielten Hieb den linken Arm ab. Es entwickelt sich folgender Dialog:

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Schwarzer Ritter (Cleese): "Oh, das ist nur ein Kratzer."

Artus (Chapman): "Ein Kratzer? Euer Arm ist ab."

Schwarzer Ritter: "Ist er nicht."

Artus (deutet auf den auf dem Boden liegenden Arm): "Und was ist das da?"

Schwarzer Ritter: "Oh. Macht nichts, es gibt Schlimmeres."

Kurz darauf wird dem hoffnungslos unterlegenen, aber in zunehmender Aussichtslosigkeit umso selbstsichereren Schwarzen Ritter auch noch der rechte Arm abgeschlagen – trotzdem will er weiter kämpfen.

Artus (entnervt): "Du hast keine Arme mehr."

Schwarzer Ritter: "Wer sagt das? Ist doch nur eine Fleischwunde."

Als er dann auch noch beide Beine verliert, schlägt er letztendlich vor: "Einigen wir uns auf Unentschieden."

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Was in der skurrilen Komödie von 1975 noch heute für Lacher sorgt, ist beim DFB 2023 bittere Realität. Der größte Einzelsportverband der Welt verhält sich wie der Schwarze Ritter – ganz nach dem Motto: Ignorieren, leugnen, weiterwursteln. Ist doch alles nicht so schlimm, wird sich alles schon wieder klären.

Wer noch einen Beleg dafür gebraucht hat, wie arg es wirklich um den deutschen Fußball und seine Verantwortlichen steht, sollte sich die Reaktion der Verbandsgrößen auf das desillusionierende Vorrundenaus der DFB-Frauen bei der Weltmeisterschaft genau ansehen.

Ein verqueres Verständnis

"Das Einfache ist, wenn es im Leben schwierig wird, wegzulaufen. Ich bin noch nie weggelaufen, wenn es schwierig geworden ist." So sinnierte Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg auf der Abschluss-Pressekonferenz nach dem historisch schlechten Abschneiden am Samstag, und man muss ihr nichts Böses wollen, um der 55-Jährigen ein etwas verqueres Verständnis von Verantwortungsbewusstsein zu attestieren.

Verantwortungsbewusstsein beweist nicht, wer in einer Krise offenbar ohne neue Lösungsansätze – eine aufschlussreiche Erklärung ist sie noch schuldig geblieben – den Turnaround versucht. Verantwortungsbewusstsein beweist, wer sich eingesteht, eben keine neuen Lösungsansätze zu haben. Und damit den Raum für einen personellen Neuanfang frei macht, bevor die Situation noch verfahrener wird.

Mit dieser hemdsärmeligen "Jetzt-erst-recht"-Wagenburgmentalität vergibt der DFB die große Chance zu einem Re-Start, zu einem frischen Impuls. Mehr noch: Der Verband, der sich gerade bei der Frauen-Nationalmannschaft betont progressiv präsentiert, zeigt damit, dass er eben doch alles ist, nur nicht progressiv. Was bei den Männern in den vergangenen Jahren in zwei komplett verkorksten Weltmeisterschaften, einer schwachen EM und allerlei unnötigen Nebenkriegsschauplätzen seine traurigen Tiefpunkte fand, setzt sich auch bei den Frauen fort. Es wird einfach weitergemacht.

Die Parallelen zum sportlichen Niedergang der Männer sind ebenso erschreckend wie die Erkenntnis, dass die Herangehensweise an die Herausforderungen so einfallslos und uninspiriert bleibt wie die letzten Aufritte der Spielerinnen und Spieler im DFB-Dress. Nicht nur, aber auch die Tatsache, dass sich auch die Frauen 100 Kilometer von Sydney entfernt im australischen Outback einquartierten, als hätte das Teammanagement die "Quigley, der Australier"-Erlebnisreise gebucht. 2018 in Russland igelten sich die Männer in Watutinki ein, 2022 in Katar in einem zum "Wellness Resort" verbrämten Hochsicherheitstrakt.

Den Niedergang verwalten

Natürlich: 2022 war mit der Vizeeuropameisterschaft erfolgreich für die DFB-Frauen. Aber: 2016 kamen die Herren noch ins Halbfinale der EM in Frankreich – von da aus nahm das Unheil seinen Lauf, mit dem vereselten Vorrundenaus bei der WM 2018 als erstem Fanal. Die Dankbarkeit der DFB-Führung für den WM-Titel 2014 ging aber so weit, dass man Bundestrainer Löw noch weitere drei weitere Jahre den selbst eingeleiteten Niedergang verwalten ließ, allen taktischen, strategischen oder zwischenmenschlichen Verirrungen und aller berechtigter öffentlicher Kritik zum Trotz.

Unter seinem Nachfolger Hansi Flick – der ihm, wohlgemerkt, bereits acht Jahre lang als Co-Trainer assistierte – ist eine Besserung nicht erkennbar. Der 58-Jährige reagiert stattdessen zunehmend dünnhäutig und dauerbeleidigt auf Kritik und verliert sich in Durchhalteparolen – hat nebenbei aber das Kunststück vollbracht, dass selbst der nicht für einen großen Veränderungsdrang bekannte neue DFB-Direktor Rudi Völler zunehmend Schwierigkeiten hat, Flicks Position zu stärken.

Jetzt will auch Voss-Tecklenburg im Amt bleiben. Sie war sich zuvor bereits der bedingungslosen Unterstützung ihrer Vorgesetzten sicher: Joti Chatzialexiou, der durchaus rührige Sportliche Leiter des DFB, schloss Konsequenzen sowohl für "MVT" als auch für sich selbst aus.

Die richtigen Schlüsse aus den ernüchternden Resultaten werden weiter nicht gezogen – entweder aus Verleugnung oder Ahnungslosigkeit. Es ist schwer zu sagen, was schlimmer wäre. Auch DFB-Präsident Bernd Neuendorf sagte schließlich nach dem Aus in gewohnter Bierruhe: "Ich bin doch sehr sicher, dass sie mit der Mannschaft wieder die Kurve kriegen kann." Derselbe DFB-Präsident übrigens, der nach dem Südkorea-Spiel blauäugig und allen Ernstes erklärte: "Wir hatten alle den Achtelfinaleinzug fest eingeplant. Ich saß auf gepackten Koffern, weil ich die Mannschaft durch die K.o.-Phase begleiten wollte."

Er hätte auch sagen können: "Ist doch nur eine Fleischwunde."

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