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Frauen-WM: So vergolden die "Matildas" die Niederlage gegen Schweden


"Wir wollten gemein sein"
Beispiellose Härte

  • Noah Platschko
Von Christoph Cöln, Noah Platschko

Aktualisiert am 19.08.2023Lesedauer: 5 Min.
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Australiens Caitlin Foord (r.) im Duell mit Schwedens Nathalie Bjoern.Vergrößern des Bildes
Australiens Caitlin Foord (r.) im Duell mit Schwedens Nathalie Bjoern. (Quelle: IMAGO/James Whitehead / SPP)

Für Australien hat es am Ende nur zum vierten Platz gereicht. Dennoch hat das Team Rekorde gebrochen. Für einige Spielerinnen könnte sich das bezahlt machen.

Aus Brisbane berichtet Christoph Cöln.

Der fliegende Händler am Bahnhof von Brisbane winkte ab. Die gelben Trikots der "Matildas" waren ausverkauft. "Sorry". Nur noch Fahnen mit dem Schriftzug des australischen Frauennationalteams waren vor dem Spiel um Platz drei im Angebot. Die ganze Stadt, nun ja zumindest weite Teile, waren bereits in knalligem Gelb gekleidet.

Es ist wohl nicht übertrieben zu sagen, dass Australien sich im Fieber befand. Der "Matilda"-Hype hatte im Verlauf der Fußball-WM der Frauen ungekannte Auswüchse angenommen. Rekord um Rekord brachen die Spielerinnen: 11,15 Millionen Australier hatten das Halbfinale gegen Frankreich gesehen, 42 Prozent der Gesamtbevölkerung. Noch nie war ein australisches Team bei einem Fußball-Weltturnier so weit gekommen, weder bei den Frauen noch bei den Männern.

Die Sportberichterstattung auf dem fünften Kontinent kannte zuletzt nur noch ein Thema: Frauenfußball. Dabei ist Australien eine stark von männlichen Kontaktsportarten wie Rugby oder Australian Rules Football geprägte Nation.

Dennoch stellten die "Matildas" in den vergangenen vier Wochen alle anderen Sportarten in den Schatten. Die Randsportart Frauenfußball wurde plötzlich zum großen Lagerfeuer, vor dem sich das Land versammelte. "Wir wollen die Nation einen, wollen sie hinter uns bringen", hatte Australiens Teamcoach Tony Gustavsson gesagt. Das war den "Matildas" spektakulär gelungen.

Kompromissloses Einsteigen und ein Kopfverband

Am Ende wurde es zwar nur der undankbare vierte Platz. Im Spiel gegen die gut organisierten Schwedinnen, die am Samstag in Brisbane frischer wirkten (sie hatten einen Tag mehr Zeit zur Regeneration), unterlagen die "Matildas" mit 0:2. "Es waren wirklich verrückte vier Wochen, wir haben alles gegeben, wir wollten es wirklich. Aber jetzt sind wir einfach nur extrem traurig", sagte Ellie Carpenter hinterher in der Mixed Zone.

Beide Teams schenkten sich nichts, harte Zweikämpfe prägten schon früh das Geschehen. Kurz vor der Halbzeitpause gerieten einige australische Spielerinnen mit ihren schwedischen Gegnerinnen dann so heftig aneinander, dass es sogar zu einer im Frauenfußball selten gesehenen Rudelbildung kam. Und das Publikum im Stadion von Brisbane buhte die Schwedinnen fortan gnadenlos aus.

Eine Folge der bei dieser WM bislang beispiellosen Härte in den Zweikämpfen war, dass Australiens Caitlin Foord mit einem Kopfverband aus der Kabine kam. "Ja, wir wollten das Spiel hart führen, das war Teil unseres Matchplans", sagte Schwedens Innenverteidigerin Magdalena Eriksson nach der Partie gegenüber t-online. "Heute haben wir gezeigt, dass wir auch gemein sein können. In der Vergangenheit waren wir oft zu nett."

Zum Beispiel im November 2022. Damals trafen Australien und Schweden in der WM-Vorbereitung aufeinander. Die "Matildas" gewannen mit 4:0. "Wir wollten klarmachen, dass es gegen Schweden auch hart sein kann. Das gefällt mir wirklich gut", sagte Eriksson.

Australiens schwedischen Trainer Gustavsson hielt es ob der zahlreichen Nickligkeiten kaum noch auf seiner Bank. Er legte sich an der Seitenlinie mit den Fifa-Offiziellen an, während das Schiedsrichtergespann auf dem Platz alle Mühe hatte, das zeitweilig auf der Kippe stehende Spiel in geregelten Bahnen zu halten.

Im Millionenbereich bewegen sich nur wenige Spielerinnen

Es half nichts. Seine "Matildas" fanden kein Mittel gegen die robust auftretenden Gegnerinnen. "Wir spielen vielleicht nicht den schönsten Fußball", hatte Australiens Stürmerin Mary Fowler nach dem Dänemark-Spiel noch gesagt, "aber bislang haben wir die entscheidenden Schlachten gewonnen." Nun nicht mehr. Die Gastgeberinnen verloren nach dem Halbfinale auch das kleine Finale verdient und schlichen nach der Siegerehrung tief enttäuscht vom Platz.

Ihrer Popularität wird das nach Meinung vieler Beobachter keinen Abbruch tun. Den Möglichkeiten, nach diesem Turnier an lukrative Werbeverträge zu kommen, wohl auch nicht. Allerdings bewegen sich die zu erwartenden Einnahmen trotz der enormen Popularität, die das Team gewonnen hat, nicht annähernd in jenen astronomischen Millionenbereichen, in die die männlichen Stars des Fußballs für gewöhnlich nach einer WM vorstoßen.

Die einzigen Spielerinnen, die schon in den Millionenbereich bei Gehalt und Werbeeinnahmen gelangen konnten, sind Sam Kerr und inzwischen auch Ellie Carpenter. Bei ihren Teamkolleginnen geht es eher um Beträge, die sich um mehrere hunderttausend australische Dollar bewegen.

"Sie müssen sich nicht länger rechtfertigen"

Nicht wenig. Aber eben wenig im Vergleich zu den Männern. Marketingexperten schätzen das Potenzial der "Matildas"-Stars hoch ein. Für mindestens vier oder fünf von ihnen könnten sich durch dieses Turnier die Türen zu jenen Geldtöpfen öffnen, von denen die Ausnahmeerscheinung Sam Kerr schon vor der WM profitierte. Sie könnten mit ihrem Gehalt und dazu den Werbedeals die Millionengrenze knacken.

Die australische Sportwissenschaftlerin Fiona Crawford sagte im Gespräch mit t-online: "Die Frauen müssen jetzt nicht länger rechtfertigen, dass sie überhaupt Geld bekommen, um ihren Sport ausüben zu können. Jetzt geht es darum, dass sie genügend Geld bekommen, um ihr Spiel auf ein anderes Level zu heben." Damit sind nicht nur die Gehälter der Spitzenspielerinnen gemeint, die sich teilweise immer noch auf einem lächerlich niedrigen Niveau befinden. Damit ist vor allem auch die Ausstattung für die Klubs und deren Nachwuchsspielerinnen gemeint.

"Die Preisgelder für die Spielerinnen sind schon mal ein guter Anfang", sagt Crawford weiter. "Es geht jetzt aber auch darum, mehr Frauen in Führungspositionen in den Verbänden und Klubs zu bringen. Für diese Topjobs gibt es immer noch viel zu wenig Unterstützung und Förderprogramme."

Die Stars bei den "Matildas" werden zu Zugpferden

Bei den "Matildas" hatte im vergangenen Jahr neben Kerr nur Carpenter die Millionen-Dollar-Grenze (ca. 600.000 Euro) beim Einkommen geknackt. Andere Senkrechtstarter des Teams wie Mary Fowler, Mackenzie Arnold oder Caitlin Foord, die alle bei europäischen Klubs spielen, verdienten laut des australischen Sportmarketingexperten Damon Hill hingegen zwischen 180.000 und 285.000 australische Dollar (ca. 100.000 und 168.000 Euro) im vergangenen Jahr.

Gleiche Bezahlung ist schon vor diesem Turnier ein großes Thema im Frauenfußball gewesen. Der australische Verband hatte 2019 als einer der ersten die Geschlechterungerechtigkeit per Vertrag aufgehoben. Seitdem erhalten Australiens Nationalspieler Prämien in gleicher Höhe, Frauen wie auch Männer. Die Fifa hatte vor der laufenden WM zudem angekündigt, den Spielerinnen die WM-Prämien direkt auszahlen zu wollen. Zuvor waren diese bei manchen Verbänden nicht selten für dubiose Zwecke verwendet worden.

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Es tut sich eine Menge im Fußball der Frauen. Nicht nur beim Geld. Die "Matildas" sind bei dieser WM zu Rollenvorbildern für viele Frauen und Mädchen geworden. Sie haben eine Dynamik geschaffen, an der in Zukunft schwer vorbeizukommen sein wird. "Es wird sicher noch eine Weile wehtun", sagte Verteidigerin Clare Polkinghorne nach dem verlorenen Spiel. "Aber ich hoffe, dass wir einen bleibenden Einfluss hinterlassen haben für den Frauenfußball in diesem Land."

Was die "Matildas" erreicht haben, könnte sich für manche von ihnen in Millionen Dollar auszahlen. Viel wichtiger aber sind die Millionen Menschen, die sie inspiriert haben. Auch ohne den WM-Titel.

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtung im Stadion
  • Gespräche mit den Spielerinnen in der Mixed Zone
  • Interview mit Fiona Crawford
  • news.com.au: "Star Matildas set for big payday despite being bundled out of world cup" (englisch)
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