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Nicolas Kiefer zu Corona-Krise: "Geisterspiele im Tennis? Halte ich für unmöglich"


Nicolas Kiefer
Tennis-Held kritisiert: "Vielleicht hat der Fußball einen Bonus"

  • David Digili
InterviewVon David Digili

Aktualisiert am 14.04.2020Lesedauer: 5 Min.
Interview
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Kritischer Blick: Nicolas Kiefer betont die Auswirkungen der Corona-Krise auf den Tennis-Sport.Vergrößern des Bildes
Kritischer Blick: Nicolas Kiefer betont die Auswirkungen der Corona-Krise auf den Tennis-Sport. (Quelle: Florian Petrow)

Der frühere deutsche Weltklassespieler erklärt, wen die Corona-Krise im Tennis am härtesten trifft, warum der Weltverband nun handeln muss – und was er vom Training der Fußball-Bundesligisten hält.

Die Corona-Krise hat auch die Tenniswelt fest im Griff: Wimbledon wurde erstmals seit 1945 abgesagt, die French Open, die eigentlich Ende Mai beginnen sollten, wurden vorerst auf Ende September verschoben. Seit Wochen ruht der Spielbetrieb.

Was bedeutet die wettbewerbsfreie Zeit für den Sport? Ex-Tennisprofi Nicolas Kiefer muss es wissen: Der Olympiazweite im Doppel von 2004 und ehemalige Weltranglistenvierte gehörte über Jahre zur Weltspitze. Auch nach dem Karriereende 2010 blieb "Kiwi" dem Sport verbunden, ist heute Berater und Trainer beim SCC Berlin, Experte beim Reiseveranstalter Robinson – und kritischer Beobachter des Profigeschäfts.

Im Interview mit t-online.de erklärt der Hannoveraner, wen die spielfreie Zeit besonders hart trifft, warum er nichts von Geisterspielen im Tennis hält – und was er vom Training der Fußball-Bundesligisten trotz Corona-Krise hält.

t-online.de: Herr Kiefer, wer wären Sie in der aktuellen Lage ohne Spiele lieber: Ein aufstrebendes Talent oder ein alter Hase?

Nicolas Kiefer (42): Puh (lacht). Man muss beide Seiten sehen. Für einen jungen Spieler, der gerade in die ATP-Tour eingestiegen ist, ist diese Situation fatal.

Das müssen Sie erklären.

Anders als beispielsweise Fußballer sind Tennisspieler, aber auch viele andere Sportler komplett für sich selbst verantwortlich. Trainer, Fitnesstrainer, Physiotherapeuten – die Kosten muss der Spieler selbst tragen. Im Mannschaftssport ist das eben nicht so. Fußballer haben ihr monatliches Gehalt, das kennt ein Tennisspieler nicht, wir leben von den Preisgeldern bei den Turnieren. Durch die ganzen Absagen fallen die Einnahmen aber weg, und da wird es dann extrem schwer, gerade für die, die noch am Anfang ihrer Karriere stehen.

Gibt es Auswege?

Vielleicht muss die ATP (Vereinigung der männlichen Tennisprofis, Anm. d. Red.) oder auch die ITF (Tennis-Weltverband, Anm. d. Red.) mal darüber nachdenken, ob man dieses System nicht ändert. Leider muss es ja immer erst zu Extremfällen kommen, damit über solche Dinge gesprochen wird. Aber ein gerechtes System zu finden, das alle absichert, das wird schwer zu entwickeln sein. Tennis ist nun mal ein Einzelsport. Vielleicht ist jetzt ja aber der Moment, in dem sich alle zusammensetzen müssen.

Das war der finanzielle Aspekt – und wie sieht es sportlich aus?

Ähnlich, das ist wie ein Schneeball-Effekt. Auch hier trifft es die jungen Spieler besonders hart. Erfahrene Athleten, die es sich auch leisten können, die haben ihre Fitnessstudios, ihre Tennisplätze zuhause und können sich dort sozusagen in Ruhe fithalten. Aber die Nachwuchscracks sind unruhig und überlegen.

Die Situationen zwischen den Generationen sind so unterschiedlich?

Ein Federer, ein Nadal, ein Djokovic spielen, weil sie spielen wollen, weil sie Spaß haben, nicht, weil es ihnen ums Geld geht. Die haben alle schon genug verdient durch ihre großen Erfolge. Aber die Jungen sind unter Druck, die müssen etwas einspielen, um weitermachen zu können. Ein Talent, das sich im letzten Jahr vielleicht bis in die Top-100 hochgearbeitet hat und das Ziel hatte, sich dann auch mal für die großen Turniere zu qualifizieren, das hat es nun enorm schwer.

Die großen Stars sind alle Anfang, Mitte 30 – was bedeutet die aktuelle Zwangspause für sie?

Federer-Fans dürfen sich freuen, denn er hat ja schon angekündigt, auch nächstes Jahr dabei sein zu wollen, auch bei Olympia. Die Sandplatzsaison 2020 hätte Roger sowieso ausgesetzt…

… und pausierte zuletzt auch noch nach einer Knie-OP...

Genau. Jetzt hat er Zeit, richtig zu regenerieren, seinem Körper Zeit zur Erholung zu geben. Natürlich mangelt es nun allen Sportlern an Spielpraxis, nicht nur im Tennis. Aber was die Fitness angeht, müssten die Profis in den meisten Sportarten eigentlich in Top-Verfassung zurückkommen. Daran darf nichts scheitern.

Wie meinen Sie das?

An der eigenen Fitness kann und muss jeder Sportler ja sowieso ständig arbeiten, das sollte dadurch das geringste Problem sein. Ich sehe im Tennis aber eine andere Schwierigkeit…

Ja?

Es müssten ja erst einmal in allen Ländern auch die aktuellen Ein- und Ausreisebeschränkungen aufgehoben werden. Wir sind ein internationaler Sport. Im Fußball würde der Ligabetrieb ja im Land weiterlaufen, aber Tennisspieler sind ständig unterwegs. Da müssen dann alle Länder mitmachen, damit keiner ausgeschlossen wird. Und was ist mit den Zuschauern? 90 Prozent des Publikums kommen nicht aus den austragenden Städten, sondern reisen an.

Tennis vor leeren Rängen, Geisterspiele also?

Wie will man das machen? Jeder Spieler hat doch sein eigenes Team mit dabei, Trainer, Manager, Eltern, die kann man doch nicht aussperren. Das halte ich für unmöglich.

Sie haben schon kritisiert, dass im Fußball wieder trainiert werden darf, im Tennis aber nicht.

Fußball ist in Deutschland eben Sportart Nummer eins. Aber auch da muss man ja sagen: Dort soll jetzt ohne Körperkontakt trainiert werden. Im Tennis stehen sich zwei Spieler in großer Entfernung gegenüber, wieso soll es also nicht möglich sein, dass man sich da jetzt schon wieder Bälle zuspielt über das Netz? Nur das wollen wir ja. Aber vielleicht hat der Fußball ja einen Bonus dadurch, dass es dort nun mal um das meiste Geld geht.

Man möchte offenbar die Vorsichtsmaßnahmen so weit wie möglich aufrechterhalten. Sie selbst produzieren seit einigen Wochen Masken zum Schutz. Wie kam es dazu, dass Sie sich mit Mund- und Nasenschutz beschäftigt haben?

Zusammen mit Textilproduzent Holger Gartz, mit dem ich seit 2018 meine eigene Kollektion unter meinem Label "NK #kiwifash" vertreibe, hatten wir die Idee: Behelfs-Mund- und Nasenschutzmasken, von Hand hergestellt in Deutschland. Das ist doch jetzt wichtig. Ich war begeistert und habe ihm gesagt, dass wir die Masken auch über meine Kanäle vertreiben können, um mehr Menschen zu erreichen. Sie werden nur über meinen Onlineshop vertrieben.

Wie wird die Aktion angenommen?

Die Nachfrage ist groß. Jeden Tag werden circa 300 bis 500 Masken handgenäht, sie werden sehr gut angenommen – am Ende des Tages ist es ja auch ein Selbstschutz, der den Menschen helfen soll. Ich glaube, für viele war auch ausschlaggebend, dass wir in Deutschland produzieren – und, dass die Masken ja wiederverwendbar sind, einfach nur gewaschen werden müssen.

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Ist das vielleicht auch eine Erkenntnis: Dass Sportler ihren Bekanntheitsgrad auch nutzen können, um die Menschen zu informieren?

Es ist wichtig, darauf aufmerksam zu machen, aufzupassen, vorsichtig zu sein. Auch wenn man mit der Art und Weise, wie sich die Menschen an die Vorschriften halten, aktuell ja offenbar ganz zufrieden sein kann. Am Ende des Tages hat alles mit Vernunft zu tun. Alle müssen an einem Strang ziehen, und da sind wir wohl auf einem guten Weg.

Herr Kiefer, vielen Dank für das Gespräch.

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