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Leichtathletik-EM | Gina Lückenkemper: Vom Hass zu Gold getrieben


Lückenkempers EM-Sensation
Erfolgreich ins Ziel gestolpert


Aktualisiert am 17.08.2022Lesedauer: 3 Min.
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Gina Lückenkemper (M.): Auch ein Sturz im Ziel konnten die Freude der Deutschen über den EM-Titel nicht trüben. (Quelle: IMAGO)

Dank Sensationsfinish sprintet Gina Lückenkemper über 100 Meter zum EM-Titel. Der Weg dorthin war wie die ersten Schritte danach.

Beim sechsten Schritt hinter der Linie zog es sie zu Boden. Nachdem Gina Lückenkemper die 100 Meter in 10,99 Sekunden hinter sich gebracht und den Oberkörper als Erste über die Ziellinie gedrückt hatte, fehlte die Balance – sie geriet ins Straucheln und fiel vornüber auf die rote Tartanbahn des Münchner Olympiastadions (Hier lesen Sie alles Lückenkempers EM-Goldlauf über 100 Meter.).

Das Ergebnis: ein Besuch im Krankenhaus und eine mit acht Stichen genähte Wunde. Doch das war an diesem sommerlichen Dienstagabend egal. Vor allem ihr selbst: "Ich merke gerade gar nichts, ich habe so viel Adrenalin", rief Lückenkemper freudestrahlend ins ARD-Mikrofon, während 40.000 begeisterte Zuschauer der Leichtathletik-EM die La Ola zelebrierten und "Oh wie ist das schön" anstimmten.

Vier Jahre nachdem Lückenkemper dank EM-Silber in Berlin einem breiteren Publikum bekannt wurde, ist sie am vorläufigen Ziel angekommen – und Europameisterin. Gerechnet hatten damit die wenigsten Beobachter, zumal ihr Start wegen Oberschenkelproblemen nach dem Halbfinale unsicher war. Von Emotionen überwältigt erklärte die 25-Jährige: "Ich werde noch ein bisschen brauchen, um das alles zu verarbeiten."

Das ist auch kein Wunder. Denn so euphorisch wie die vergangenen Stunden verlief die Karriere der deutschen Vorzeigespringerin zuletzt nicht. Vor allem in den vergangenen Jahren.

Der Durchbruch bei der EM 2018

Dabei war der Werdegang der Hochtalentierten aus Soest lange wie aus dem Leichtathletik-Bilderbuch: Nach Erfolgen im Juniorenbereich holte sie 2016 EM-Bronze, als die Freunde zu Hause den Abi-Ball feierten.

Zwei Jahre später in Berlin folgte ein maximal emotionaler Silberlauf, den wohl keiner der damals Anwesenden im Berliner Olympiastadion vergessen wird. Dazu kam ihr Auftreten: unbekümmert, schlagfertig, maximal authentisch. So eine Sprinterin hatte die deutsche Leichtathletik lange nicht erlebt. Entsprechend überschlugen sich Werbe- und Vermarktungsangebote. Ein neuer Darling der deutschen Leichtathletik war geboren.

Doch schon ein Jahr später geriet die Karriere ins Stocken. Lückenkempers Form fiel ab. Sie verließ ihren langjährigen Trainer Uli Kunst und zog nach Florida. Das Ziel: die Trainingsgruppe von Lance Brauman mit Olympiasiegerinnen wie Noah Lyles und Shauna Miller-Uibo. Brauman ist eine Koryphäe auf seinem Gebiet, sorgte in der Vergangenheit aber auch für Skandale. In Texas wurde der Coach 2006 zu einer zehnmonatigen Haftstrafe wegen illegaler College-Stipendien verurteilt.

Fachlich gilt Brauman in der Leichtathletikszene allerdings als außergewöhnlich. Das bestätigte auch Lückenkemper, die sich nach ein paar Wochen in den USA "in der Form meines Lebens" wähnte. Doch dann kam die Corona-Pandemie. Lückenkempers Rückreise in die USA verzögerte sich, die Trainingsanlagen in Deutschland waren gesperrt. Sie trainierte allein im Garten ihrer Nachbarn in Bamberg und kämpfte mit Verletzungen. Die Trainingsdosierung stimmte nicht und bei Wettkämpfen ließ sie sich kaum blicken. Lückenkemper fiel auch mental in ein Loch.

Massive Beleidigungen in sozialen Medien

"Man lernt sein Umfeld noch mal neu kennen", resümiert sie mittlerweile. "Die Jahre davor lief es ja nahezu bilderbuchmäßig. Wenn es ein bisschen schwieriger ist, dann sieht man erst mal, wer wirklich auf seiner Seite steht." Und zwar auch in den sozialen Medien. Früh gab sie dort Einblicke in ihr Leben als Profisportlerin und erhielt dafür viel Applaus und Zuspruch.

Doch als es sportlich nicht so läuft, ändert sich das teilweise: "Social Media ist Fluch und Segen zugleich, Fluch war es bei mir vor zwei Jahren", erklärt Lückenkemper im Juni 2022 im "Aktuellen Sportstudio". Sie berichtet von teils massiven Beleidigungen "von Leuten, die keine Ahnung haben, was ich in den Sport investiere, und die mir sagen wollten, dass ich gar nichts kann".

Sie habe erschreckt, "wie schnell einen alle abgeschrieben haben. Das ging so rasend schnell, schneller, als ich laufen kann. Das war schon krass." Deshalb fokussiere sie sich mittlerweile mehr auf ihr "tolles Umfeld" – und ihre Gesundheit.

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Bei den Olympischen Spielen 2021 in Tokio war sie form- und verletzungsbedingt nur Ersatzläuferin. Wohl auch deshalb sagt sie rückblickend: "Ich habe gelernt, einen gesunden Körper viel mehr wertzuschätzen." Was sie dann in der Lage ist zu leisten, zeigt Lückenkemper in diesem Jahr. Im Juni wird sie deutsche Meisterin, im Juli holt sie mit der 4x100-Meter-Staffel WM-Bronze und verpasst das Finale nur knapp. Schon damals resümiert die 25-Jährige: "Ich kann mit dieser Saison bereits jetzt schon sehr zufrieden sein. Konstant so schnell bin ich in meiner ganzen Karriere noch nicht gelaufen."

Da wusste sie noch nicht, was an diesem Dienstagabend in München passieren würde – inklusive eines Zielsturzes, der ihr später herzlich egal war.

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