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"Berlin Alexanderplatz"-Macher: "Streamer sind nicht die Totengräber des Kinos"


"Berlin Alexanderplatz"-Macher
Kino-Sterben in Deutschland: "Mancherorts ist es schon zu spät"

  • Steven Sowa
Von Steven Sowa

13.12.2020Lesedauer: 5 Min.
Nachrichten
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"Berlin Alexanderplatz": Jella Haase und Welket Bungue in der modernen Filmadaption des Alfred-Döblin-Klassikers.Vergrößern des Bildes
"Berlin Alexanderplatz": Jella Haase und Welket Bungue in der modernen Filmadaption des Alfred-Döblin-Klassikers. (Quelle: dpa-bilder)

In einem Livestream aus Berlin wurden am Samstagabend die Gewinner des Europäischen Filmpreises bekanntgegeben. "Berlin Alexanderplatz" musste sich geschlagen geben. Im t-online-Interview wird Bilanz gezogen.

"Der Rausch" von Thomas Vinterberg wurde am Samstagabend zum großen Gewinner. Der dänische Beitrag über eine ausufernde Alkoholwette räumte den Preis als Besten Film ab und Hauptdarsteller Mads Mikkelsen wurde Bester Darsteller. Die Macher von "Berlin Alexanderplatz" hatten sich auch Hoffnung auf einen "Europäischen Oscar" gemacht, wie der Preis aufgrund seines Renommees und des Jury-Prinzips gerne genannt wird – doch sie wurden enttäuscht.

Im Interview mit t-online spricht "Berlin Alexanderplatz"-Produzent Jochen Laube über die Preisverleihung, zieht eine Corona-Bilanz und blickt in eine ungewisse Zukunft.

t-online: Jetzt hat es mit dem "Europäischen Oscar", wie der European Film Award auch gerne genannt wird, leider nicht geklappt. Wie groß ist die Enttäuschung?

Jochen Laube: Natürlich möchte man immer einen Preis gewinnen, wenn man schon nominiert ist. Aber in diesem Fall können wir wirklich von Herzen sagen, dass es für uns eine große Ehre war, uns und unseren Film überhaupt unter den letzten sechs nominierten Filmen zu finden und wir überhaupt nicht enttäuscht sind. Da zwei Tage vorher bereits unsere Filmkomponistin mit dem Europäischen Filmpreis für die beste Filmmusik ausgezeichnet wurde, ist unser "Berlin Alexanderplatz" ja auch keinesfalls leer ausgegangen. Die Freude für Dascha und über die Nominierung als bester Film ist weiterhin riesig.

Aber ist es nicht besonders bitter, bereits bei der dritten großen Preisverleihung, nach der Berlinale und dem Deutschen Filmpreis, auch den Europäischen Filmpreis nicht gewonnen zu haben? Wieso hat es stets nicht gereicht?

Auf einem Festival wie der Berlinale sind die Dynamiken in einer Jury nie zu durchdringen. Daher darf man sich vorher auch nie zu sicher sein, oder sich etwas erhoffen, dann ist man hinterher auch nicht enttäuscht. Die Begeisterung nach unserer Premiere, die standing ovations, das kann uns keiner mehr nehmen und daher fühlt sich die Berlinale im Rückblick auch ohne Goldenen Bären toll an.

Und beim Deutschen Filmpreis?

Dort sehe ich es genauso. Mit der silbernen Lola für den besten Film haben wir doch herausragendes gewinnen können, oder? Wir waren insgesamt in sensationellen 11 Kategorien mit unserem Film nominiert und haben neben dem Silber in der Königskategorie noch vier weitere goldene Lolas in den einzelnen Gewerken gewinnen können. Wir fühlen uns also auch hier reich beschenkt und überhaupt nicht als Verlierer.

Paula Beer hat gestern nun den Preis als beste Darstellerin für ihre Rolle in "Undine" abgeräumt: Was sagen Sie dazu?

Paula hat diese besondere Figur herausragend gespielt und den Preis absolut verdient gewonnen! Ihre ehrliche und herzliche Reaktion gestern Abend hat auch gezeigt, was für ein toller Mensch sie ist und wir haben uns daher sehr für sie mitgefreut.

Burhan Qurbani hat "Berlin Alexanderplatz" als Appell gegen Ausgrenzung und Rassismus angelegt. Gerade im europäischen Kontext ein wichtiger Beitrag für mehr Solidarität und weniger Wegschauen. Wie wichtig wäre ein Preis bei der nun folgenden Auswertung gewesen?

Der Preis hätte uns sicher nochmals einen kleinen Schwung gegeben, vor allem im europäischen Ausland, wo der Film aufgrund der geschlossenen Kinos in einigen Ländern noch gar nicht gestartet ist. Da hilft uns aber auch schon die Nominierung sehr. Unter den sechs besten Filmen aller Werke Europas zu sein, dass nimmt man auch in Schweden, Italien oder Frankreich war und wird von den Verleihern und den Kinos dort dann bei der Herausbringung sicher benutzt.

Die Verleihung fand in einer Zeit statt, in der alles anders ist. Fühlte es sich gestern merkwürdig oder gar falsch an, bei solch einem virtuellen Event beizuwohnen?

Da haben wir ja – leider – schon ein wenig Übung, auch der Deutsche Filmpreis hat ja online 'aus unserem Wohnzimmer heraus' stattgefunden. Und natürlich fühlt sich das falsch an, alleine vor einem Monitor zu sitzen, denn Film ist Teamarbeit. Und Preisverleihungen sind daher auch immer Anerkennung für das Talent und die harte Arbeit von hunderten von Menschen die an diesem Film mitgearbeitet haben. Wir versuchen daher immer so viele Teammitglieder wie es geht auf solche Veranstaltungen mitzunehmen um gemeinsam unser aller Arbeit zu feiern. Das konterkariert natürlich eine Verleihung alleine zu Hause vor dem Computer.

Die Kulturbranche leidet, die Kinos werden nach menschlichem Ermessen noch Wochen, vielleicht Monate geschlossen bleiben. Wie bewerten Sie die aktuelle Situation?

Es ist natürlich eine schreckliche Situation, die nicht ernst genug bewertet werden kann. Die Kultur im Allgemeinen ist seit März eigentliche in einem Voll-Lockdown und da sind die sogenannten 'Novemberhilfen' sicher ein wichtiger Schritt, aber hier muss man in den wirtschaftlichen Hilfsprogrammen noch konsequenter das ganze Jahr 2020 und alle noch kommenden Monate mit bewerten. Auch das die Kultur per se in der Außendarstellung der Politik wie eine Art Hobby daher kommt ist unserem Land der 'Dichter und Denker' absolut unangemessen.

Was hätte anders laufen müssen?

Es hätte von Anfang an auch in der Kommunikation vieles viel besser gemacht werden müssen. So wird es schwierig alle Kinos über diese Zeit zu retten. Mancherorts ist es schon zu spät. Bei uns in Stuttgart hat der UFA Palast seine Pforten bereits für immer geschlossen und um das renommierte Metropol Kino in der Stadtmitte müssen wir gerade sehr kämpfen, damit hier private Investoren nicht eine weitere Drogeriefiliale eröffnen, sondern die historischen Säle weiter als Kino genutzt werden. In Fällen wie diesen, muss man dann auch die Lokalpolitik in die Pflicht nehmen!

"Die Geschichten unserer Filme haben eines gemeinsam: Sie müssen auf die Leinwand" lautet verkürzt das Credo Ihrer Produktionsfirma. Erste Anzeichen, dass die Krise langfristige Auswirkungen auf die Kinos hat, gibt es bereits. Filme von Warner Bros. werden zum Beispiel 2021 schon beim Kinostart zum Streamen bei HBO Max verfügbar sein. Macht Ihnen das Angst?

Diese Ankündigung hat mich auch zum ersten Mal doch sehr ins Wanken gebracht. Wir wissen aber auch, dass die Nutzer von Streamingdiensten so gerne Filme schauen, dass sie immer noch deutlich mehr als der Durchschnittsdeutsche ins Kino gehen. Die Streamer sind also nicht unbedingt die Totengräber des Kinos. Die Kinos müssen sich auch weiterentwickeln, wenn sie überleben wollen. Das schreckliche Wort der 'Eventisierung' trifft es ziemlich genau. Ich glaube sehr daran, dass individuellere Programmierungen und besondere Aufwertungen eines Kinoabends durch Filmgespräche, Double features oder weitere Ideen der Kinobetreiber, den Kinobesuch wieder zu einem kleinen Erlebnis werden machen müssen.

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Mit Blick in eine ungewisse Zukunft: Was hilft Ihnen, optimistisch zu bleiben?

Das Kino wird immer einen Vorteil haben, den die Streaminganbieter niemals ausgleichen werden können. Egal wie gut die Technik von Bild und Ton in Zukunft für das 'homecinema' noch wird, man wird das Gemeinschaftsgefühl einfach nicht ersetzen können. Gemeinsam mit anderen in einem Saal zu lachen, zu weinen oder sich zu gruseln, das ist es doch was Kino ausmacht, was uns alle daran fasziniert, woran jeder von uns individuelle Erinnerungen hat. Diese Kraft ist meines Erachtens so groß, dass ich weiterhin optimistisch in die Zukunft schauen kann...

Verwendete Quellen
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