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Madonna mit Playback und Sex in Köln: War ihr wilder Ritt ein Abschied?


Playback, Kinder und Sex in Köln
Madonnas wilder Ritt wirkt wie ein Abschied

MeinungVon Tom Schmidtgen

Aktualisiert am 16.11.2023Lesedauer: 5 Min.
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Madonna mit Tänzern (Archivfoto): Pressefotografen waren beim Auftritt in Köln nicht zugelassen.Vergrößern des Bildes
Madonna mit Tänzern: Hier bei ihrem Auftritt in London. (Quelle: Kevin Mazur)

Madonna hat am Mittwoch ihr erstes Deutschlandkonzert gegeben. Obwohl die Queen of Pop ihre Karriere feiern will, geht es an diesem Abend nicht nur um sie.

Eine Konzertkritik von Tom Schmidtgen

Madonna lässt gern auf sich warten. Dafür ist sie bekannt. Doch das deutsche Publikum wartet nicht gern. "Wir sind doch hier in Deutschland", sagt einer. "Da muss man doch pünktlich anfangen." Knapp eine Stunde vor Konzertbeginn geht eine La-Ola-Welle durch die Ränge, immer wieder versuchen die 16.000 Fans in der Kölner Lanxess-Arena, Madonna mit Rufen und Applaus auf die Bühne zu locken.

Das Publikum mag sicher deshalb nicht gern warten, weil es sich nicht mehr so jung fühlt wie der Superstar, der hier gleich mit 65 Jahren halbnackt, lasziv und mit viel Opulenz auftreten wird.

"Ich bin genauso überrascht hier zu sein"

Gegen 22.10 Uhr ist es dann so weit und damit mehr als eineinhalb Stunden später als geplant (und ohne Vorband). Madonna erscheint allein auf der Bühne und singt – beziehungsweise bewegt die Lippen synchron zu "Nothing Really Matters". Sie trägt ein schwarzes Kostüm mit langen Fledermausärmeln, auf dem Kopf einen Heiligenschein. Direkt zu Beginn ihres ersten Deutschlandkonzerts in Köln macht sie klar: Die Queen of Pop steht hier auf der Bühne.

Für insgesamt vier Termine kommt Madonna nach Deutschland, am Donnerstag tritt sie erneut in Köln auf, dann folgen am 28. und 29. November zwei Konzerte in Berlin. Madonna feiert mit ihren Fans ihre 40 Jahre andauernde Karriere. Auf der "The Celebration Tour" will die 65 Jahre alte Sängerin insgesamt 78 Shows in Europa und Nordamerika spielen. Aber versprüht die Queen of Pop noch den alten Glanz?

Lange sei es her, dass sie in Köln gewesen sei, erzählt Madonna direkt am Anfang ihres Konzerts. Zuletzt war sie 2015 in Deutschland auf Tournee. "Ich bin genauso überrascht, hier zu sein wie ihr." Sie verspricht eine Show, die ihre Karriere reflektiert und diejenigen ehrt, die nicht mehr unter uns sind. "Ich hoffe, euch gefällt das", sagt sie. "Ich hoffe, ihr lasst euch inspirieren." Leider ist Madonna, sobald sie redet, wirklich sehr schwer zu verstehen, weil es extrem hallt in der Lanxess Arena. Der Ton ist völlig übersteuert. Madonnas Interaktionen mit dem Publikum verpuffen.

Plötzlich schüttet Madonna Bier ins Publikum

Andere Aktionen hingegen funktionieren: Madonna lässt sich während ihrer ersten Worte eine Bierflasche reichen, trinkt zwei Schlucke. Sie greift zur Gitarre, vom Band schmettert "Burning Up". Am Ende des Songs verschüttet die Queen of Pop den Inhalt ihrer Bierflasche übers Publikum. Ein bisschen Rebellin ist sie immer noch.

Für ihre starke Stimme war sie noch nie bekannt, deswegen überlässt sie das Singen eher dem Playback. Dafür erwartet man von Madonna: Tanz, Kostüme, Sex. All das wird sie bieten – wenn auch nicht mit alter Stärke. Dafür liefert sie einen wilden Ritt durch ihre Karriere, und damit auch durch die Popgeschichte der vergangenen 40 Jahre, die Madonna maßgeblich mitgeprägt hat.

Unzählige Referenzen an ihre Karriere

Das Publikum schafft es in den zwei Stunden kaum durchzuatmen. Lieder gehen immer wieder ineinander über, in den Pausen, in denen sich Madonna umzieht, müssen ihre Tänzer weiter performen, die Videowand bewirft das Publikum permanent mit Zitaten, Fotos und Videoschnipseln. In jeder Sekunde lassen sich Referenzen aus ihrer Karriere finden. Bei einem ihrer jüngeren Lieder "Bitch, I’m Madonna" treibt sie es auf die Spitze und macht all ihre Tänzerinnen und Tänzer zu Madonnas. Alle treten in originalen und ikonischen Outfits aus vier Jahrzehnten auf.

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Beim Hit "Like a Prayer" stehen die Tänzer nur an den Lenden und mit einer braunen Fetischmaske im Gesicht bekleidet in einem sich drehenden Rad, hinter ihnen leuchtende Kreuze. Vor knapp zwanzig Jahren löste Madonna singend am Kreuz einen Skandal bei der katholischen Kirche aus, der Papst rief zum Boykott ihrer Konzerte auf. Heute fällt einem wenig ein, womit Madonna noch provozieren könnte – so viele Tabus hat sie über die vergangenen Jahre gebrochen.

Dann stört es auch nicht, dass Tänzerinnen bei einem Lied oben ohne auftreten, bei einer Performance Tänzer ihren blanken Po zeigen oder sich Madonna in einem Bett räkelt.

Madonna öffnet Raum für jüngere Künstler

Obwohl sich auf einem Madonna-Konzert standesgemäß alles um Madonna drehen dürfte, schafft die Queen of Pop etwas Einzigartiges: Sie gibt Raum für jüngere Künstlerinnen und Künstler, darunter Bob the Drag Queen. Die 37-jährige Dragqueen war Gewinnerin des berühmten US-amerikanischen Drag-Wettbewerbs "RuPaul’s Drag Race", das in diesem Jahr auch einen deutschen Ableger bekommen hat. Bob the Drag Queen taucht über die Nacht immer wieder auf und hat die Aufgabe der Zeremonienmeisterin. Am Anfang läuft Bob im Kostüm von Marie Antoinette durchs Publikum, heizt die Menge ein und holt den Superstar mit Applaus auf die Bühne. Zwischendurch singt sie mit, tritt sogar als Clown auf.

Madonna war schon immer aktivistisch, auch mit dem Einbinden von Bob setzt sie ein Zeichen für queere Menschen, die maßgeblich zu ihren Fans gehören, wie sich auch im Kölner Publikum zeigt. Außerdem holt Madonna mehrere ihrer Kinder auf die Bühne, mit ihrer Tochter Mercy James singt sie eine Ballade am Klavier. Eine echte Diva würde nie die Bühne teilen. Madonna scheint gegen Ende ihrer Karriere kein Problem damit zu haben.

Etwas sentimental ist der Abend, weil sich der Eindruck einstellt, Madonna sei auf großer Abschiedstournee. Viele ihrer Wegbegleiter sind bereits gestorben, auch an sie erinnert Madonna immer wieder. Ein Lied widmet Madonna allen Menschen, die an Aids gestorben sind. Von der Decke hängen Porträts viele ihrer ehemaligen Tänzer. "Like a Virgin" wird als Schattenriss auf der riesigen Videoleinwand zusammen mit Michael Jackson aufgeführt, bei einem Lied prasseln die Fotos von Verstorbenen über die Leinwände, darunter Sinéad O'Connor, David Bowie und Prince.

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"Sie sind der Grund, dass ich noch am Leben bin"

Fast hätte es auch die Queen of Pop erwischt, im Juli lag Madonna mit einer bakteriellen Infektion auf der Intensivstation. Umso beeindruckender, was Madonna an diesem Abend, nur wenige Monate später, alles leistet. "Meine Lungen funktionierten nicht mehr, ich konnte nicht mehr selbständig atmen", erzählte sie bei einem früheren Konzert. Auch an diese sichtlich schlimme Zeit in ihrem Leben erinnert Madonna in Köln. In einer Passage erzählt sie, wie dankbar sie über ihre Kinder ist. "Sie sind der Grund, dass ich lebe, dass ich noch am Leben bin", sagt sie. Danach singt sie "I will survive" von Gloria Gaynor.

Am Ende hat Madonna wirklich jeden ihrer Hits performt. Knapp vierzig Lieder ist die Setliste lang. Ganz am Ende singt sie noch "Celebration" und "Music" mit weißem Schleier über dem Kopf. Dann sinkt Madonna in den Bühnenboden und ist weg. Die 65-Jährige hat gezeigt: Sie kann es noch – und vor allem will sie noch.

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtungen vor Ort
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