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Verschlungene Kanäle - Westmusik im Ostradio: Ein Date mit dem Platten-Schmuggler


Verschlungene Kanäle
Westmusik im Ostradio: Ein Date mit dem Platten-Schmuggler

Von dpa
21.09.2020Lesedauer: 3 Min.
Wolfgang Martin stellt sein Buch "Wie die Westmusik ins Ost-Radio kam" in Berlin vor.Vergrößern des BildesWolfgang Martin stellt sein Buch "Wie die Westmusik ins Ost-Radio kam" in Berlin vor. Mit dabei: Georgi Gogow von City (l) und Maschine Birr von den Puhdys. (Quelle: Gerald Matzka/dpa-Zentralbild/dpa./dpa)
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Berlin (dpa) - Ob Michael Jackson oder Peter Maffay: Musik vom "Klassenfeind" war in der DDR ganz offiziell in den staatlichen Radiosendern zu hören. Aber die Einfuhr von Schallplatten aus dem Westen war verboten. Auf welchen Kanälen gelangten die Songs von der anderen Seite der Mauer dann aber in die DDR-Rundfunkstudios?

Der Radioredakteur Wolfgang Martin, einst Leiter der Musikredaktion von Jugendradio DT 64, beschreibt die verschiedenen, teils illegalen und nicht ungefährlichen Wege - in seinem Buch "Wie die Westmusik ins Ostradio kam".

Lange galt in der DDR: Im Radio und auch auf der Tanzfläche musste 60 Prozent der Musik aus sozialistischen Ländern stammen - aber 40 Prozent der Songs durften von Musikern aus dem "NSW", also dem Nichtsozialistischen Wirtschaftsgebiet, kommen. Ein Grund für diese Öffnung: Die jungen Leute in der DDR sollten nicht zum West-Radio gedrängt werden.

Ein "vertrauenswürdiger" Abteilungsleiter beim DDR-Radio durfte daher für einen "nicht sehr hohen Devisen-Betrag" auf Schallplatten-Shoppingtour in West-Berlin gehen, wie Martin beschreibt. Leichter war es, in Ungarn und in der ČSSR Alben von Musikern aus dem "kapitalistischen Ausland" zu kaufen. Aber, so Martin: "Es gab dann manchmal technische Probleme, weil es sich um Pressungen aus Indien handelte, die eine sehr viel schlechtere Tonqualität aufwiesen als die Originale."

Die DDR-Radiomacher durften auch Musik mit vielen Sendern anderer Staaten austauschen, etwa aus Griechenland, Italien und Spanien. Im Gegenzug erhielten die westlichen Sender die jeweils aktuellen Pop- und Rock-Hits aus der DDR. Auch manch Promoter aus dem Westen brachte bei Treffen mit Bands und Radio-Redakteuren aktuelle Platten mit in die DDR.

Doch all das reichte noch nicht, um den Hörern genügend Musik aus dem Westen anbieten zu können. So probierte Martin einige illegale Methoden aus, wie er beschreibt: "Mein erstes Opfer war meine Oma, die als Rentnerin schon in den 1960er Jahren legal nach "drüben" reisen durfte", schildert er. Aus Angst vor dem Zoll lehnte die Oma den Wunsch ihres Enkels, ihm statt Schokolade Schallplatten mitzubringen, erst vehement ab. Doch dann brachte sie zwei Singles mit. "Erst viele Jahre später erzählte sie mir, wo sie die beiden Singles versteckt hatte, nämlich in ihrer Bluse, am BH. Dabei hatten die Zöllner nicht einmal ihren Koffer kontrolliert", berichtet der Enkel.

Mehrmals habe er sich dann noch mit professionellen Platten-Dealern eingelassen. "Von einem der Westberliner Plattendealer, die sich (in der Nähe vom Bahnhof Friedrichstraße) versteckt in Ecken aufhielten, kaufte ich meine erste original Westschallplatte, für damals sagenhafte 50 oder sogar 60 DDR-Mark." Es war eine LP der Tremeloes.

Später freundete sich Martin mit dem Kollegen Olaf Leitner vom RIAS an; "was als persönliche und höchst gefährliche Berührung mit dem Klassenfeind galt". Leitner schrieb nicht nur ein Buch über die Rockszene der DDR, in dem die Musikredakteure in Ost-Berlin oft nachschlugen. Er gab Musikern aus dem Osten auch oft Schallplatten für Martin mit.

Frank Schöbel, einer dieser Boten, schreibt in seiner Autobiografie: "Eigentlich war ich sowas wie ein kleiner musikalischer Ost-West-Briefkasten." Wolfgang Martin habe ihm Schallplatten etwa von den Puhdys, Karat und Silly für den West-Kollegen mitgegeben - und er habe dann Platten von Leitner in den Osten mitgenommen, "meist englisch-amerikanische Produkte."

Wolfgang Martin: Wie die West-Musik ins Ost-Radio kam. Verlag Bild und Heimat, Berlin, 234 Seiten, 19,99 Euro, ISBN 978-3-95958-253-7

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