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Leni Riefenstahl – eine "Paradefrau" Hitlers


117. Geburtstag Leni Riefenstahls
Hitlers "Paradefrau" war blind für ihre wahre Rolle


22.08.2019Lesedauer: 4 Min.
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Leni Riefenstahl sitzt auf dem SofaVergrößern des Bildes
Leni Riefenstahl: Sie gilt als eine der umstrittensten Persönlichkeiten der deutschen Geschichte. (Quelle: imago images / Plusphoto)

Leni Riefenstahl wäre am 22. August 117 Jahre alt geworden. Nach wie vor ist sie – wie auch ihre Kunst – Gegenstand kontroverser Diskussionen.

In den Augen ihrer schärfsten Kritiker war Leni Riefenstahl eine skrupellose Nazi-Propagandistin. In den Augen ihrer künstlerischen Anhänger eine Frau, die im Auftrag der Schönheit handelte. Eines ist Riefenstahl auf jeden Fall: umstritten. Filmhistoriker Liam O'Leary sieht die Umstrittenheit Riefenstahls darin begründet, dass sie ein künstlerisches Genie, aber ein politischer Trottel gewesen sei.

Helene Bertha Amalie, genannt "Leni", Riefenstahl wurde am 22. August 1902 in Berlin geboren. Sie wuchs als Tochter eines Handwerkermeisters und einer Schneiderin auf. Schon früh zeigte sich ihr künstlerisches Interesse und Talent, doch ihre Künstlerlaufbahn musste sie sich erkämpfen.

Knieverletzung besiegelte ihre Tanzkarriere

Leni Riefenstahl wollte Tänzerin werden, was nicht den Vorstellungen ihres Vaters entsprach. Gegen dessen Willen nahm sie heimlich Tanz- und Ballettstunden. Sie bildete sich unter Größen wie Eugenie Eduardowa und Mary Wigman im rhythmischen Turnen, Improvisations- und Ausdruckstanz weiter. 1920 trat Riefenstahl in Deutschland, in der Schweiz sowie der Tschechoslowakei auf. Eine Knieverletzung zwang sie jedoch, ihre Tanzkarriere aufzugeben.

Der Film "Berg des Schicksals" (1924) von Arnold Fanck begeisterte Riefenstahl so sehr, dass sie beschloss, Schauspielerin zu werden. Als sie Fanck kennenlernte, verpflichtete er sie als Hauptdarstellerin für die Filme "Der Heilige Berg" (1926), "Der große Sprung" (1927), "Die Weiße Hölle vom Piz Palü" (1929) und "Stürme über dem Mont Blanc" (1930). In dieser Zeit lernte Riefenstahl nicht nur Skilaufen und Bergsteigen, sondern auch das Filmemachen. 1932 gründete sie die Produktionsfirma "Leni Riefenstahl Studio Film".

Regiedebüt und Hitlers Begeisterung

Mit "Das blaue Licht" (1932) feierte Riefenstahl schließlich ihr Debüt als Regisseurin. Außerdem fungierte sie als weibliche Hauptrolle, Produktionsleiterin und führte die Montage aus. Für ihr Werk erhielt sie die Silbermedaille auf der Biennale in Venedig. Der Publikumserfolg führte zu einem ersten Treffen zwischen Hitler und Riefenstahl im Mai 1932.

Riefenstahl, wie Alice Schwarzer schreibt, schwärmte für Hitler. Das Gleiche hätten viele andere Deutsche getan. "Nur bei ihr kam hinzu – der Führer schwärmte auch für Leni." Hitler nannte sie 1942 sogar eine "Paradefrau". In einem Interview mit "Die Welt" im Jahr 2002 betonte Riefenstahl dennoch, dass sie verzweifelt gewesen sei, für Hitler Filme machen zu müssen. Sie habe ihm sogar das Versprechen abgenommen, für nur einen Parteifilm engagiert zu werden.

Aber es kam anders: Auf "Der Sieg des Glaubens" (1933) folgten mit "Triumph des Willens" (1935) sowie "Tag der Freiheit! – Unsere Wehrmacht" (1935) zwei weitere Propagandafilme. Es sind der vielfältige Bilderrhythmus, chronologische Brüche, innovative Kameraeinstellungen sowie Schnitte, aufgeladene Nazi-Symbole durch Licht- und Musikeffekte, die "Triumph des Willens" zu einem der wirkungsvollsten Propagandafilme machten.

Faschismus in schönen Bildern

1936 erhielt Riefenstahl den Auftrag, die Olympischen Spiele zu dokumentieren. Es entstand in 18-monatiger Schneidearbeit ein zweiteiliger Film: "Olympia – Fest der Völker" (1938) und "Olympia – Fest der Schönheit" (1938). Wissenschaftler kommen zu unterschiedlichen Urteilen über den Film: Während Michael Töteberg durch die "Choreographie der Massen" und der Darstellung "muskulöser Kämpfer" Riefenstahl als Propagandistin des faschistischen Menschenbildes einstuft, betont Literaturwissenschaftler Karl Ludwig Pfeiffer, dass der Film keine "völkische Ideologie" darstelle, sondern eine "Verdichtung der athletischen Seite des Wettbewerbs" visualisiere.

"Tiefland" (1954) wurde Riefenstahls letzter Film. Er sorgte nachhaltig für kontroverse Diskussionen und führte zu einer Unterlassungserklärung im Jahre 2002 gegen Riefenstahl. Für den Film wurden mehr als 100 Sinti und Roma aus Konzentrationslagern als Statisten eingesetzt. Die Regisseurin hat behauptet, sie habe "alle Zigeuner, die in Tiefland mitgewirkt haben, nach Kriegsende wiedergesehen. Keinem einzigen ist etwas passiert." Vertreter des Vereins Rom e.V. hatten allerdings herausgefunden, dass viele der Statisten in Konzentrationslagern umgekommen sind. Leni bekundete ihr Bedauern, betonte aber weiterhin, während der Dreharbeiten keine Kenntnis von Vorgängen in den Konzentrationslagern gehabt zu haben.

Öffentliche Kritik und Beginn ihrer Karriere als Fotografin

Riefenstahl stieß nach dem Krieg in der Öffentlichkeit auf harte Kritik und konnte nur noch wenige ihrer Filmprojekte umsetzen. In der Folge wendete sie sich der Fotografie zu. In den Siebzigerjahren lebte sie mehrere Monate bei einem sudanesischen Ureinwohnerstamm. Ihre Fotografiekunst erlangte nationale und internationale Anerkennung. Im Alter von 71 Jahren absolvierte Riefenstahl eine Tauchausbildung und veröffentlichte mehrere Fotobände mit Unterwasseraufnahmen. Die 1987 veröffentlichten Memoiren wurden zwar ein Verkaufserfolg, doch laut Kritikern setzte sie sich zu wenig mit den Problemen in ihrer Laufbahn auseinander.

Ray Müller drehte mit "Die Macht der Bilder" (1993) anlässlich ihres 90. Geburtstages eine Filmbiografie. Sie wurde mit dem Fernsehpreis "Emmy" ausgezeichnet. 1996/97 fanden umfassende Werkschauen in Rom und Mailand statt. In den USA erhielt sie 1997 eine Auszeichnung für ihr Lebenswerk.

Wie weit darf man für Kunst gehen?

Möchte man Leni Riefenstahl als auch ihre Kunst in die deutsche Geschichte einordnen, scheitert man unweigerlich an der Widersprüchlichkeit ihrer Person, wie bereits Jörg Thomann in einem Artikel der "Frankfurter Allgemeine" feststellte. Im Kern liegt die Widersprüchlichkeit darin, dass sie sich zu Lebzeiten nur als unpolitische Künstlerin gesehen hat. "Realität interessiert mich nicht", sagte sie in einem Interview mit dem "Spiegel" von 1997.

Riefenstahl hielt bis zu ihrem Tod am 8. September 2003 an dem Glauben fest, ihre Werke könnten eine von Inhalten losgelöste Kunst sein: "Ich habe nie begriffen, warum man mich hier in Deutschland so angegriffen und gemieden hat", sagte sie kurz vor ihrem Tod in einem Interview mit "Die Welt". Gerade diese fehlende Selbstkritik und die fast naive Ausblendung ihrer Einbindung in den NS-Staat ist es, was ihr viele der Deutschen nicht verzeihen können.

Verwendete Quellen
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