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"Deutschland 89"-Schauspieler Sylvester Groth: "Das Business ist knallhart"


Über Konkurrenzdenken
Sylvester Groth: "Das Business ist knallhart"

  • Steven Sowa
InterviewVon Steven Sowa

Aktualisiert am 07.11.2020Lesedauer: 6 Min.
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Sylvester Groth: Hier ist der Schauspieler bei Dreharbeiten am Set von "Deutschland 89" zu sehen.Vergrößern des Bildes
Sylvester Groth: Hier ist der Schauspieler bei Dreharbeiten am Set von "Deutschland 89" zu sehen. (Quelle: imago images / Raimund Müller)

Zuletzt glänzte er in seiner Rolle in der Amazon-Serie "Deutschland 89": Sylvester Groth. Der Schauspieler ist seit Jahrzehnten im Schauspielgeschäft tätig und plaudert im Gespräch mit t-online aus dem Nähkästchen.

Schauspieler, die ihre "privaten Befindlichkeiten" in den Vordergrund rücken, missfallen Sylvester Groth. Warum es für den 62-Jährigen nie in Frage kommen würde, "zum Psychiater" zu gehen und was ihn an dem Schauspielgeschäft nervt, erklärt er im Interview.

t-online: "Gut Geld verdienen, lange schlafen können und mit dem Spaß auch noch berühmt werden" – das war einst ihre Losung für die Schauspielkarriere, Herr Groth. Klingt locker-flockig, aber ganz so einfach war es dann doch nicht oder?

Sylvester Groth: Das soll ich gesagt haben?

Ich meine schon.

Okay, also: Lange schlafen, finde ich gut. Gutes Geld verdienen, klar. Aber berühmt werden wollte ich eigentlich nie. Das war nie mein primäres Ziel. Ich wollte immer ein guter Schauspieler werden.

Wer war Ihr Vorbild?

Da gab es viele, auch viele Frauen. Anna Magnani zum Beispiel: gigantisch! Jean Gabin, auch so eine Wucht. Überhaupt diese französischen Charakterdarsteller: im französischen Film gibt es eine ganz andere Kultur, die ist hierzulande eine Seltenheit. Rainer Werner Fassbinder hat das geschafft. Keine Märchen erzählen, Wirklichkeit abbilden – das ist es, worum es geht.

Auf welche Rolle sind Sie rückblickend besonders stolz?

"Der Aufenthalt".

Das war ganz am Anfang Ihrer Karriere, 1983, damals noch in der DDR.

Ja, da ist die Unschuld verloren gegangen. Das war ein Glücksfall. Und da will ich irgendwann wieder hin. Wenn ich 80 oder 90 bin – vielleicht schaffe ich es.

Sie werden also noch in hohem Alter vor der Kamera stehen?

So Gott will und solange man mich lässt. Es hängt davon ab, ob ich noch Angebote bekomme. Und natürlich wird es beschwerlicher, weil der Körper nicht mehr alles mitmacht. Außerdem werden die Rollen auch dünner.

Ausgebildet wurden Sie an der Staatlichen Schauspielschule Berlin, heute besser bekannt als Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch. Damals lernten Sie noch in einem alten Bootshaus "ganz nah mit der Arbeiterklasse" gegenüber vom Kabelwerk Oberspree. War das Nah-Dran-Sein am Proletariat für Sie in irgendeiner Art prägend?

Dort habe ich drei Jahre studiert, das ist richtig. Diese Nähe zum angeblichen Proletariat war allerdings totaler Blödsinn, prägend war daran gar nichts. Aber es gab Koryphäen, die für mich prägend waren: Hildegard Buchwald in der Bewegung und Barbara Bismark als Sprecherzieherin. Das waren ganz wichtige Menschen für mich. Im Gegensatz zu diesem unsäglichen Hans-Peter Minetti, der die Ausbildung an der Schule völlig unnötigerweise von drei auf vier Jahre verlängerte.

Hegen Sie einen Groll gegen Ihn?

Es gibt einfach Menschen, die mich in meinem Leben vorangebracht haben und die wichtige Dinge vollbracht haben – Minetti gehört nicht zu ihnen. Ich bin der Meinung: Talent kannst du nicht ausbilden. Entweder du hast es, oder du hast es nicht. An der Schule konnte ich mir handwerkliche Fertigkeiten abholen, das war großartig. Aber dafür braucht man keine vier Jahre. Drei Jahre Schauspielschule reichen völlig.

Die Schule stand nach der Wende vor dem Aus. Sie sollte mit der Hochschule der Künste, heute die Uni der Künste, im Westen zusammengelegt werden. Aber Schüler und Lehrer haben für die "Ernst Busch" gekämpft. Für die Einzigartigkeit dieser Schule im Osten. Wie symptomatisch war das im Ringen um eine DDR-Identität?

Ja, ich finde das auch interessant, aber ob das symptomatisch ist?

Immerhin ist es eines der wenigen Beispiele, wo sich eine Institution des Ostens durchsetzen konnte. Gegenbeispiele sind hingegen klar in der Überzahl.

Das stimmt natürlich. Ich muss aber auch sagen: Damals im Osten, in diesem alten Bootshaus, das war noch eine ganz andere Qualität. Das war viel kreativer. Wie soll einem Künstler in dem danach folgenden, neuen Gebäude in der Schnellerstraße, in diesem trostlosen Betonbunker, etwas Originelles zu einer Rolle einfallen? Das ist doch anstrengend, zwischen solch einem Waschbeton zu studieren und zu arbeiten.

Finden Sie es dennoch gut, dass die Ernst-Busch-Schule immer noch Bestand hat und eben nun im geeinten Deutschland Schauspieler ausbilden kann?

Natürlich! Ich finde es sehr wichtig, dass es diese Schule heute noch gibt. Dieses Ethos des Studiums ist einzigartig und auch das Erfolgsgeheimnis der Schule. Zumindest früher war sie sehr straff organisiert und da gab es keinen Raum für Befindlichkeiten. Dort wurde man nicht verhätschelt. Im Gegenteil: Man musste auf Zack sein. Aber nicht auf eine unmenschliche Art – es war eben einfach sehr berufsorientiert. Und es wurde darauf geachtet, dass die Ausbildung immer mit den besten Mitteln erfolgte, die zur Verfügung standen. In der DDR war das hochprofessionell: die Lehrer waren selbst als Schauspieler oder Regisseure tätig und zeigten dir als Schüler auch die unangenehmen Seiten auf.

Und die wären?

Das Business ist knallhart. Du musst dich durchsetzen, ständig mit anderen messen und brauchst dafür viel Disziplin. Du kannst noch so begabt sein, ohne Disziplin funktioniert es nicht. Wer keine Disziplin hat, fliegt von der Schule. Schauspiel ist kein Streichelzoo – die Schule macht da zu Recht keine Kompromisse.

Haben Sie schon mit Kollegen zusammengearbeitet, die im Westen ausgebildet wurden und anders über die Schauspielerei denken als Sie?

Ja, auf jeden Fall. Es gibt auch Kollegen, die gar nicht denken. (lacht) Aber im Ernst: Die Herangehensweise von Schauspielern aus den alten Bundesländern ist oft eine andere.

Wie macht sich das bemerkbar?

Meistens spielen private Befindlichkeiten eine große Rolle. Aber Schauspieler neigen dazu, Ausreden für Probleme zu suchen. Dann projizieren sie Weltsichten auf eine völlig profane Problemlage. Das ist schwachsinnig, aber passiert leider viel zu oft. Es wäre viel leichter zu sagen: 'Entschuldigung, ich kriege das gerade nicht hin.' Aber diese Offenheit gibt es nicht, weil es in dem Geschäft so ein falsches Konkurrenzdenken gibt. Manchmal rollen dann auch Tränen – bei Männern wie bei Frauen.

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Braucht man als Schauspieler auch mal professionelle Hilfe bei all dem Druck, den Sie beschreiben?

Also ich persönlich würde nie zum Psychiater gehen. Aber viele Menschen nehmen das in Anspruch, wenn sie nicht zurechtkommen – auch im Schauspielberuf. Sicherlich ist das hilfreich, das streite ich gar nicht ab. Aber ich löse das anders.

Wie denn?

Ausschließlich mit mir selbst. Indem ich mich zurückziehe und schaue, was da kommt.

Sie hatten also auch schon Momente, in denen Sie gezweifelt haben?

Ja, aber das muss ich nicht nach außen tragen. Das kann ich mit mir oder mit engen Freunden ausmachen. Da ist ohnehin das Allerwichtigste: enge Freunde. Sie sind auch ein Korrektiv. Sie sagen auch mal: 'Was hast du denn da für einen Scheiß gemacht?' Und das soll auch so sein.

Wie zeigen Sie ihnen Ihre Dankbarkeit?

Indem ich versuche, Kontakt zu halten und indem ich mich immer wieder daran erinnere. Das ist die Lebensschule: dass man von bestimmten Menschen im Leben etwas mitbekommen hat, das immer noch Gültigkeit hat.

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Sind Sie öffentlichkeitsscheu, Herr Groth?

Ja, das bin ich. Ich freue mich, wenn man meine Arbeit wahrnimmt, aber als Person habe ich gerne meine Ruhe.

Die Menschen in Deutschland kennen Sie nur aus Ihren Rollen, Sie treten weder in Quiz- noch in Talkshows auf und auch sonst machen Sie sich rar. Ganz im Gegensatz zu so manch Ihrer Kollegen.

Das ist auch gut so. Man sollte nicht alles ins Schaufenster legen. Man braucht auch hinten noch etwas im Laden, sonst wird man zu schnell durchschaut.

Verraten Sie uns doch wenigstens eine Kleinigkeit: Sie ziehen so oft um. Was war Ihnen immer wichtig bei der Wohnungswahl?

Eine Wohnung muss mir den Schutz bieten, den ich brauche. Der Blick muss stimmen. Frei und unverstellt muss er sein. Und ich möchte möglichst zentrumsnahe leben, der Stadtrand wäre nichts für mich. Ständig irgendwohin fahren müssen? Nein, dafür bin ich zu bequem. Ich muss alles zu Fuß erreichen können. Die Formel lautet: Oben brauche ich meine Ruhe und wenn ich aus der Tür trete, erwartet mich das brodelnde Leben – so stelle ich mir eine perfekte Wohnung vor.

Verwendete Quellen
  • Interview mit Sylvester Groth in Berlin
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