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Zum Tod Virgil Ablohs (✝41): Der Universalgelehrte der Popkultur


Zum Tod Virgil Ablohs
Der Universalgelehrte der Popkultur

  • Dominik Sliskovic
MeinungVon Dominik Sliskovic

Aktualisiert am 29.11.2021Lesedauer: 4 Min.
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Virgil Abloh: Der Designer, der zuletzt die Kollektionen des Traditionshauses Louis Vuitton verantwortete, ist an den Folgen seiner Krebserkrankung gestorben.Vergrößern des Bildes
Virgil Abloh: Der Designer, der zuletzt die Kollektionen des Traditionshauses Louis Vuitton verantwortete, ist an den Folgen seiner Krebserkrankung gestorben. (Quelle: Nasser Berzane/ABACAPRESS.COM)

Virgil Abloh ist tot. Diese Nachricht schockte die Popkultur am Sonntagabend. Mit dem US-Amerikaner verliert die Modewelt ihren radikalsten Vordenker und kritischsten Geist.

Sie kam so plötzlich und unerwartet, dass man sie gleich ein zweites und drittes Mal lesen musste. Die kurze Bulletin des Modehauses Louis Vuitton, in der die Traditionsmarke den Tod seines Creative Directors Virgil Abloh betrauert. Im Alter von 41 Jahren war der US-Amerikaner an den Folgen einer Krebserkrankung verstorben, die er seit Jahren für sich behielt.

Der Schmerz über den Verlust Ablohs ist jedoch weit über die Grenzen der piekfeinen Modewelt hinaus zu vernehmen. Denn Abloh war ein Universalgelehrter der Popkultur. Kleidung, Möbel, Musik, Architektur – in all diesen Bereichen hinterlässt er ein Vermächtnis, das seinen Tod lange überdauern wird. Weil es noch auf Jahrzehnte stilprägend sein wird.

Eine Begegnung in Rom veränderte Ablohs Leben

Sein einzigartiger Mix aus Minimalismus und plakativen Slogans war dabei das Ergebnis seines eigenen, wilden Werdegangs. Abloh studierte Architektur am renommierten Illinois Institute of Technology, sah die Disziplin jedoch nur als eine von vielen Formen an, um Stil auszudrücken. Bereits während der Arbeiten an seiner Abschlussarbeit – einem mehrere Grad geneigten Wolkenkratzer, der im Herzen seiner Heimatstadt Chicago entstehen sollte – widmete er sich seinen ersten Gehversuchen im Mode- und Produktdesign.

Abloh entwickelte sich schnell zum Liebling der großstädtischen "Blogosphäre" – doch die überschaubare Aufmerksamkeit reichte ihm nicht. Er dachte größer. Er wollte die Art, wie man über Luxusgüter nachdenkt, wie man sie konsumiert, verändern. Also ließ er die aussichtsreiche Karriere als Architekt und Stadtplaner, die ihm winkte, hinter sich und schrieb sich für ein Lehrprogramm beim italienischen Modehaus Fendi ein. Ausgerechnet in Rom, zehn Flugstunden von der Heimat entfernt, traf er auf einen weiteren jungen Mann aus Chicago, der ihm bei seinem Vorhaben entscheidend helfen sollte: Kanye West.

West und Abloh verstanden sich auf Anhieb blendend. Beide teilten die Liebe zur Mode, Musik und Architektur. West, zu dieser Zeit bereits ein weltweiter Rap-Superstar, sah das visionäre Potenzial im drei Jahre jüngeren Abloh, machte ihn kurzerhand zum Direktor seiner Kreativagentur und ließ ihn das Cover seines Albums "Yeezus" designen – ein weiteres Paradebeispiel für Ablohs Ansatz: Er reduzierte das Produkt auf das Wesentliche – CD in einer Plastikhülle – und versah es mit einem orangefarbenen Klebebandstreifen. Der Kniff dahinter war so genial wie simpel: Wer die Musik hören wollte, musste dafür zunächst das Siegel und damit das Makellose brechen.

Viel wichtiger jedoch noch als das Anvertrauen seiner Bildsprache war, dass West Abloh das Startkapital für sein erstes Unternehmen lieh.

Pyrex23, so der Name, liest sich auf dem Papier wie eine alberne Schnapsidee: Für 550 US-Dollar kaufte Abloh den Restbestand alter Ralph-Lauren-Rugbyshirts auf, versah sie auf dem Rücken mit dem Schriftzug seiner Firma und verkaufte sie für einen über 1.000-prozentigen Aufschlag weiter. Die ersten 40 Hemden waren innerhalb kürzester Zeit vergriffen.

Abloh stellte die Grundfesten der Modebranche in Frage

Retrospektiv sprach Abloh gerne schmunzelnd über Pyrex23 als künstlerisches Experiment: Geht es den Menschen wirklich um das Design eines Kleidungsstücks – oder doch etwa nur um die mutmaßliche Exklusivität, das es ausdrückt? Auch wenn Abloh öffentlich kokett mit der Frage umging, beschäftigte ihn der darin zugrunde liegende Gedanke über den Wert von gutem Design nachhaltig.

Sein Versuch einer Lösung hieß Off-White. Die Luxusmarke mit den gekreuzten Pfeilen entwickelte sich innerhalb kürzester Zeit zu einer Ikone der Modebranche. Abloh hebelte die festgelegten Mechanismen der Modebranche auf, verzichtete auf Runway-Shows und nutzte auch mal aussortierte Sicherungsgurte für seine Handtaschen.

Er machte keinen Hehl daraus, dass es ihm immer darum ging, zu sehen, wie weit er seine Karikatur der Mode, seine feine Kapitalismuskritik treiben konnte. Doch Off-White wollte einfach nicht implodieren. Stattdessen bissen Nike und Ikea an, spannen Abloh als provokativen Kooperateur ein und polierten ihr Image bei den so einnahmekräftigen Zielgruppen der Generation Y und Z kräftig auf. Aus Ablohs zweitem Versuch, den Influencern und Trendsettern den Spiegel vorzuhalten, wurde unverhofft ein Multi-Milliarden-Dollar-Unternehmen.

So wunderte es niemanden, dass sich auch die bonierte Seite der Modewelt bald um den ehemaligen Fendi-Praktikanten bemühte. Denn auch die Häuser in Paris, Mailand und Rom bemerkten, dass nicht Prêt-à-porte und Haute Couture, sondern Streetwear den Zeitgeist prägte – und damit auch das Geld einbrachte.

Bei Louis Vuitton am Ziel aller Träume – dachte man zumindest

Den Zuschlag erhielt schließlich 2018 Louis Vuitton, die sich nebenbei auch noch die Mehrheit der Anteile an Off-White sicherten. Abloh hatte es geschafft: Er hatte der Modewelt nicht nur seinen Stempel aufgedrückt, sondern seine Philosophie aufgezwungen. An ihm war kein Vorbeikommen. Nach seiner ersten Runway-Show für Louis Vuitton lag er sich mit Freund und Mentor Kanye West weinend in den Armen.

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Er war am Ziel seiner Träume angelangt. Dachte man zumindest. Doch auch bei Louis Vuitton propagierte Abloh die Abkehr von altbekannten Veröffentlichungszyklen und die Langlebigkeit bereits im Umlauf befindlicher Kleidung. Sein neues Ziel war es, Menschen dazu zu verleiten, den Kauf neuer Klamotten komplett zu stoppen.

Der große Visionär, der er war, sah keinen Sinn mehr darin, neue Kleidungsstücke zu kaufen, "wenn in den Vintagshops da draußen so viele coole Klamotten sind, die es wert sind, getragen zu werden. Wie viele T-Shirts können wir noch besitzen, wie viele Kapuzenpullover, wie viele Sneaker?" Für ihn stand fest: "Auch die Streetwear, wie wir sie kennen, wird schon sehr bald sterben."

Mit Virgil Abloh ist bereits heute ein enormer Teil von ihr gestorben.

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