"Sex Tape": Only-Fans-TV für Geschmacklose

Stars gewähren Einblicke in ihr Sexleben. Was sexy daherkommen will, ist billigstes Schmierentheater. Die Show mutiert schon in Folge eins zum Rohrkrepierer.

Vielfach wurde es heraufbeschworen: das Ende des guten, alten Trash-TV. Die Gründe dafür: bekannt. Die Promidichte in den Formaten wird immer weniger, stattdessen bedienen sich die TV-Macher aus einem Tool an Influencern, die teils sogar auf ihre Gage verzichten würden, um ins Fernsehen zu kommen. Denn die neue Währung sind Follower und eine große Reichweite auf Social Media. So werden Reality-TV-Formate immer extremer. Teilnehmer keifen, zündeln und ziehen blank. "Sex sells" heißt die Devise.

Dass Nacktheit und Freizügigkeit kein Garant für gutes Reality-TV sind, wissen wir nicht erst seit "Adam sucht Eva". Nun versucht sich der Streaming-Anbieter Discovery+ an einer neuen Show, die in Wahrheit ein alter Hut ist. Der Name des frivolen Formats: "Sex Tape V.I.P.". Allein der Zusatz mutet – vielleicht unfreiwillig – bereits komisch an.

Denn zu den "berühmten Personen", die bei Moderatorin Natascha Ochsenknecht ein Sex Tape einreichen, gehören unter anderem: Ennesto Monté, der Mann, der sich in den Medien hält, weil er gefühlt ständig über seine Penisverlängerung und seine einstige Sexsucht schwafelt, Natalia Osada, die Ex-Freundin eines Herrn Bastian Yotta, der wegen seines misogynen Verhaltens achtkantig aus dem deutschen TV geflogen ist und noch ein paar andere Parteigenossen, die – sagen wir mal so – vermutlich alles machen würden, um vor einer Kamera rumhampeln zu dürfen.

Billige Abklatsch des Erotik-Klassikers "9½ Wochen"

In einer Villa, die eher anmutet wie ein saubere "Sommerhaus"-Butze, empfängt Natascha Ochsenknecht zwölf Promis, die ihr ganz persönliches Sex Tape mitbringen und dem Zuschauer damit quasi einen intimen Blick durchs Schlüsselloch in ihr Schlafzimmer gewähren. In der ersten Folge: Natalia Osada und ihr Gatte Jiorgos, Julia Jasmin Rühle, genannt JJ, und ihr René sowie Ennesto Monté, der Mann mit der Stinktierfrisur, der über sich selbst sagt "dafür verantwortlich zu sein, dass diese Branche interessant ist". Im Schlepptau hat er seine Freundin Marry.

Gemeinsam mit Natascha löten sich die Teilnehmer vor Nervosität ein paar Gläser Schampus ein, um sich schließlich auf dem Sofa vor der Glotze zu versammeln und die Sex Tapes einzulegen. Den Lippen der neuen Erika Berger von Discovery+ entweichen zwischendrin sexualwissenschaftlich hochkomplexe Kommentare wie "Oh, wie süß!", "Niedlich" oder: "Hihihi".

Aber haben die Teilnehmer tatsächlich vor der Kamera Sex? Ja, haben sie. Wir sehen die "Berlin – Tag und Nacht"-Darstellerin JJ in heimischen Laken für ihren Partner René das Beinchen heben und hören sie von einem "perfekten Sexleben" schwärmen. Weil die beiden aber schon Jahrzehnte zusammen seien, sei man nicht abgeneigt, sich künftig ein Pärchen ins Bett zu holen. Besonders wild soll es zwischen den beiden zugehen, wenn "Nutella" im Haus ist. Sie ahnen es: der billige Abklatsch des Erotik-Klassikers "9½ Wochen" mit Kim Basinger und Mickey Rourke.

Eine in Watte gehüllte Diskussion über das Liebesleben

Auch lustig: Man(n) macht auf großen Zampano und wirkt bei einer Sexshow mit, gleichzeitig hält man sich vor lauter Schamgefühl aber die Hände vors Gesicht. "Hihi, oh, Gott!"

Auch Natalia Osada und ihr Mann haben ein Sex Tape eingereicht. Doch statt intimer Einblicke gibt's für den Zuschauer eine muffige Ehefrau, die ihren Mann anranzt, weil der es wagt, sie am Herd zärtlich zu berühren. Sex bleibt für das Paar oft auf der Strecke. Der Alltag sei leider eingekehrt, dazu die Kinder des Mannes. Da sei frau abends eben oft müde. Die beiden machen aber bei der Show mit, um dem Zuschauer zu zeigen, dass Sex nicht alles in einer Beziehung sei.

Indes freut sich Frau Ochsenknecht, dass an dem Format so viele "Exoten" teilnehmen. Das stimmt. Die Massage von Osada durch ihren Göttergatten auf dem Wohnzimmertisch mutet wahnsinnig exotisch an. Genauso, wie die Sexszene von Monté und seiner Marry unter der Dusche. Huschhusch, da ist der Ennesto auch schon zu seiner Freundin ins warme Nass gestiegen. Lautes Stöhnen. Sehr sehr lautes Stöhnen. Das Ganze klingt ungefähr so erotisch wie zwei Patienten während einer Wurzelkanalbehandlung.

Kritik muss sich auch Ochsenknecht gefallen lassen, die so gut wie nichts hinterfragt. Eine in Watte gehüllte Diskussion über das Liebesleben. Bloß nicht zu sehr ins Detail gehen. Nichts hinterfragen. Schon gar nicht nach dem Orgasmus der Frau. Denn so schnell wie Monsieur Monté zu seiner Marry in die Dusche steigt, so schnell ist er auch schon wieder draußen. Schließlich vollziehen die beiden erneut den Akt auf dem Sofa – natürlich erst, nachdem Marry ihre Putzarbeiten beendet hat.

Am Ende der ersten Runde sind sich alle Kandidaten einig, dass "'Sex Tape V.I.P.' super bereichernd" war. Das stimmt. Ungefähr so, wie der Only-Fans-Account von Natalia Osadas Ex-Liebhaber Bastian Yotta.