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AfD und BSW: "Recht freundliche, menschliche Kontakte"


Wagenknecht flirtet mit AfD
An der Basis rumort es heftig


04.07.2025 - 17:05 UhrLesedauer: 6 Min.
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Alice Weidel trifft auf Sahra Wagenknecht: Nähern sich AfD und BSW an? (Quelle: Kay Nietfeld/dpa)
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Lange war es ruhig um das Bündnis Sahra Wagenknecht. Doch jetzt sorgen Gespräche mit der AfD für Schlagzeilen. Wie weit geht die Verbindung zwischen den Parteien? Ist sogar eine Koalition denkbar?

Wie hält es das BSW mit der AfD? Zu dieser Gretchenfrage machen beim BSW am Freitag viele Gesprächspartner die Schotten dicht. Eigentlich schon gegebene Statements werden wieder zurückgezogen oder gleich abgewunken: Man wolle sich zum Verhältnis der Partei zur AfD nicht öffentlich äußern, heißt es da. Nein, danke.

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Bei der AfD hingegen ist man aufgeschlossen. Es gebe keinen regelmäßigen Austausch, aber "recht freundliche, menschliche Kontakte" zwischen den beiden Parteien, sagt zum Beispiel Thüringens Co-Landeschef Stefan Möller t-online.

Auch Mecklenburg-Vorpommerns Landeschef, Leif-Erik Holm, bestätigt Kontakte und zeigt sich perspektivisch offen für eine Koalition zwischen AfD und BSW: "Wenn wir damit endlich eine bessere Politik hinbekämen, warum nicht?"

Chrupalla lässt Bombe im TV platzen

Das Verhältnis der Protestparteien am rechten wie am linken Rand des politischen Spektrums steht plötzlich erneut auf der Tagesordnung, weil AfD-Parteichef Tino Chrupalla am Donnerstag eine kleine Bombe platzen ließ: Es gebe Gespräche zwischen der AfD und dem BSW in Sachsen sowie auf Bundesebene, behauptete er da bei "Welt TV". Und zwar "über das, was Deutschland bewegt und wie man Mehrheiten verändern kann".

Von BSW-Chefin Sahra Wagenknecht folgte kurz darauf zwar ein kleines Dementi: "Aktuell" gebe es keine Gespräche auf Bundesebene, sagt Wagenknecht. Sie sei aber offen dafür. Und auf Landesebene habe es ja gerade in dieser Woche Anlass und Gespräch schon gegeben – und zwar in Thüringen. Dort tritt die AfD unter Björn Höcke besonders radikal auf, sein Landesverband steht deswegen für andere Parteien noch weiter hinter der Brandmauer als andere AfD-Verbände.

Der öffentliche Flirt zwischen Chrupalla und Wagenknecht wirft einige Fragen auf. Erstens: Wie gut ist das Verhältnis zwischen BSW und AfD schon jetzt wirklich, wie blickt man aufeinander? Und zweitens: Könnte das BSW, das aus der Linken geboren wurde, womöglich in Zukunft mit der AfD koalieren – und ihr so über die Brandmauer hinweg zu erster Regierungsmacht verhelfen?

In Ostdeutschland ist die Frage relevant

Relevant ist die Frage nach einer möglichen Koalition vor allem in den ostdeutschen Bundesländern, wo die AfD sehr stark abschneidet, aber auch das BSW besser ankommt als im Westen. In Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern zum Beispiel stehen nächstes Jahr Landtagswahlen an. Dort kommen die beiden Parteien jüngsten Umfragen zufolge zusammen auf 38 beziehungsweise 35 Prozent.

Mit mehr als 40 oder 45 Prozent kann es unter bestimmten Umständen schon für eine Regierung reichen. Abhängig ist das davon, wie viele kleine Parteien aus dem Landtag fliegen.

Ein so großer Aufwuchs ist nicht sehr wahrscheinlich, aber eben auch nicht ausgeschlossen. Fraglich ist nur, ob die beiden Parteien unter Chrupalla und Wagenknecht überhaupt wollen, was ihre Chefs da andeuten – oder ob es sich vielmehr um einen strategischen Kniff handelt, der beiden hilft.

Denn schon jetzt hat die Kuschelei Vorteile für beide: Das BSW scheiterte bei der Bundestagswahl noch an der Fünfprozenthürde – nun aber wirkt es plötzlich wieder relevant, ist in den Schlagzeilen und könnte Wähler für sich interessieren, die die Brandmauer zur AfD ablehnen. Die AfD hingegen, mit der trotz ihres großen Erfolgs keine andere Partei koalieren will, erweckt den Anschein, eine Option darauf zu haben, was ihr alle anderen Parteien seit jeher verwehren: mitgestalten, mitregieren.

Wolf oder Wagenknecht?

Stimmen des BSW zur Annäherung an die AfD zu bekommen, ist nicht leicht. Im Landesverband in Thüringen beispielsweise gibt es harte Gegner der Pläne der Führung in Berlin. Für das Lager der Landesvorsitzenden Katja Wolf sind Gespräche mit der AfD undenkbar und Wolf gilt als ärgste innerparteiliche Widersacherin von Sahra Wagenknecht. Noch mal öffentlich mit der Parteichefin aus Berlin anlegen will sich aber auch keiner.

Das Verhältnis des BSW und der AfD war von Beginn an speziell. Die Partei von Sahra Wagenknecht setzte nach der Gründung zwar inhaltlich zunächst andere Schwerpunkte, die Medienstrategie und das Auftreten ähnelten sich aber sehr. Das BSW stilisierte sich auch als Protestpartei gegen das Establishment in Berlin und lieferte einfache Antworten auf schwierige Fragen.

Auf Wahlplakaten hieß es: "Krieg oder Frieden". Oder: "Ampel oder Überholspur". Die Altparteien könnten es nicht, deshalb werde das BSW gebraucht – so die Erzählung von Wagenknecht und ihren Anhängern.

Teile der Basis halten wenig von Wagenknechts Kurs

Inhaltlich lag der Schwerpunkt des BSW auf dem Krieg Russlands gegen die Ukraine – auch das ein Thema, das in sehr ähnlichem Stil ebenfalls die AfD bespielt. Gerade im Osten. Migration hingegen spielte für das BSW zunächst eine weniger große Rolle, hier nahmen sie eher SPD-Positionen ein und bedienten so ihre potenzielle Wählerschaft, die auch aus dem linken Spektrum kam.

Das änderte sich mit den Terroranschlägen vor der Bundestagswahl, nach denen fast alle Parteien die Migration als wichtigstes Thema einstuften. Eigentlich passte das vielen in der Partei nicht. Aber: Die Positionen des BSW gingen nun stärker nach rechts und es gab bei diesem Thema erste Überschneidungen mit der AfD.

Trotzdem nutzte Wagenknecht jede Gelegenheit, sich abzugrenzen – zumindest in Teilen. Sie legte dabei den Schwerpunkt auf die rechtsextremen Tendenzen mancher prominenter AfD-Gesichter. So sagte sie zu möglichen Koalitionen immer wieder sinngemäß, dass es mit der "Höcke-AfD" in Thüringen keine Zusammenarbeit geben könne. Höcke sei ein Faschist und mit Faschisten rede man nicht.

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In Abgrenzung zu allen anderen Parteien aber ließ Wagenknecht schon damals eine große Hintertür offen: Man werde zwar nicht mit der AfD zusammenarbeiten, aber wenn sie inhaltlich gute Anträge einbrächten, werde das BSW für diese Anträge die Hand heben und mitstimmen. Sie verurteilte, dass "Altparteien" AfD-Anträge generell ablehnen.

Diese Linie betont sie auch am Donnerstag: "Ausgrenzung und Redeverbote sind undemokratisch und eine Ohrfeige für diese Wähler, die sie nur noch mehr an die AfD binden", kritisiert Wagenknecht. "Die Brandmauer-Politik hat die AfD immer stärker gemacht und sollte nicht fortgesetzt werden."

An der Basis rumort es damals wie heute heftig. Die Abgrenzung hin zur AfD ist vielen Mitgliedern zu halbherzig, zu wenig. Viele BSWler haben eine Vergangenheit in der Linken, sind überzeugte Antifaschisten und verurteilen die Meinung ihrer Parteivorsitzenden. In dem Pingpong zwischen Wagenknecht und Chrupalla sehen Teile der Basis nun eine neue Qualität der Zusammenarbeit.

AfD: Freude, Skepsis, Ablehnung

In der AfD im Osten fallen die Reaktionen auf den Flirt ihres Chefs mit dem BSW sehr unterschiedlich aus. Am positivsten äußert sich Thüringens Co-Landeschef Stefan Möller. Thüringen aber ist auch Pionier: Hier hat die AfD bei der Landtagswahl so stark abgeschnitten, dass sie eine Sperrminorität innehat und bestimmte Vorgänge blockieren kann.

Das war der offizielle Auslöser für ein Gespräch zwischen Björn Höcke und dem Vorsitzenden der BSW-Landtagsfraktion, Frank Augsten, am Mittwoch. Zwei Stunden sprachen die beiden, es soll dabei um eine Blockade bei der Besetzung wichtiger Justizgremien, aber auch die Landespolitik allgemein gegangen sein.

Das Gespräch mit Augsten habe "bisher eher Ausnahmecharakter", sagt Möller t-online. Aber man laufe sich ja ständig im Landtag oder bei Abendveranstaltungen über Weg. "Da kommt man mit einigen vom BSW gut ins Gespräch." Und diese Gespräche haben für Möller offensichtlich eine politische Strategie: "Das ist ein erstes gegenseitiges Einordnen, man lernt sich kennen."

Möller allerdings ist skeptisch, ob das BSW wirklich über seinen eigenen linken Schatten hin zur AfD, speziell zur Thüringer AfD, springen wird. Es gebe einen "reformorientierten Teil im BSW" und einen, "dem es vor allem um das Fernhalten der AfD von der Macht geht", sagt er, "das Wagenknecht- und das Wolf-Lager." Wolfs Leute würden sich "nie" mit der AfD an einen Tisch setzen. Für eine Koalition käme es unter anderem darauf an, welche der Strömungen sich durchsetze.

Priorität: BSW unter fünf Prozent zu drücken

Auch Leif-Erik Holm, AfD-Landeschef in Mecklenburg-Vorpommern, berichtet von inhaltlichem Austausch und Kooperationen – allerdings vor allem auf Kommunalebene. Der Landesverband des BSW sei nicht sonderlich schlagkräftig. Aber immerhin: Mit BSW-Landeschef Friedrich Straetmanns könne man "sachorientiert und vernünftig reden".

Für eine Koalition zeigt sich Holm zwar offen, betont aber auch: "Es ist ein zweischneidiges Schwert." Einerseits freue man sich über die Aufgeschlossenheit des BSW. "Andererseits ist eine eigene Mehrheit eher erreichbar, wenn das BSW unter fünf Prozent liegt." Und offenbar wäre Holm die konservative CDU als Koalitionspartner lieber: "Realistischer und relevanter ist für uns Blau-Schwarz, wenn es alleine nicht reichen sollte."

Klar auf Konfrontation geht die AfD in Sachsen-Anhalt. Der Landesverband, der als Spitzenkandidaten bereits Ulrich Siegmund aufgestellt hat, teilt auf Anfrage von t-online mit: Es gebe keine Gespräche mit dem BSW, da der Landesverband politisch kaum in Erscheinung trete, aktuell spürbar an Zustimmung verliere und drohe, unter die Fünfprozentmarke zu rutschen. "Unser Ziel bleibt es, ohne Koalitionspartner zu regieren, um unsere politischen Inhalte konsequent umsetzen zu können."

Die AfD-Spitze also mag kuscheln. In den Landesverbänden, vor allem in den für die AfD entscheidenden, stehen die Zeichen noch ganz auf Konkurrenz.

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Wie finden Sie eine Annäherung von AfD und BSW? Schreiben Sie eine E-Mail an Lesermeinung@stroeer.de. Bitte nutzen Sie den Betreff "AfD/BSW" und begründen Sie.

Verwendete Quellen
  • Gespräche mit BSW-Mitgliedern
  • WELT TV
  • Eigene Recherchen

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