Wie bei der "Tagesschau" jetzt getrickst werden muss

Die Nachtausgabe der "Tagesschau" darf in Zukunft ohne Krawatte moderiert werden. Jetzt hat AndrΓ© SchΓΌnke t-online verraten, wer die Idee angestoΓen hat.
"Meine Damen und Herren, ich begrΓΌΓe Sie zur 'Tagesschau'", hΓΆrt man AndrΓ© SchΓΌnke in der Nacht von Samstag auf Sonntag um 1.40 Uhr sagen. Wie gewohnt steht der Nachrichtensprecher in einem dunklen Anzug vor der Kamera. Doch dieses Mal ist etwas anders.
Der Hemdkragen sitzt locker, die Krawatte fehlt. AndrΓ© SchΓΌnke zΓ€hlt zu den Nachrichtensprechern, die kΓΌnftig ohne Schlips durch die Sendung fΓΌhren dΓΌrfen. Kurz vorher wurde die Krawattenpflicht aufgehoben. Seitdem darf selbst entschieden werden: Schlips oder kein Schlips?
Doch was steckt dahinter? Und wer hat das eigentlich entschieden? Im GesprΓ€ch mit t-online erzΓ€hlt der Moderator, wie er von dieser Entscheidung erfahren hat, ob auch die 20-Uhr-Ausgabe bald oben ohne moderiert wird und wieso er auf einmal ohne Krawatte vor einem Problem steht.
t-online: Herr SchΓΌnke, jetzt zeigen Sie sich oben ohne, aber was tragen Sie eigentlich drunter?
AndrΓ© SchΓΌnke: Es gibt Kollegen, die zum Sakko auch mal eine Jeans tragen. Ich habe lieber den kompletten Anzug an. Da bin ich spieΓig. Manchmal kommt es dann doch vor, dass man mich im Studio in einer Kameraeinstellung ganz sieht. Dazu trage ich dann aber meine bunten Socken. Wenn ich seitlich zu sehen bin, dann lasse ich gerne mal ein bisschen bunte Socke rausblitzen. Wenn man mir die verbieten wΓΌrde β das wΓ€re schlimm.
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Und welche haben Sie heute an?
Heute sind es Socken mit Dalmatinern. Am liebsten trage ich welche mit bunten Motiven: Tiere und Essen gehen immer. (lacht) Ich habe inzwischen mehr als 100 Paare. Ich suche die Socken mittlerweile auch passend zu meinem Tag aus. Wenn ich ins Kino gehe, trage ich die Popcorn-Socken, wΓ€hrend der WM dann die mit FuΓballern drauf.
Jetzt dΓΌrfen Sie auch entscheiden, ob Sie eine Krawatte tragen wollen oder nicht. Wie kam es zu dieser Entscheidung β nach 70 Jahren?
Vor zwei Wochen gab es eine Mail aus der Chefredaktion. Da stand drin: Wer mΓΆchte, kann in der Nachtausgabe ohne Schlips auftreten. Hintergrund sind RΓΌckmeldungen von Zuschauerinnen und Zuschauern. Ein wichtiger Hinweis in der Mail war aber noch: Hemd β und kein T-Shirt unter dem Sakko!
War Ihnen sofort klar, dass Sie ohne Schlips moderieren wollen?
Ja, sofort! Ich habe mich gefreut. Endlich! Ich habe gleich die erste Sendung genutzt, um die Krawatte wegzulassen. Man kann auch ohne Schlips seriΓΆs sein. Aber es ist gar nicht so einfach, ein Hemd ohne Krawatte zu tragen.
Wie meinen Sie das?
Bei einem Hemd ohne Schlips muss ich tatsΓ€chlich tricksen. Wenn ich nur den ersten Knopf aufmache, spannt es so und wirft eine komische Falte. Deswegen ΓΆffne ich einfach zwei KnΓΆpfe und trickse mit Klebeband. Wenn man kurz unter dem zweiten Knopf einen Klebestreifen klebt, dann geht das Hemd nicht zu weit auf, aber es sitzt trotzdem ein bisschen lockerer, als wenn ich nur den oberen Knopf geΓΆffnet hΓ€tte.
Ihr Kollege Gerrit Derkowski moderierte die Nachtausgabe am Montag weiterhin mit Krawatte.
Es ist keine Pflicht. Wer mag, kann es ausprobieren. Auch ich werde jetzt nicht fΓΌr immer auf die Krawatte verzichten. Als Mann hat man ansonsten ja nicht mehr viele VariationsmΓΆglichkeiten. Ich habe viele Sakkos in diversen BlautΓΆnen, dann weiΓe, hellblaue und rosafarbene Hemden. Tja, und dann wird es auch schon eng mit der Auswahl. Mit einer farbigen Krawatte kann Man(n) da nochmal eine Varianz reinbringen. Dann merkt vielleicht auch niemand, dass ich das eine Sakko doch am Vortag schon einmal anhatte. Und fΓΌr AnlΓ€sse wie Silvester, Neujahr oder auch die BundesprΓ€sidentenwahl zaubere ich bestimmt auch in Zukunft nochmal eine Krawatte raus.
Aktuell ist von der Krawattenfreiheit nur die Nachtausgabe betroffen. Sehen Sie die auch fΓΌr die 20-Uhr-Ausgabe?
In der Mail der Chefredaktion stand extra drin, dass das jetzt darum geht, "sich langsam ranzutasten". Also quasi eine Art "Test", so wΓΌrde ich es formulieren. Mal sehen, wie dann die Zuschauerreaktionen sind. Bei mir auf den Social-Media-KanΓ€len waren die ersten Reaktionen ΓΌberwiegend positiv. Ich fΓ€nde es gut, wenn es die MΓΆglichkeit auch in der Hauptausgabe geben wΓΌrde. Mal mit, mal ohne. Je nach Tagesform.
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Die "Tagesschau" scheint immer moderner zu werden, wenn auch sehr langsam.
Wir sind ein groΓes Schiff, das fΓ€hrt nicht immer ganz schnell, aber es fΓ€hrt in die richtige Richtung. Das ist ein guter Prozess, wie er zur "Tagesschau" passt. Bei so vielen Zuschauern und Zuschauerinnen aus allen Altersgruppen, die wir haben, wollen wir auf alle RΓΌcksicht nehmen. Die Menschen sind die "Tagesschau" seit 70 Jahren so gewohnt. Da kann man nicht von einem Tag auf den anderen alles auf den Kopf stellen. Ich finde es ganz gut, wie es gerade lΓ€uft.
Was hat sich bis jetzt verΓ€ndert?
Wenn man genau die "Tagesschau" beobachtet, dann merkt man, dass die Formulierungen mittlerweile umgangssprachlicher geworden sind. In der 20-Uhr-Ausgabe gibt es jetzt auch Moderationskarten statt Zettel. Oder auch mal eine andere Kameraeinstellung. So sieht man Judith Rakers zum Beispiel in GΓ€nze und nicht mehr nur abgeschnitten hinter dem Tisch. Alles etwas nahbarer als bisher. Es sind vorsichtige Schritte, um ein bisschen moderner zu werden.
Beeinflusst diese Entscheidung auch den Dresscode der Frauen?
Der Dresscode der Frauen ist nach meinem Eindruck auf jeden Fall sehr viel farbenfroher geworden. Auch ein Blazer ist wohl nicht mehr zwingend notwendig. Aber ich habe auch schon mitbekommen, dass sich die Zuschauer und Zuschauerinnen wΓΌnschen wΓΌrden, dass die Sprecherinnen auch mal Schmuck tragen dΓΌrfen. Das kΓΆnnte ich mir auch gut vorstellen.
Herr SchΓΌnke, vielen Dank fΓΌr das GesprΓ€ch.
- GesprΓ€ch mit AndrΓ© SchΓΌnke
- ARD: "Tagesschau" vom 30. Oktober 2022
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