Huawei prÀsentiert das mit Abstand teuerste Smartphone
Huawei gibt nicht auf: Auch ohne Google-Dienste will der Konzern in diesem Jahr neue Top-Smartphones auf den deutschen Markt bringen, darunter ein faltbares GerÀt. Dabei sieht selbst der Hersteller ein, dass das Huawei Mate Xs hierzulande nicht viele Abnehmer finden wird. Warum tut sich Huawei das an?
Trotz der Absage des Mobile World Congress hat Huawei am Montag seine neuen Produkte in Barcelona vorgestellt. Die Keynote wurde allerdings nur im Livestream ĂŒbertragen. In Berlin hatten Journalisten auĂerdem die Möglichkeit, die neuen Produkte aus der NĂ€he zu begutachten und auszuprobieren.
Das kann das neue Huawei Mate Xs
Besondere Aufmerksamkeit galt dabei dem Huawei Mate Xs, einem neuen faltbaren Smartphone, das erstmals auch auf dem europÀischen Markt erhÀltlich sein soll. Das VorgÀngermodell konnte man nur in China kaufen.
Laut Huawei wurden die Faltmechanik und die StabilitĂ€t des GerĂ€tes verbessert. Anders als bei Konkurrenzmodellen wie dem Samsung Galaxy Fold (hier geht's zum Testbericht) wird das Display beim Huawei Mate Xs nicht nach innen, sondern nach auĂen umgeklappt. Eine deutlich sichtbare Schutzfolie soll Schaden und Kratzer abhalten â und darf wie beim Galaxy Fold auf keinen Fall abgepult werden.
Display, Akku, Kamera
Ein Knopf auf der RĂŒckseite lĂ€sst das Scharnier aufspringen und die RĂŒckseite nach vorne klappen. So verwandelt sich das Smartphone in ein tabletartiges GerĂ€t mit 8 Zoll Bildschirmdiagonale (etwa 20 cm) und einem nahezu quadratischen 4:3-Format. Im zusammengeklappten Zustand ist das Foldable fast fingerdick. An der Seite befindet sich ein in den Ein/Aus-Knopf integrierter Fingerabdrucksensor.
Die Kamera sitzt beim Mate Xs auf der RĂŒckseite, und zwar ausschlieĂlich dort. Um Selfies aufzunehmen muss der Nutzer das GerĂ€t also aufklappen, die Kamera-App aktivieren, das GerĂ€t wieder zuklappen und umdrehen. Ausgelöst wird dann mit einem Knopf an der Seite. Alles in allem ist das etwas umstĂ€ndlich.
Probleme mit Google-Apps
Das Huawei Mate Xs kommt Mitte MĂ€rz fĂŒr 2.499 Euro in den Handel und wird nur in ausgewĂ€hlten Flagship-Stores erhĂ€ltlich sein. "Aufgrund der hohen Kosten ist es kein GerĂ€t fĂŒr den Massenmarkt", rĂ€umt Huawei-Deutschlandchef William Tian im GesprĂ€ch mit t-online.de ein. Die Hauptzielgruppe seien GeschĂ€ftsleute.
Am 26. MĂ€rz will Huawei in Paris sein nĂ€chstes Top-GerĂ€t fĂŒr den Massenmarkt vorstellen, das Huawei P40 Pro. Bis dahin soll auch das Problem mit den fehlenden Apps und Google-Diensten beseitig sein, verspricht Tian. Er sei zuversichtlich, dass bis zu dem Vorstellungstermin fast alle in Deutschland populĂ€ren Apps auch in Huaweis App Gallery verfĂŒgbar sein werden.
WhatsApp und Facebook sind nutzbar
Seit dem vergangenen Jahr darf Huawei seine neuen GerĂ€te aufgrund von US-Handelsrestriktionen nicht mehr mit Google-Diensten anbieten. Dadurch fehlen auf den Android-Smartphones sowohl der Play Store als auch beliebte Apps wie YouTube, GMail oder Google Maps. Zuletzt warnte Google sogar ausdrĂŒcklich davor, die Apps aus einer anderen Quelle als dem offiziellen Play Store herunterzuladen.
Huawei bemĂŒht sich um Alternativlösungen. Wer beispielsweise im Huawei App Store nach WhatsApp oder Facebook sucht, wird automatisch auf eine offizielle Download-Seite des Facebook-Konzerns weitergeleitet. "Damit bieten wir unseren Kunden einen sicheren und legalen Weg, ihre Lieblings-Apps auf einem neuen Huawei-Smartphone zu nutzen", sagt Tian.
Angriff auf Apple und Google
Langfristig will Huawei seine eigene Plattform namens Huawei Mobile Services (HMS) als Alternative zu den Systemen von Google und Apple positionieren. Ziel sei es, ein Ăkosystem zu erschaffen, das "offener, sicherer und innovativer sei" als das der US-Giganten, sagt Tian. Dabei sei es von Vorteil, dass Huawei Hard- und Software aus einer Hand anbieten und perfekt aufeinander abstimmen könne.
Insgesamt drei Milliarden US-Dollar will Huawei in sein extrem ehrgeiziges Vorhaben investieren. Allein die App-Entwicklung soll mit einer Milliarde Dollar gefördert werden. Davon sollen 25 Millionen Dollar der deutschen Entwicklerszene zugute kommen, sagt Tian.
Als zusĂ€tzlichen Anreiz verspricht Huawei, dass die Entwickler im ersten Jahr 100 Prozent ihrer App-Einnahmen behalten dĂŒrfen, wĂ€hrend sich Google und Apple ihren Teil vom Kuchen nehmen. Wer beispielsweise Apps fĂŒrs iPhone oder iPad programmieren will, muss 30 Prozent seiner Einnahmen an Apple abdrĂŒcken â ein Umstand, der Unternehmen wie Spotify bereits auf die Barrikaden treibt.
So will Huawei die Nutzer ĂŒberzeugen
Dennoch: Ohne die entsprechende Kundschaft wird es schwierig, Huaweis App Store als attraktiven Marktplatz zu etablieren. Laut Unternehmensangaben zÀhlt die App Gallery weltweit 1,3 Millionen registrierte Entwickler und 400 Millionen monatlich aktive Nutzer. Nur 28 Millionen davon leben in Europa. Mit Servern in Europa, On-Device-Datenverarbeitung und angeblich EU-konformen Datenschutzbestimmungen wirbt Huawei um das Vertrauen der Konsumenten, die ihre Daten bisher Apple oder Google anvertraut haben.
Sollte es Huawei tatsĂ€chlich gelingen, neben Apple und Google eine dritte, starke Alternative auf dem Markt fĂŒr mobile Betriebssysteme zu etablieren, wĂ€re das nicht weniger als eine Sensation. Bislang sind alle Versuche, das Duopol aufzubrechen klĂ€glich gescheitert.
Google ist noch nicht abgehakt
Und auch Huawei hĂ€lt sich lieber noch eine HintertĂŒr offen: Offiziell will der Konzern eine RĂŒckkehr zu den Google-Diensten nicht gĂ€nzlich ausschlieĂen. TatsĂ€chlich gibt es Grund zur Hoffnung: Wie am Montagabend bekannt wurde, hat Google bei der US-Regierung einen Antrag eingereicht, der die Zusammenarbeit erneut möglich machen könnte.
"Ein offenes Android-System sowie Ăkosystem sind nach wie vor die erste Wahl von Huawei. Wird uns die Nutzung davon allerdings verwehrt, sind wir in der Lage ein eigenes Betriebs- und Ăkosystem zu entwickeln", teilte Huawei daraufhin mit. Mit anderen Worten: Chinas wertvollster Konzern ist noch lange nicht gewillt, seinen Status als Nummer Drei auf dem Smartphone-Markt abzugeben, sondern wird darum kĂ€mpfen â koste es, was es wolle.