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Corona-Impfungen: Interview mit Mediziner Holger Röblitz


Impfarzt aus Berlin
"Bevor Impfstoff verfällt, bekommt jemand außer der Reihe eine Impfung"

InterviewVon Sandra Simonsen

08.02.2021Lesedauer: 7 Min.
Interview
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Der Gesprächspartner muss auf jede unserer Fragen antworten. Anschließend bekommt er seine Antworten vorgelegt und kann sie autorisieren.

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Impfzentrum Brandenburg an der Havel: Überall in Deutschland finden gerade Impfungen gegen das Coronavirus statt.Vergrößern des Bildes
Impfzentrum Brandenburg an der Havel: Überall in Deutschland finden gerade Impfungen gegen das Coronavirus statt. (Quelle: Jochen Eckel/imago-images-bilder)

Mittlerweile werden in Deutschland bereits seit rund anderthalb Monaten Menschen gegen das Coronavirus geimpft. Ein großes Problem sind allerdings weiterhin fehlende Impfstoffe – das berichtet auch Impfarzt Holger Röblitz im Interview mit t-online.

Zunächst mit dem Impfstoff von Biontech/Pfizer und dann auch mit dem Wirkstoff von Moderna: Bundesweit impfen seit Ende Dezember mobile Impfteams und medizinisches Personal in Impfzentren vor allem vulnerable Gruppen. Mittlerweile gerät der Impfprozess aber immer wieder ins Stocken, weil nicht genügend Impfstoff zur Verfügung steht und es in vielen Bundesländern Probleme bei der Vergabe von Impfterminen gibt.

Auch in Berlin werden die Kapazitäten in den Impfzentren längst nicht ausgeschöpft, wie Dr. Holger Röblitz im t-online-Interview berichtet. Er ist eigentlich Kinder- und Jugendarzt, war aber bereits zweimal als Impfarzt im Impfzentrum Arena in Berlin Treptow im Einsatz. Im Gespräch mit t-online erzählt er, welche Herausforderungen es bei den Impfungen gibt, ob er selbst Bedenken beim Impfstoff hat und wann er auch Kinder und Jugendliche impfen lassen würde.

t-online: Wie laufen die Impfungen im Impfzentrum ab?

Dr. Holger Röblitz: Das kann ich natürlich vor allem aus ärztlicher Sicht schildern: Schon beim ersten Mal fand ich es beeindruckend, wie sich so ein Ort wandeln kann. Dort ist alles sehr gut organisiert. Jeder weiß, dass man kommt, alles ist gut ausgeschildert, man wird registriert und informiert. Nach der Einweisung bekommt man dann zwei bis drei Impfkabinen zugewiesen, die man betreut. Beim ersten Mal lief alles noch recht ruhig, beim zweiten Mal waren die Abläufe schon sehr viel schneller: Kaum war ein Impfling geimpft, kam schon der nächste. Und die Patienten kommen auch super gut vorbereitet in die Impfkabine – vorher gab es schon eine Beratung, ein Informationsvideo und ein Arztgespräch für die Patienten. Und am Ende des Tages gehe ich sehr zufrieden nach Hause, weil das eine tolle Aktion ist.

Wie viele Menschen impfen Sie in einer Schicht?

Das war bei meinen beiden Schichten ganz unterschiedlich: Beim ersten Mal waren es vielleicht so 20 bis 25 Menschen in den 5 Stunden. Beim zweiten Mal waren das deutlich mehr – ich schätze mehr als 40. Ich hatte links und rechts eine Impfkabine und bin gefühlt im Zehn-Minuten-Takt hin und her gelaufen.

Was sind die größten Herausforderungen für Sie als Arzt?

Das Impfen an sich ist ja etwas, was wir sowieso jeden Tag machen – herausfordernd ist daran gar nichts, das ist wirklich Alltagsgeschäft. Die Herausforderungen bestehen eher darin, dass beispielsweise Wartezeiten entstehen, weil kein Patient da ist oder nicht ausreichend Impfstoff. Die wirkliche Herausforderung liegt also eher im nicht-ärztlichen Bereich: Schafft man es immer genügend Patienten einzuladen und ausreichend Impfstoff da zu haben.

(Quelle: privat/Holger Röblitz)

Dr. Holger Röblitz


Holger Röblitz ist Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, Allergologie und Kinderpneumologie. Als Spezialist für Allergien und Lungenerkrankungen im Kindes- und Jugendalter kümmert er sich in seiner Praxis in Berlin-Köpenick neben seinen Spezialgebieten zusammen mit seinen Kolleginnen auch um die ganz normalen kinderärztlichen Belange, wie beispielsweise das Impfen. Mittlerweile war er bereits zweimal als Impfarzt im Corona-Impfzentrum Arena in Berlin-Treptow im Einsatz und hat dutzenden Menschen eine Impfung gegen SARS-CoV-2 verabreicht.

Kommen die ersten Impflinge häufiger mit Bedenken zur Impfung? Wenn ja, wie wird damit umgegangen?

Die meisten sind total aufgeregt und freudig – die sagen teilweise, sie haben schon so viel durchgemacht, den kleinen Piks stehen sie auch noch aus. Das ist eigentlich eine ganz herzige Angelegenheit. Ich muss da überhaupt gar nicht mehr viel aufklären – ich mache das natürlich, aber die Patienten sind im Grunde schon sehr gut informiert. Alle die dorthin kommen, haben auch ein Interesse daran, dass sie geimpft werden. Wer nicht will, kommt gar nicht erst zur Impfung – es wird ja niemand gezwungen.

Wie sind Sie auf mögliche spontane Nebenwirkungen Ihrer Impflinge vorbereitet?

In der Arena ist es so organisiert, dass die ganze Zeit über auch ein Team aus Notarzt und Sanitätern vor Ort ist. Die können sofort angerufen werden und kommen innerhalb von Sekunden, wenn es einen Zwischenfall gibt. Man weiß eben, dass da etwas passieren könnte – im Wesentlichen sind das eben allergische Reaktionen. Bei Patienten, die bestimmte Medikamente nehmen, kann es aber beispielsweise auch zu Nachblutungen kommen. Darauf bereiten wir uns aber mit besonders dünnen Kanülen vor.

Gab es bereits Zwischenfälle?

In der Zeit, in der ich da war überhaupt nicht. Ich musste einmal einen Patienten wieder wegschicken, weil er in der Vergangenheit auf ein Medikament schwer allergisch reagiert hat.

Wie reagieren Sie auf die Lieferengpässe beim Impfstoff?

Das ist ja wirklich eins der großen Themen – und eigentlich auch das größte Ärgernis zur Zeit. Eigentlich sollten ja schon Mitte Dezember sechs Impfzentren in Berlin voll am Start sein und alle waren darauf vorbereitet, nur der Impfstoff war nicht da. So wurde ganz viel abgesagt und dann erst einmal nur ein Impfzentrum geöffnet. Mittlerweile sind auch nur drei der sechs Impfzentren geöffnet und diese drei arbeiten auch nicht auf Volllast, sondern eigentlich nur halb oder zu einem Drittel. Es wird letztendlich geguckt, wie viel Impfstoff da ist und dann wird abgeschätzt, wie viel auch geimpft werden kann. Das ist momentan wirklich das größte Hindernis.

Es gab aber ja auch Meldungen dazu, dass zwar Impfstoff und Möglichkeiten vorhanden sind, aber nicht ausreichend Menschen zum Impfen kommen – wie ist da die Lage in Berlin?

Genau, manchmal gab es auch „Lieferengpässe“ bei den Impflingen. Eigentlich ist die Arena glaube ich für rund 6.000 Patienten am Tag ausgelegt und es waren dann nur rund 800 eingeladen worden. Irgendwann haben wir Däumchen gedreht und überlegt, was wir machen können. Dann haben wir viele geimpft, die rund um das Impfgeschehen dort tätig waren. Also eigentlich gar nicht die, die jetzt zuerst dran wären. Aber es waren noch rund 40 oder 50 Impfdosen aufgezogen, die innerhalb von 2 Stunden aufgebraucht werden mussten – die wurden natürlich nicht weggeworfen. Da muss man dann auch sagen: Bevor jetzt Impfstoff verfällt, bekommt eben jemand außer der Reihe eine Impfung.

Könnten Sie, wenn bald ein oder gar zwei weitere Impfstoffe bei uns zugelassen werden, unproblematisch auch mehrere unterschiedliche Vakzine vergeben?

Ich weiß natürlich nicht, wie es letztendlich entschieden wird – aber aus meiner Sicht wäre es wenig sinnvoll, an einem Impfzentrum mehrere Impfstoffe vorrätig zu haben. Wenn ich das entscheiden dürfte, würde ich an einem Zentrum immer nur einen Impfstoff haben, einfach auch um Verwechslungen vorzubeugen. Die Impfstoffe sind ja nicht austauschbar: Wenn ich die erste Impfung mit Biontech bekommen habe, kann ich beim zweiten Mal nicht mit Astrazeneca geimpft werden.

Sollte sich der Impfling Ihrer Meinung nach einen Impfstoff aussuchen können?

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Wenn denn irgendwann einmal genug Impfstoff da ist, wäre das natürlich im Sinne der Therapiefreiheit, wie sie eigentlich zwischen Arzt und Patienten üblich ist. Das ist ja beispielsweise bei Tetanus- oder Hepatitis-Impfstoffen auch so: Da hat der Patient ein Mitspracherecht, auch wenn er meistens darauf vertraut, was der Arzt ihm empfiehlt. So lange aber noch nicht genug Impfstoff da ist, muss wahrscheinlich im Sinne der Pandemiebewältigung entschieden werden. Das ist aber eine politische und keine medizinisch-fachliche Entscheidung.

Könnten die täglichen Impfkapazitäten im Impfzentrum kurzfristig noch deutlich ausgebaut werden, wenn bald mehr Dosen pro Tag verfügbar sein würden?

Ja, die Kapazitäten sind wie gesagt ohnehin viel größer. Und es wäre auch dringend notwendig, dass die ausgenutzt werden. Denn wenn wir so weiterimpfen, wie bisher, dann brauchen wir noch zwei, drei Jahre, bis jeder geimpft ist. Nach einem Monat sind jetzt rund 2 Millionen geimpft – wir bräuchten etwa 60 Millionen Geimpfte, das kann sich ja jeder ausrechnen.

Haben Sie persönlich Sorgen vor Langzeitwirkungen der Impfstoffe oder würden Sie sich sofort impfen lassen?

Persönlich habe ich noch nie Sorgen vor Impfungen gehabt. Es gibt gerade in Deutschland kein Arzneimittel, das so streng überprüft wird und so strenge Zulassungsbedingungen hat wie Impfstoffe. Und das ist auch richtig so. Wir verabreichen ja ein Medikament an jemanden, der gesund ist – und der soll auch gesund bleiben und nicht dadurch krank werden. Da habe ich wirklich Vertrauen in die Wissenschaft und die zuständigen Behörden, dass die Impfstoffe sicher und gut wirksam sind.

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Deshalb war es auch besonders wichtig, dass wir bei den neuen Impfstoffen jetzt nicht einen kürzeren Weg genommen oder beispielsweise eine Notfallzulassung bekommen haben. Dann hätten wir früher anfangen können zu impfen, aber auf Kosten der Sicherheit. Dass es trotzdem so schnell gegangen ist, lag jetzt einfach daran, dass es nahezu unbegrenzte Geldmittel gab und dass alle zusammengearbeitet und ihre Karten auf den Tisch gelegt haben. Sonst dauert eben jede einzelne Studie schon Jahre, weil man erst einmal Geld sammeln muss und alles nacheinander gemacht wird. Also nein, Sorgen habe ich nicht.

Können Sie einschätzen, wann Sie an der Reihe sind?

Ich bin auch schon geimpft worden, weil ich eben an vorderster Front mitarbeite und die Chance hatte. Natürlich war es so, dass ich dann ein bisschen abgeschlagen war, aber nach einem Tag war alles wieder gut. Das ist auch ein ganz wichtiger Punkt in der Debatte, denke ich.

Reicht es aus Ihrer Sicht aus, wie die Politik momentan über die Impfstoffe informiert – in der Bevölkerung, aber auch gegenüber medizinischem Personal? Was hätten Sie sich zusätzlich gewünscht?

Da ist immer die Frage: Wer hat eine Bringschuld und wer hat eine Holschuld? Beim Thema Impfstoff sehe ich eigentlich kein großes Verbesserungspotenzial in der Informationspolitik. Ich habe andere Schwierigkeiten mit der Politik um die Pandemiebewältigung. Aber bei den Impfungen bin ich rundum zufrieden. Allerdings habe ich auch einen Vorteil, weil ich ja durch meinen Beruf schon Vorwissen besitze. Aber ich finde, da machen auch die Medien einen fantastischen Job: Ich habe noch nie so viele so gute Erklärvideos über Impfstoffe, m-RNA und all die anderen medizinischen Hintergründe gesehen. Aber man muss sich diese Informationen eben auch holen. Für einen aufgeklärten, mündigen Bürger gehört aus meiner Sicht auch dazu, dass man sich kümmert und sich auch bei unabhängigen Medien informiert.

Eine letzte Frage an Sie als Kinder- und Jugendarzt: Würden Sie auch Kinder impfen lassen?

Wenn es einen Impfstoff gibt, der auch für Kinder zugelassen ist – na klar. Momentan sind die Impfstoffe ja frühestens ab 16 Jahren zugelassen. Aber sobald die Zulassung da ist und genug Impfstoff da ist, ist es natürlich auch sinnvoll, weil gerade bei Jugendlichen Ansteckungspotenzial da ist.

Vielen Dank für das Gespräch, Dr. Röblitz!

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
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