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Charité distanziert sich von Studie: Doch nicht mehr Impfnebenwirkungen?


Charité distanziert sich von Studie
Doch nicht mehr Impfnebenwirkungen?


Aktualisiert am 08.05.2022Lesedauer: 4 Min.
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Demo gegen Corona-Impfungen (Symbolbild): Gerade entflammt die Diskussion um Impfnebenwirkungen neu.Vergrößern des Bildes
Demo gegen Corona-Impfungen (Symbolbild): Gerade entflammt die Diskussion über Impfnebenwirkungen neu. (Quelle: ULMER Pressebildagentur/imago-images-bilder)

Gerade erst sorgte eine Studie der Charité für Aufsehen: Der Studienleiter erklärte, Nebenwirkungen nach einer Corona-Impfung seien deutlich häufiger als angenommen. Nun widerlegen Experten die Aussagen des Arztes.

Wer an sich nach einer Corona-Impfung Nebenwirkungen bemerkt, kann dies an das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) melden. Die Wissenschaftler dort geben regelmäßig einen Überblick über Zahlen und Daten zu möglichen Nebenwirkungen bei einer Impfung mit den neuen Vakzinen.

Jetzt wird Kritik an seinen Aussagen laut und die Charité distanziert sich von der Studie. Was ist dran an den Aussagen und wie seriös ist die Studie?

Um welche Studie zu Corona-Impfnebenwirkungen geht es?

Die Studie "Sicherheitsprofil von Covid-19-Impfstoffen" läuft aktuell unter dem Kurztitel "ImpfSurv" an der Medizinischen Klinik für Gastroenterologie, Infektiologie und Rheumatologie der Charité. Leiter der Studie ist Prof. Dr. Harald Matthes.

Bei der Studie handelt es sich um eine "Real-World Data Beobachtungsstudie", bei der Freiwillige einen Onlinefragebogen ausfüllen. In dem Fragebogen werden sie unter anderem nach körperlichen Beschwerden nach ihrer Corona-Impfung, einer Covid-Erkrankung und demografischen sowie klinischen Daten gefragt. Auch die mentale Gesundheit der Probanden wird abgefragt.

Bisher gibt es noch kein vollständiges Ergebnis der Studie, es werden weiterhin Teilnehmer ab 18 Jahren gesucht. Die Teilnahme ist einfach über einen Link möglich und dauert circa zehn bis zwanzig Minuten. Die Studie läuft seit rund einem Jahr und hat bereits etwa 40.000 Teilnehmer.

Über welches Zwischenergebnis wurde nun berichtet?

In dem MDR-Bericht, der vielfach – auch von t-online – zitiert wurde, erklärte der Studienleiter Harald Matthes Anfang Mai, die Studie zeige, dass es 40 Mal so viele schwere Nebenwirkungen bei Corona-Impfungen gebe, wie bisher in Zahlen des Paul-Ehrlich-Instituts angenommen.

Matthes spricht von Nebenwirkungen, die den Krankheitsbildern von Long-Covid-Patienten ähneln. Dazu zählen demnach Symptome wie Muskel- oder Gelenkschmerzen, aber auch Herzmuskelentzündungen, überschießende Reaktionen des Immunsystems und neurologische Probleme.

Welche Kritik an der Studie gibt es?

Verschiedene Medien, aber auch Einzelpersonen in sozialen Netzwerken kritisieren jetzt die Studienergebnisse sowie die Aussagen von Matthes und stellen die Aussagekräftigkeit der Erhebung infrage.

So kritisiert "spektrum.de" unter anderem, dass von einer Onlinestudie mit freiwilligen Teilnehmern nicht auf die Gesamtbevölkerung geschlossen werden könne. Anders sehe das bei den offiziellen Zahlen des PEI aus.

Zu bedenken sei außerdem, dass Impfskeptiker oder jene, die Impfungen kritisch sehen oder Nebenwirkungen erfahren haben, eher nach einem entsprechenden Fragebogen oder Studien suchen und daran teilnehmen, als Menschen, die der Impfung neutral gegenüberstehen und auch keine Impfnebenwirkungen erfahren haben.

Studie lockt vor allem impfkritische Teilnehmer

Hinzu kommt, dass es sich um eine anthroposophische Studie handelt, wodurch sie in impfkritischen Kreisen mehr Aufmerksamkeit erhält als ein öffentliches Institut wie das PEI.

Ein weiterer Kritikpunkt: Minderjährige sind von der Studie prinzipiell ausgeschlossen und auch sehr alte Menschen werden an einer Onlinestudie eher selten teilnehmen.

"Zeit Online" hat sich die Studie ebenfalls genauer angeschaut und drei größere Probleme ausgemacht: Zum einen wurden die Studienergebnisse noch nicht veröffentlicht, die Studie ist bislang nicht abgeschlossen und somit auch nicht nachprüfbar, ob die Aussagen Matthes' korrekt sind.

Zudem sei es über die Befragung nicht möglich, die Schwere der Nebenwirkungen zu prüfen und mit der Impfung in Verbindung zu setzen. Und: Auch wenn Matthes das behauptet hat, decken sich die Studienergebnisse dem Bericht zufolge nicht mit Studien aus dem Ausland.

Kritik an der Studie wird auch in sozialen Netzwerken laut

In sozialen Netzwerken wie Twitter gibt es nicht minder scharfe Kritik. So zeigt ein Nutzer, wie leicht es ist, an der Befragung teilzunehmen und sie so auch zu manipulieren. Einzige Möglichkeit der Identifikation: eine E-Mail-Adresse. Die kann sich jeder mehrfach erstellen und somit mehrfach unter unterschiedlichen Identitäten den Fragebogen ausfüllen.

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Zudem wird auch kein Nachweis für eine tatsächliche Corona-Impfung gefordert und es können viele Fragen übersprungen werden, sodass der Fragebogen schnell abgearbeitet werden kann.

Auch Leif Erik Sander, ebenfalls Professor an der Charité, kritisiert die Ergebnisse der Studie auf Twitter. 0,8 Prozent schwere Impfkomplikationen seien "absolut unrealistisch und unseriös". Das decke sich ihm zufolge mit keiner der großen internationalen Studien. Er stellt außerdem klar: "Impfkomplikationen kommen vor. Sie sind glücklicherweise bei den Covid-19-Impfstoffen sehr selten."

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Wer ist Prof. Harald Matthes?

Prof. Dr. Harald Matthes ist unter anderem Mitbegründer und Ärztlicher Leiter des Gemeinschaftskrankenhauses Havelhöhe in Berlin. Die Klinik hat ihren Schwerpunkt in der Anthroposophischen Medizin. Zusätzlich hat Matthes eine Stiftungsprofessur für Integrative und Anthroposophische Medizin an der Charité.

Matthes ist gebürtiger Berliner und studierte Humanmedizin an der FU Berlin, wo er später auch promovierte. Er ist Facharzt für Innere Medizin, Gastroenterologie/Onkologie und Psychotherapie. Im Gespräch mit "Zeit Online" räumte der Wissenschaftler selbst "Limitationen seiner Studie" ein. Er bleibt demnach jedoch bei der Aussage, dass die Impfnebenwirkungen in Deutschland untererfasst würden.

Wie reagiert die Charité?

"Zeit Online" hat für seine Recherchen auch die Charité angefragt. Über einen Sprecher distanziert sich das Institut klar von der Auswertung.

"Bei dieser Untersuchung handelt es sich um eine offene Internetumfrage, im engeren Sinne also nicht um eine wissenschaftliche Studie. Diese Datenbasis ist nicht geeignet, um konkrete Schlussfolgerungen über Häufigkeiten in der Gesamtbevölkerung zu ziehen und verallgemeinernd zu interpretieren", betont der Sprecher.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Charité-Studie: "Sicherheitsprofil von COVID-19 Impfstoffen"
  • mdr.de: "Charité-Forscher fordert Ambulanzen für Impfgeschädigte", 3. Mai 2022.
  • Twitter-Recherchen
  • spektrum.de: "Belegt die Charité-Studie wirklich 40-mal so viele Impfnebenwirkungen?", 5. Mai 2022.
  • zeit.de: "Viel behauptet, nichts belegt", 6. Mai 2022.
  • 100jahrezukunft.de: "Prof. Dr. med. Harald Matthes"
  • charite.de: "Prof. Dr. med. Harald Matthes"
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