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Wahlforscher über Klimaliste: "Diese Partei ist den Grünen ein Dorn im Auge"


Konkurrenz im Wahlkampf
Wahlforscher: "Diese Partei ist einigen Grünen ein Dorn im Auge"

  • Theresa Crysmann
InterviewVon Theresa Crysmann

Aktualisiert am 21.09.2021Lesedauer: 3 Min.
Interview
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Wahlplakat der Partei Klimaliste Berlin: Die Kleinpartei könnte die Grünen Stimmen kosten.Vergrößern des Bildes
Wahlplakat der Partei Klimaliste Berlin: Die Kleinpartei könnte die Grünen Stimmen kosten. (Quelle: Stefan Zeitz/imago-images-bilder)

Mit der Klimaliste Berlin tritt der politische Arm der Klimabewegung am Sonntag erstmals in der Hauptstadt zur Wahl an. Im Interview erklärt Politikwissenschaftler Marc Debus, wieso das die Konkurrenz ärgern dürfte.

Am 26. September dürfen die Berlinerinnen und Berliner mehr Kreuze machen als der Rest der Bundesrepublik. Neben dem neuen Bundestag wählt die Hauptstadt auch ihr Abgeordnetenhaus und die Bezirksvertretungen. Zum ersten Mal tritt dabei eine Partei an, die sich ganz dem Kampf gegen die globale Erderwärmung verschrieben hat.

Die Klimaliste Berlin will mit radikalen Forderungen ins Landesparlament und in die Volksversammlung der Bezirke einziehen. Ihr Ziel: Berlin bis zum Jahr 2030 klimaneutral zu machen und so etwas beizutragen, um den fortschreitenden Klimawandel zu stoppen.

t-online hat mit dem Politikwissenschaftler Marc Debus über die Chancen der Partei gesprochen, die erst vor rund einem Jahr aus der Klimabewegung von Fridays for Future und Extinction Rebellion hervorgegangen ist.

t-online: Herr Debus, die Klimaliste Berlin will mit ihrem Versprechen für bessere Klimapolitik ins Abgeordnetenhaus. Braucht es dafür eine eigene Partei?

Marc Debus: Die Klimaliste ist eine Partei, die aus einer gewissen Frustration heraus entstanden ist. Bei ihren Mitgliedern besteht eine grundlegende Unzufriedenheit darüber, dass Regierungsbeteiligungen der Grünen nicht zu starken Reformen in der Umwelt- und Klimaschutzpolitik geführt haben. Doch: In Koalitionen mit anderen Parteien müssen alle Seiten von ihren Maximalforderungen abrücken und Kompromisse finden. Das sind die Kosten des Regierens, aber auch die Existenzgrundlage für radikalere Alternativen.

Bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt sind dieses Jahr schon andere Ableger der Klimaliste angetreten. Überall lagen sie unter 1 Prozent. Müssen sich die Berliner Grünen trotzdem fürchten?

Ja. Die Wahlteilnahme der Klimaliste ist ein Nachteil für die Grünen. Generell nutzen Wählerinnen und Wähler Landtagswahlen auch, um den etablierten Parteien eins auszuwischen. Das heißt, die Grünen könnten ein, vielleicht zwei Prozent an die Klimaliste verlieren. Besonders bei knappen Wahlausgängen kann das entscheidend sein.

Eine schlechte Nachricht für die Grünen.

In der Tat. Diese Partei ist einigen Grünen ein Dorn im Auge. Es ist schon vorgekommen, dass eine Wunschkoalition der Grünen wohl wegen der Klimaliste nicht zustande kam.

Ach ja?

Bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg gab es in einigen Wahlkreisen sehr knappe Entscheidungen – nur ein paar hundert Stimmen haben etwa im Wahlkreis Geislingen den CDU-Kandidaten gewinnen lassen. Hätten die Grünen ein paar Stimmen mehr bekommen, hätte es in Baden-Württemberg für eine grün-rote Koalition gereicht. Jetzt ist sie wieder grün-schwarz. Die 0,9 Prozent der Stimmen, die die Klimaliste dort geholt hat, können den Unterschied gemacht haben.

In Berlin hofft die Klimaliste sogar auf bis zu elf Prozent der Stimmen. Sie hat dazu eigens ein Umfrageinstitut beauftragt.

Bei der Umfrage wurde vorgefühlt, wer sich vorstellen könnte, die Klimaliste Berlin zu wählen. Das ist keine Frage nach der tatsächlichen Wahlabsicht. Auf keinen Fall wird diese Partei elf Prozent der Stimmen bekommen. Nur ein kleiner Teil dieser Wahlberechtigten wird das Kreuz tatsächlich bei der Klimaliste machen. Trotzdem zeigen auch solche Umfragen: Es existiert ein Potenzial.

Prof. Dr Marc Debus forscht und lehrt an der Universität Mannheim. Seit 2012 hat er dort die Professur für Politische Wissenschaft, Vergleichende Regierungslehre inne. Zu seinen Schwerpunkten gehört unter anderem der Parteienwettbewerb.

Die Kandidatinnen und Kandidaten der Klimaliste Berlin zählen darauf, dass der 26. September die entscheidende "Klimawahl" wird und sie davon enorm profitieren. Sieht die Bevölkerung das auch so?

Natürlich profitieren Parteien wie die Grünen oder die Klimaliste davon, dass Klimaschutz gerade ein zentrales Thema ist. Allerdings ist es bei Weitem nicht das einzige. Der Wahlerfolg einer neuen Ein-Thema-Partei dürfte sich daher in Grenzen halten.

Mit einer ganz anderen Erwartung kandidieren Mitglieder der Klimaliste in einigen Wahlkreisen aber auch für den Bundestag. Ist das naiv?

Nein, eigentlich nicht. Es ist fast beneidenswert, dass eine so junge Partei es geschafft hat, überhaupt Direktkandidaten aufzustellen. Das ist bei Neugründungen häufig nicht einfach. Das ermöglicht einen starken personalisierten Wahlkampf und erhöht gleichzeitig die Sichtbarkeit der Partei. Dass die Klimaliste jetzt schon bei einer Bundestagswahl antritt, ist durchaus ein Zeichen, dass sie es ernst meinen und mitgestalten wollen.

Sehen Sie da eine Parallele zu den jungen Grünen Anfang der 1980er-Jahre?

Da gibt es eine gewisse Analogie. Die Grünen starteten damals weitgehend als Ein-Themen-Partei, deren zentrales Anliegen der Umweltschutz war. Inzwischen gehören sie längst zu den etablierten Parteien und decken alle Politikbereiche ab. Die Abkehr der Grünen von radikaleren Positionen hat aber genau die Lücke geschaffen, in der neue Parteien wie die Klimaliste entstehen und zu einem gewissen Grad zur Konkurrenz werden.

Herr Debus, vielen Dank für das Interview!

Verwendete Quellen
  • Interview mit Politikwissenschaftler Prof. Dr. Marc Debus, Lehrstuhl für Vergleichende Regierungslehre an der Universität Mannheim
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