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Sonne, Schnee und Trockenheit: Wie viel Frühlingschaos ist noch normal?


Supersonne, Schnee und Trockenheit
Wie viel Frühlingschaos ist noch normal?


Aktualisiert am 02.04.2022Lesedauer: 5 Min.
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Frühling in München: Bis zu 20 Grad wurden es zuletzt - deutlich zu warm für diese Jahreszeit.Vergrößern des Bildes
Frühling in München: Bis zu 20 Grad wurden es zuletzt - deutlich zu warm für diese Jahreszeit. (Quelle: www.AlexanderPohl.photography/imago-images-bilder)

Zu warm, sehr trocken und mit neuem Rekord beim Sonnenschein: Der Frühlingsauftakt war in mehrfacher Hinsicht auffällig. Es deuten sich langfristige Veränderungen an.

Der sonnigste März der Geschichte ist vorbei. Seit deutsche Meteorologen im Jahr 1951 begannen, die Sonnenstunden zu zählen, hat der Monat des Frühlingsbeginns noch nie so gestrahlt wie in diesem Jahr.

"Wir hatten mehr als das Doppelte der üblichen Sonnenscheindauer in Deutschland! Das gab's noch nie", sagt Andreas Brömser vom Deutschen Wetterdienst (DWD).

Statt den durchschnittlich 111 Stunden hatte dieser März mehr als 235 Stunden Sonne – mehr noch, als sonst sogar im Juli üblich sind. Laut Meteorologe Brömser zeichnet sich bereits seit einigen Jahrzehnten ein Trend zu mehr Sonnenschein ab. Und der soll so auch weitergehen. Grund dafür ist die Klimakrise.

Steigende Temperaturen verändern Sonnenscheindauer

Laut Andreas Brömser sorgt die globale Erderwärmung nicht nur dafür, dass auch in Deutschland die Durchschnittstemperaturen steigen. Sondern die wärmere Luft verändert auch die Wolkenbildung – und damit die Sonnenaussichten.

"Wasserdampf wird schneller zu Bewölkung, der Niederschlag regnet aus und ist so relativ bald wieder aus der Atmosphäre verschwunden", sagt Brömser. Dass es in der Klimakrise weniger regne oder schneie, sei hingegen nicht abzusehen.

Und trotzdem steigt die Dürregefahr. Denn die Stärke und Häufigkeit der Niederschläge verändert sich durchaus.

Regenfälle werden seltener, aber heftiger

"Auch wenn die Regenmengen gleich bleiben – die Tendenz geht dahin, dass abwechselnd lange Phasen mit sehr wenig Regen auf kurze, sehr heftige Regenfälle folgen", so der Meteorologe des DWD.

Sich auf einzelne Zeitpunkte eines Jahres mit Extremwetter zu fixieren, sei für Analysen zum Klimawandel aber wenig aufschlussreich.

Das sieht auch Brömsers Fachkollege Jörg Kachelmann so, der sich jüngst über all die Medien ärgerte, die bereits vor Monatsende den trockensten März aller Zeiten ausrufen wollten.

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Bei allen tatsächlichen Wetterextremen, die die Klimakrise mit sich bringe: Der März gehöre so oder so zu den trockensten Monaten des Jahres, so Kachelmann. Die Messungen des DWD zeigen ebenfalls: Neben Oktober und Februar ist der März schon immer ein besonders trockener Monat.

"Es gibt immer mal wieder einige Jahre mit größeren und einige Jahre mit geringeren Niederschlagsmengen im März. Einen eindeutigen Trend gibt es aber nicht", sagt Andreas Brömser.

Auch die Häufung trockenerer Frühjahre in den vergangenen 10 bis 15 Jahren könne eine natürliche Schwankung sein. Ob es sich dabei um eine Folge der Klimakrise handele, lasse sich erst nach einem doppelt so langen Beobachtungszeitraum sagen. Um zu entscheiden, was noch Wetter und was schon Klima ist, müssen Wetterdaten aus mindestens 30 Jahren klare Trends zeigen.

In jedem Fall lasse sich Trockenheit im März noch eher verschmerzen als später im Jahr, so Brömser.

Steigende Temperaturen erhöhen das Dürrerisiko

"Die Böden sind oberflächlich zwar staubtrocken geworden, aber in der Tiefe war und ist noch sehr viel Wasser vom Winter gespeichert", sagt der Meteorologe.

Im April, Mai und Juni dürfte das schon ganz anders aussehen – denn je wärmer die Lufttemperatur, desto schneller verdunstet die Feuchtigkeit aus Böden und Pflanzen. Vor allem, wenn man die stetig steigenden Temperaturen mitdenkt, die der Klimawandel bewirkt.

Bäume, Getreide, Obst- und Gemüsepflanzen, Blumen und Sträucher brauchen in einer wärmeren Umgebung eigentlich mehr Wasser, um ausreichend versorgt zu sein. Doch mehr Regen wird es laut der Zukunftsprognosen des Deutschen Wetterdienstes auch in den Frühjahren der nächsten Jahrzehnte nicht geben.

Für Nutzpflanzen, Viehweiden und Wälder, aber auch für Gärten steigt damit das Risiko für Trockenstress. Gerade kurz nach der Aussaat oder Auspflanzung und in den ersten Wachstumsphasen ist die Gefahr groß, dass Pflanzen sich bei mangelnder Wasserzufuhr nur schwach entwickeln oder eingehen.

Ernteeinbußen kündigen sich im Frühjahr an

Herrmann Lotze-Campen weiß gut, was das für Bauern bedeuten kann. Der gelernte Landwirt leitet die Abteilung Klimaresilienz am Potsdam Institut für Klimafolgenforschung und hat Erfahrung mit Wetterextremen.

"Häufigere Trockenheit und häufiger zu feuchte Jahre führen in Europa auch jetzt schon dazu, dass Landwirte zum Teil mit Ernteausfällen zu kämpfen haben." Sich an die wandelnden Bedingungen anzupassen, sei gar nicht so einfach.

"Der Effekt solcher Extreme hängt ganz davon ab, wo und zu welcher Jahreszeit sie auftreten – das kann jährlich anders sein", so Lotze-Campen. Die Unberechenbarkeit der Wetterphänomene mache es für Landwirtinnen und Landwirte oft schwer, sich kurzfristig darauf einzustellen.

Und nicht erst in der zweiten Frühlingshälfte bringt die globale Erderwärmung auch in Deutschland Probleme mit sich. Mit Blick auf den März bereiten die Temperaturen dem DWD-Meteorologen Andreas Brömser ebenfalls Sorgen.

Falscher Alarm für junge Knospen

"Seit Beginn der Wetteraufzeichnungen 1881 ist die Durchschnittstemperatur im März um knapp 2 Grad Celsius angestiegen." Mit einem Mittel von 5,1 Grad lag der Monat in diesem Jahr sogar 1,6 Grad über dem Wert der international gültigen Referenzperiode 1961 bis 1990.

Doch was für den Menschen nur die Wahl zwischen dünnen und dicken Socken bedeuten mag, ist ein enormer Temperatursprung für Pflanzen. Besonders, wenn das Thermometer an mehreren Tagen hintereinander eine zweistellige Zahl anzeigt. Für viele Gewächse heißt das: Achtung, fertig, los – der erste Wachstumsspurt ist fällig.

Nach jungem Grün sprießen dann auch die ersten Blütenknospen, doch immer öfter ist es für sie noch zu früh. Die Klimaerwärmung sendet falsche Signale – gerade für Obstbäume ist der ideale Zeitpunkt für den Austrieb noch längst nicht gekommen. Stattdessen lauern Kaltlufteinbrüche und Minusgrade. So wie jetzt.

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Schäden an Bäumen und Reben

"Am Wochenende werden Fröste ein Thema sein, mit ein paar Grad unter null. Gerade an Pfirsichbäumen und Aprikosen könnten entsprechende Schäden entstehen", warnt Wetterexperte Brömser.

Bis in den Mai kann es mit solchen Kälteeinbrüchen noch weitergehen. Nicht umsonst kennen die Bauernregeln die sogenannten "Eisheiligen" – fünf Namenstage christlicher Heiliger Mitte Mai, die traditionell auch das Ende der letzten Nachtfröste markieren sollen.

In der Zwischenzeit erwischen Frosteinbrüche aber immer früher auch schon Apfel- und Kirschbäume sowie Weinreben. Der Klimawandel verdreht ihre innere Uhr.

Bei allen beginnt die Blüte- bzw. Austriebszeit wegen der steigenden Temperaturen zunehmend früher im Jahr. Zuletzt kam es deswegen 2017 zum Desaster.

Im besonders warmen März waren die Pflanzen im Obst- und Weinbau teils bis zu zwei Wochen zu früh ausgeschlagen – besonders harte Nachtfröste Ende April und Anfang Mai sorgten europaweit für Schäden in Milliardenhöhe. Die Ernteeinbußen beliefen sich letztlich auf 3,3 Milliarden Euro.

Wettervorhersagen immer nur für wenige Tage

In 27 der vergangenen 30 Jahre war der März nun schon zu warm – 2022 war keine Ausnahme. Was dieser Frühling im weiteren Verlauf noch zu bieten hat, kann Meteorologe Brömser allerdings noch nicht sagen.

Während Beobachtungen zum Klimawandel über drei Jahrzehnte gemacht werden, um stichfest zu sein, erlauben Wettervorhersagen gerade einmal einen Blick für sieben bis zehn Tage in die Zukunft.

Immerhin gilt: "Nach dem Wochenende entspannt sich die Lage wieder", so Brömser. Es bleibe zwar kühl, aber mit dem Frost sei vorerst Schluss. Vielleicht läuft es in diesem Jahr für die Obstbäume dann doch noch ganz gut.

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